12.18

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich halte nochmals fest: Wir treffen heute die Entscheidung darüber, ob künftig die Grundversorgung, die Rechts- und Rückkehrberatung, die Menschenrechtsbeobachtung bei Abschiebungen sowie die Übersetzungs- und Dolmetschleistungen für Asylwerber und -werberinnen allein durch die geplante Bundesagentur durchgeführt werden sollen.

Zum Stichwort Demokratie und Demokratieverständnis: Eine einzige weisungs­gebun­dene Einrichtung ohne jegliche unabhängige Außenkontrolle, in der all diese heiklen – wir haben das schon mehrmals gehört –, äußerst heiklen Tätigkeitsbereiche zusam­men­gefasst werden, ist alles andere als demokratisch. Das ist das eine.

Stichwort Besonnenheit – (in Richtung Bundesminister Ratz) das haben Sie erwähnt –: Gerade jetzt müssten wir mit Beschlüssen, gerade mit Beschlüssen der ehemaligen Regierung, sehr besonnen umgehen und gerade diese weitreichenden Auswirkungen im Auge behalten. Es geht auch nicht nur um die Auswirkungen, sondern auch um die tatsächliche Umsetzung. Auch das war heute bereits Thema.

Zum Dritten stellt sich für mich aber noch die Frage, inwiefern nicht die Sturheit jener Mandatare, die in der Koalition gewesen sind und diese nach wie vor hochhalten, am meisten eine Rolle spielt, denn für uns selbst, auch wenn Sie sich das subjektiv vielleicht nicht vorstellen können, geht es nicht um wahltaktische Gründe. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner. Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Abseits von groben rechtlichen Bedenken (Ruf bei der FPÖ: Ziemlich groben, Frau Kollegin!), die zahlreiche Juristen/Juristinnen, Experten/Expertinnen in den erwähnten Stellungnahmen geäußert haben, ist es auch meine feste persönliche Überzeugung, dass es gerade in dieser Materie Objektivität statt parteiische Einflussnahme braucht. Zu Recht gibt es einen derart breiten Aufschrei, den Sie aber in Ihrer Verblendung schlicht und einfach ignorieren. (Beifall des Bundesrates Stögmüller.)

Für uns ist es Fakt, dass mit der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstüt­zungs­leistungen endgültig ein asyl- und fremdenrechtliches System etabliert wird, das sich zum einen bestenfalls nur aus sich heraus kontrollieren kann. Zum anderen aber wird eine Blackbox konstruiert, die intransparent, qualitativ unzureichend und auch fehler­anfällig ist, ohne dass es von außen ein Korrektiv dafür gäbe.

Hinzu kommt noch, dass diese strikte Unabhängigkeit des Rechtsbeistandes für die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes und eines fairen Asylverfahrens unabdingbar ist (Bundesrat Steiner: Die NGOs sind unabhängig? – Ruf bei der SPÖ: Das sagt ja schon der Name!) und er deshalb nicht in der direkten Einflussnahme des Innenministers stehen kann, der gleichzeitig weisungsbefugtes Organ des Bun­des­amtes für Fremdenwesen und Asyl ist. (Zwischenrufe bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.) Um genau dieses Korrektiv geht es. Es geht nicht um die NGOs, es geht um Transparenz und um Kontrolle, genauso wie es darum geht, dass der Innenminister in einem Interessenkonflikt sein wird, da er die Doppelfunktion in Zukunft auch dafür nützen könnte, dem BFA im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einen Pro­zessvorteil zu verschaffen. Das werden Sie (in Richtung Bundesminister Ratz) als Experte wissen. Damit – und da sind wir bei den Grundrechten – wird das Recht auf ein faires Verfahren nach der Grundrechtecharta der Europäischen Union unterlaufen. (Bundesrat Steiner: Aber das ist der Unterschied! Da sitzt der Experte, und Sie sind keine Expertin! – Bundesrätin Grimling  in Richtung Bundesrat Steiner –: Wie Sie der Experte sind!)

Wenn Sie die Grundrechte nicht überzeugen – auch das war heute schon Thema (Zwi­schenrufe bei der SPÖ), könnten Sie sich vielleicht noch mit den Mehrkosten be­schäftigen. Tatsächlich ist es so, dass die Kostenkalkulation nicht nur vollkommen unschlüssig ist (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von FPÖ und SPÖ) – das sagen Ihnen die Budgetexperten auch, wenn Sie mir nicht glauben –, sondern wir wissen auch, dass bei gleichbleibender Anzahl von neu eingehenden und abge­schlos­senen Verfahren mit etwa 69 000 anhängigen Verfahren im Asyl- und Fremden­rechts­bereich zu Beginn des Jahres 2021 zu rechnen sein wird und dadurch bisher nicht berücksichtigte Kosten von mindestens 17,6 Millionen Euro anfallen werden.

