10.45

Bundesrätin Mag. Doris Schulz (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Vorsitzen­der! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe junge Men­schen, die ihr heute im Plenarsaal des Bundesrates dabei seid – es gibt gerade einen Wechsel, aber die Nächsten werden bestimmt kommen –, das ist Europa, das ist Österreich, das ist Demokratie, die ihr hier erlebt, und das ist uns ein ganz großes, wichtiges Anliegen!

Der heutige Europatag – wir können es gar nicht oft genug sagen – ist Anlass, über das zu sprechen, was Europa uns ermöglicht: Mehr als 512 Millionen Menschen sind in der Europäischen Union in vielen Bereichen engagiert, leben hier und entwickeln sich weiter, und im Übrigen sind es mehrheitlich Frauen.

Ich möchte jetzt auf den Entschließungsantrag bezüglich Teilnahme an der Euro­pawahl eingehen und dann erst auf die EU-Jahresvorschau zu sprechen kommen.

Unsere Aufgabe ist es – das sehen wir auch als Länderkammer, als Bundesrat, so –, Begeisterung für die Europäische Union zu schaffen. Das tun wir alle: Das tun die Bundesministerien, das tun die Minister, das tun alle politischen Fraktionen und alle politischen Mandatare, und die Medien und die Öffentlichkeit weisen darauf hin, wie Sie feststellen können. Postwurfsendungen des Bundesministeriums für Inneres sind sicherlich auch ein Ansatz. Bei all dem, was wir in der Zwischenzeit medial an Informationen bekommen, glauben wir aber nicht, dass dafür noch eine besondere Notwendigkeit besteht, vor allem in dem Wissen, was Menschen mit Postwurfsen­dungen heutzutage tun, da sie über das Internet und soziale Plattformen entsprechend vernetzt sind. Daher meine ich: Begeisterung für die EU kann in vielen Bereichen geschaffen werden, damit steht auch die Aufforderung, zur Wahl zu gehen, im Zusam­menhang. Das ist der Grund, warum wir als ÖVP diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen werden.

Ich möchte jetzt aber zum eigentlichen Thema kommen. Es ist überraschend, dass Sie genau bei dem Punkt, bei dem es um Frauen geht, also um eines der besonders wichtigen Themen in der Europäischen Union, diesen Entschließungsantrag einbrin­gen – vielleicht deswegen, weil die Europäer mehrheitlich Frauen sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Zurück zum Thema: Ich danke unserer Bundesministerin Juliane Bogner-Strauß, denn Finanzen sind das eine, gesellschaftliche Weiterent­wicklung im Themenbereich Frauen, Familie und Jugend ist das andere und wesentlich schwierigere Thema, denn gesellschaftliche Weiterentwicklungen kann man nicht ver­ord­nen, sondern nur Stück für Stück angepasst an die jeweilige Lebenssituation umsetzen.

Ich halte zum Beispiel die Strategie des Gender-Mainstreamings als eine der größten Veränderungen, die wir in der Europäischen Union, jeder Einzelne von uns, kennen­gelernt haben, für ganz wesentlich. Es geht dabei um lange Entwicklungsstränge: 1985 wurde im Rahmen einer UN-Women-Konferenz in Nairobi erstmals über Gender-Mainstreaming gesprochen. 1997 konnten wir das im Vertrag von Amsterdam um­setzen. Dass Gender-Mainstreaming aber in vielen Köpfen der europäischen Bevöl­kerung noch immer keine Selbstverständlichkeit ist, ist leider eine Tatsache. Wir reden, wie gesagt, von sehr lange dauernden Entwicklungen.

Wenn man sich die aktuellen Zahlen und Statistiken anschaut, dann weiß man, dass es natürlich für jedes Land eine besondere Herausforderung ist, diese Fahrpläne umzusetzen. Wir in Österreich halten zum Beispiel den EU-Rekord bei Morden an Frauen: 15 Morde an Frauen in Österreich im heurigen Jahr sind eine traurige Bilanz. Das heißt, die Befassung mit dem Thema Gewalt und der Bekämpfung der Weiterentwicklung der Gewaltspirale ist natürlich eine große, wichtige Aufgabe, die unsere Ministerin nicht nur im eigenen Land, sondern auch im Rat umzusetzen hat.

