18.34

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir haben hier zwei Freihandelsabkom­men vor uns, die etwas old-fashioned sind. Sie sind sehr mangelhaft, was die prinzi­pielle Zielsetzung solcher Handelsabkommen betrifft. Es geht ja nicht nur um die Schaf­fung einer Freihandelszone, die Beseitigung hoher Zölle und Handelshemmnisse und die Liberalisierung von Dienstleistungen, sondern das sollten aus europäischer Sicht Handelsabkommen sein, die auch einen Beitrag zur Entwicklung der Staaten und der Region leisten.

Diese beiden sind schon 2012 respektive 2013 unterzeichnet worden, und damit haben wir auch einige Fakten am Tisch. Vor wenigen Wochen war ich bei einem Hearing beim neuen Generaldirektor der European Union Agency for Fundamental Rights. Ich habe ihm damals schon gesagt: Wenn die Europäische Union nun auf die Fundamen­tal Rights, also die grundlegenden Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokra­tieentwicklung besonderen Wert legt, dann wird sie sich mit ihren Handelsabkommen ganz schnell in eine Sackgasse bewegen. Das ist bei diesen beiden Abkommen auch passiert.

Da konnte der neue Generaldirektor für Fundamental Rights der Europäischen Kom­mission jetzt auch gar nicht wahnsinnig viel widersprechen; das hier sind absolute Min­deststandards und vor allem eine sehr, sehr schwache Verankerung der Menschen­rechtsnormen.

Das haben wir bei vielen dieser altertümlichen – old-fashioned – EU-Handelsverträgen, dass das nämlich in ein Extrakapitel abgeschoben wird, in eine sogenannte Menschen­rechtsklausel – nur kann man das dann bei Verstößen nicht einklagen. Dazu kommt noch, dass die Umwelt- und die Sozialstandards meistens in ein Nachhaltigkeitskapi­tel – auch nicht einklagbar – abgeschoben werden – also nicht beim Streitschlichtungs­mechanismus, nicht bei den Sanktionsmöglichkeiten – und dass es keine Kohärenz zwi­schen den Bereichen Entwicklungspolitik oder Entwicklungszusammenarbeit und Han­del gibt.

Was hier auffällt, ist: Was haben eigentlich Peru und Kolumbien bisher davon ge­habt? – Im Falle Perus einen dramatischen Abbau der Handelsüberschüsse; im Falle Kolumbiens eine einseitige Steigerung von Exporten bestimmter Produkte, die im Land selbst nur enorme Probleme geschaffen haben, nämlich die unmäßig expandierenden und ausufernden Ölplantagen. Dabei wird nämlich kleinen Bauern und indigenen Völkern das Land weggenommen, um gigantische Monokulturplantagen zu schaffen; und so kommen Zucker, Palmöl und Kohle nach Europa. Dazu kommen noch Kaffee und Bananen, aber das ist nicht so wichtig.

Wichtig ist, dass es in Kolumbien einen gesellschaftlichen Disput über die Ölpalmen­plantagen gibt, die nämlich dem Land die Chance auf Grundnahrungsmittel für das ei­gene Volk wegnehmen. Wenn Sie heute in Europa Schokolade oder sonstige Süßwa­ren kaufen, haben Sie überall Palmöl drinnen, und das hat damit etwas zu tun.

Bei Peru fällt auch der signifikante Anstieg der Avocadoexporte auf. Das ist schön für uns, es ist eine interessante Frucht, sehr fetthaltig und vitaminreich. Wenn sie aber in Monokulturen angebaut wird, fehlt irgendetwas in der Versorgung der Menschen und die kleinen Bauern verlieren Land, weil es ihnen größtenteils weggenommen wird.

Dazu kommt der extreme Einsatz von Pestiziden. Bei jeder Monokultur, die man hat, stimmt dann etwas nicht, da braucht man dann eine ganz unglaublich große Menge an Pestiziden.

Wenn wir noch den Menschenrechtsfaktor ansprechen: Amnesty International hat auch im jüngsten Bericht von einer besorgniserregenden Situation in Kolumbien gesprochen. Die Gewerkschaften sind dort sehr stark, und die Gewerkschafter und Gewerkschafte­rinnen werden gezielt getötet. Dazu kommt noch, dass sich seit 2018 die Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten steigern und wir damit in eine Sackgasse kommen, was die Pressefreiheit betrifft.

Das heißt, die Form dieser Verträge führt nicht zu einer Handelspolitik, die auch beim Partner eine nachhaltige Entwicklung und damit Frieden und Stabilität sichert, sondern zu einer, die Konflikte im Bereich der Menschenrechte, Arbeitsrechte, Sozialrechte und hinsichtlich Umweltstandards auslöst. Da in diesen beiden Abkommen genau in diesen kritischen Punkten jegliche Form von Sanktionen fehlt, werden wir unsere Zustimmung verweigern.

Ein kleines PS zur vorhergehenden Rede, nur für das Protokoll: In seinem Jubel und Selbstlob hat der Herr Vizekanzler, glaube ich, nur einen Fehler gemacht, den er nicht ernst meinte. Er hat gesagt, beim Wiener Marathon sind 800 Menschen mitgelaufen. – Würden da nur 800 Menschen mitlaufen, wäre das ein Rohrkrepierer. (Bundesrat Stei­ner: 800 Menschen mehr!) Es waren 38 046 (Bundesrat Steiner: Du hörst ein biss­chen schlecht, Stefan!) – nur für das Protokoll, denn die 800 wären ein bisschen wenig. (Ruf bei der ÖVP: Ja, Herr Oberlehrer!)

Im Sinne dessen sind wir für eine faire Handelspolitik. Wir sind dafür, dass Sozialstan­dards, Umweltstandards eingehalten werden, deshalb werden wir diesen beiden Abkom­men nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.41

Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. – Bitte.