Wenn Sie auch diese Argumente nicht überzeugen und wir schon feststellen mussten, dass es auch keinen Sinn hat, an Ihre Vernunft zu appellieren (Bundesrat Bader: Na, na, na!), möchte ich nur festhalten, dass gerade Sie (in Richtung Bundesminister Ratz) es gewesen sind, der gesagt hat, dass Beschlüsse mit weitreichenden Auswirkungen nicht dienlich und gerade in dieser Situation, in der wir uns befinden, auch gefährlich sind. Wir wissen auch, dass in dieser Situation der Unsicherheit Beschlüsse wie dieser zu noch mehr Ungewissheit führen werden.

Da Sie auch gemeint haben, Sie wollen nicht präjudizieren: Genau das erfolgt. Die nächste Regierung, egal, wie sie aussehen wird, ist daran gebunden. Genau das ist der Kritikpunkt unsererseits. Wenn dieses BBU-Errichtungsgesetz heute den Bun­desrat passiert, wird die Übergangsregierung zum einen zwangsläufig und unver­züglich Schritte setzen müssen, welche die normale bürokratische Verwaltungsarbeit weit überschreiten, aber auch die reguläre nächste Regierung in ihrem Gestal­tungs­spielraum einschränken und binden werden.

Das heißt, falls die Umsetzung der Vorbereitungshandlungen – die Sie nicht garan­tieren können – mangelhaft erfolgt, herrscht zum einen ein enormes rechtsstaatliches Risiko. Hinzu kommt eine Reihe von ungeklärten Fragen, die das Innenministerium erst in Absprache mit dem Justizministerium klären muss. Auch in diesem Punkt herrscht nichts anderes als reine Ungewissheit. Wird diese Bundesagentur nicht rechtzeitig errichtet und funktionsfähig sein, kommt es neben diesem Systembruch auch noch zu einem vollkommenen Versagen gerade in der zweiten Instanz. Die Verfahren kommen zum Erliegen, und das bedeutet wiederum eine massive Verzögerung der Verfahren und damit ebenso erhöhte Kosten für die Grundversorgung.

Menschenrechte zu wahren, die Flüchtlingskonvention zu respektieren, die Grund­rechtecharta nicht zu torpedieren hat im Übrigen auch nichts damit zu tun, wie viele Menschen Österreich bisher aufgenommen hat. Es geht vielmehr darum, wie wir faire Verfahren in Österreich weiterhin garantieren wollen. Diese regierungsunfähige Ex-Regierung wird so und so als eine wenig rühmliche Ära in die Geschichte eingehen, wie ich meine (Bundesrat Bader: Individuelle Geschichts...! – Zwischenruf des Bun­des­rates Steiner), und wir könnten heute dafür sorgen, dass diese Phase der Ver­unsicherung, der Unmenschlichkeit nicht in die Verlängerung geht. Sinnvoll ist daran nämlich gar nichts.

In einem gebe ich der ÖVP am Ende aber noch recht: Tatsächlich ist es so, dass wir ein funktionierendes System brauchen. Wir wissen – das haben wir Grüne erfragt –, dass die Fehlerquote im BFA bei 42 Prozent liegt – das kann man gar nicht oft genug wiederholen. Das ist Österreichs nicht würdig. Ich frage mich aber schon: Wenn Sie an einer Lösung orientiert, an einem funktionsfähigen System interessiert sind, wieso lassen Sie sich gerade beim heiklen Thema Asyl von der FPÖ vor ihr hertreiben? Wo bleiben Ihre Werte, Ihre erwähnte christlichsoziale Ausrichtung? Und nochmals: Wo bleibt hier die Vernunft? – Das alles, was Sie hier beschließen wollen, wird zu keiner demokratischen funktionsfähigen Lösung führen. Das ist Fakt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Eines noch: Die EU-Grundrechtecharta hat in Österreich Verfassungsrang – ich weiß nicht, ob Sie das wissen –, das stellte der Verfassungsgerichtshof bereits 2012 fest. Damals war der Anlass dafür, dass es bei den Grundsatzentscheidungen zahlreiche Beschwerden gegen die Entscheidungen des Asylgerichtshofes gegeben hat. Das heißt, auch das ist für mich kein Argument. Die Rechtsstaatlichkeit ist nur dann gewahrt, wenn sich alle hier notwendigen und zuständigen Behörden und Gerichte, genauso wie, wie im erwähnten Fall, der Verfassungsgerichtshof, dementsprechend zu Wort melden können und auch gewisse Dinge richtigstellen.

Jedenfalls ist es in diesem Sinne und aufgrund des Beschlusses heute, den Sie mittragen, gefolgt von einer Reihe von Beschlüssen der türkis-blauen Ex- oder jetzt noch Übergangsregierung, für uns wirklich ein trauriger Abschluss. Ich kann nur noch einmal festhalten: Es ist ein Präjudiz, das Sie hier möglich machen. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Wille des Volkes zwar ein funktionierendes System wünscht, aber gleichzeitig auch ein transparentes und ein menschenwürdiges. Das wird mit diesem Beschluss sicherlich nicht erreicht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Stögmüller.)

12.29

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Spanring zu Wort gemeldet. – Bitte.