Wir sind mit einem Frauenanteil von 23 Prozent in Führungspositionen an viertletzter Stelle in der EU. Das Thema wurde bereits besprochen. Dass es auch anders geht, zeigt uns etwa Lettland als europäischer Spitzenreiter mit einem Frauenanteil von 53 Prozent in Führungspositionen. Das Land hat sich in relativ kurzer Zeit sehr, sehr gut entwickelt. Das heißt, die Frauen tun dem Land gut, auch an vorderster Stelle. Auch das ist als Aufgabe zu betrachten.

Mit 21,7 Prozent liegt Österreich hinsichtlich Einkommensunterschied unter dem EU-Schnitt. Mit der Teilzeitquote von 48,3 Prozent bei einer Frauenerwerbsquote von immerhin drei Viertel in relativ kurzer Zeit liegen wir noch weiter hinten. Die Teilzeit­quote in den Niederlanden – weil die nördlichen Länder immer wieder hervorgehoben werden – beträgt allerdings 76,4 Prozent.

Zur Teilzeitquote in Österreich: Es gibt Untersuchungen, die besagen, dass 70 Prozent der Menschen, mehrheitlich natürlich Frauen und eher weniger Männer, die in Teilzeit arbeiten, sich diese Form wünschen. – Ich denke, der Wunsch der Menschen sollte unterstützt werden; gleichzeitig ist es aber auch unsere Aufgabe, aufklärend tätig zu sein und darauf hinzuweisen, dass ein geringeres Erwerbsausmaß auch geringere Pensionen schafft. Auch diese Aufgabe nimmt unsere Ministerin sehr ernst.

Hervorheben möchte ich im Anschluss an das Thema Teilzeitarbeit noch etwas sehr Wichtiges: Es gibt das EU-Projekt Trapez, Transparente Pensionszukunft. Dieses Projekt läuft vom 1. Februar 2019 bis 31.7.2020. Dabei geht es um deutliche ge­schlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich der Pensionshöhe in Österreich, bedingt durch geringere Erwerbsbeteiligung und Löhne von Frauen. Die vielen Ursachen dafür sind heute auch schon besprochen worden.

Das gesetzliche Pensionsantrittsalter ist komplexer. Österreich hat zum Beispiel die Barcelonaziele 2002 bisher nicht umgesetzt. Da geht es darum, dass Frauen keine besonderen finanziellen Anreize bekommen sollen, wenn sie früher in Pension gehen, sondern dass Frauen so lange wie möglich in der Erwerbsarbeit gehalten werden sollen, und zwar nicht nur, um ihnen eine entsprechende Pension zu ermöglichen, sondern um auch lebenslanges Lernen zu gewährleisten. An diesem Thema arbeiten wir alle schon längere Zeit. – Wie gesagt: Gesellschaftliche Veränderungen können nicht verordnet werden.

Das Ziel des Trapez-Projekts ist es übrigens, konkrete Faktoren und Ursachen für den Gender Pay Gap in Österreich zu differenzieren und zu analysieren. Damit sind wir dann auf einer Ebene, die nicht ideologisch, sondern wissenschaftlich begründet ist, und daraus werden Schlussfolgerungen abgeleitet.

Interessant und wichtig wird auch die verpflichtende Informationskampagne vonseiten der Pensionsversicherungsanstalt zum Thema Pensionssplitting sein. Auch das Thema Frauengesundheit ist, glaube ich, ein wesentlicher Aspekt. In diesem Zusammenhang wird eine besondere Gruppe hervorgehoben: Es geht um Unterstützungsleistungen für schwangere Frauen in Not- und Krisensituationen, die oft in einer sehr kurzen und schwierigen Lebensphase eine Entscheidung für sich und ihre Familie zu treffen haben. Das soll nicht nur durch Frauenberatungsstellen, sondern durch Geld-, Sach- und Beratungsleistungen unterstützt werden. – Danke, dass auch darauf ein Schwer­punkt gelegt wird.

All das ist in Summe eine große Aufgabe. Die EU gibt uns den entsprechenden Finanz­rahmen dazu, um das nach den Richtlinien umsetzen zu können.

Liebe Frau Ministerin, herzlichen Dank für deine Bemühungen und für deinen Einsatz für Österreich in einem vereinten Europa! Hoffentlich geben am 26. Mai so viele Menschen wie möglich ihre Stimme ab! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.54

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.