14.00

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann, betraut mit der Fortführung der Verwaltung im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Mir persönlich war es immer wichtig, dass sich eine breite Diskussion mit dieser gesellschaftspolitisch doch wichtigen Fragestellung aus­einandersetzt. Ich habe daher angeregt, dass diese Diskussion auch in das Parlament übergeführt wird. Wir haben in der Plenarsitzung darüber gesprochen, wir haben zweimal im Unterrichtsausschuss darüber gesprochen, wir haben ein Expertenhearing mit sehr guten, sehr qualifizierten Experten und Expertinnen einberufen, und wir sprechen heute abermals hier im Bundesrat darüber.

Diese Fragestellung ist heikel, ist wichtig und wir haben es uns nicht leicht gemacht, hier zu einer Lösung zu kommen. Die Lösung ist aber notwendig, denn wir leben in einer Gesellschaft, die durch Zuwanderung gekennzeichnet ist. Wir leben in einer Einwanderungsgesellschaft, wobei ich immer gesagt habe, Einwanderungsgesellschaft wider Willen, weil es nie einen konkreten politischen Plan dafür gegeben hat, aber es hat sich so entwickelt und die Zahlen sprechen hier eine deutliche Sprache.

In dieser Einwanderungsgesellschaft müssen wir auch nach einem gemeinsamen Bauplan suchen und diesen ausdefinieren. Zu diesem gemeinsamen Bauplan gehören unzweifelhaft Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte dazu, aber, wie ich denke, auch die Forderung, Kinder ohne frühe Rollenzuweisung aufwachsen zu lassen.

Da schaue ich in Ihre Richtung, Frau Mag. Gruber. Wir haben doch, habe ich immer gedacht, einen gesellschaftspolitischen Konsens darüber, dass spezifische Rollenzu­schreibungen insbesondere im Primarstufenalter, aber auch später, eigentlich entbehr­lich sind. Wir versuchen doch eigentlich das Umgekehrte: geschlechtsspezifische Rol­lenstereotype zu hinterfragen. Gerade bei der Berufswahl sehen wir nach wie vor immer wieder, wie stark diese geschlechtsspezifischen Rollenstereotype sind, und wir meinen, das ist nicht notwendig. Natürlich ist das Tragen eines Kopftuches, insbeson­dere in diesem Alter, ein Bestärken eines geschlechtsspezifischen Stereotyps, denn es passiert hier eine geschlechtsspezifische Segregation von jenen, die ein Kopftuch tragen, und jenen, die keines tragen.

Frau Mag. Gruber, zu Ihrem ersten Argument, der Zahl: Ich sage schon öfters, und das sage ich immer wieder: Normsetzung ist nicht abhängig von der Quantität. Wir können eine Straßenverkehrsordnung nicht erst dann einführen, wenn es eine bestimmte Zahl an Übertretungen beziehungsweise bestimmten Verhaltensweisen gibt. Normsetzung ist immer unabhängig von einer Quantität. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Schennach: Unfallkreuzungen gibt es auch!)

In meinem Ministerium habe ich daher klarerweise aber auch – aus sozialwis­sen­schaft­lichen Interesse heraus, um zu wissen, wie die Situation ist, um nicht von Einzel­eviden­zen abhängig zu sein – eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Kenan Güngör wird diese Untersuchung machen oder er macht sie bereits.

Ich habe vor wenigen Tagen auch mit Interesse die ORF-Sendung „Orientierung“ gesehen. Der ORF hatte offensichtlich keine Schwierigkeiten, Mädchen mit Kopftuch zu dokumentieren und zu interviewen. In der Sendung „Orientierung“ standen Neuen Mittelschulen aus Meidling und der Donaustadt im Zentrum. (Zwischenruf der Bun­desrätin Hahn.) Beide Direktoren berichteten von einer konservativen Hinwendung vieler muslimischer Eltern und haben gesagt, das ist ein Thema in unseren Schulen (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), ganz im Unterschied zu Ihrer Erhebung, Frau Kahofer.

Sie haben nämlich gesagt, das war - - (Bundesrätin Kahofer: Dieses Gesetz bezieht sich auf Volksschulen!) – Ja, aber die Fragestellung bleibt ja dennoch, glaube ich, als solche erhalten.

Frau Gruber, Ihre Antwort war: mehr Ressourcen! – Mehr Ressourcen, der Chancen­index, das ist aber eine ganz unspezifische Antwort auf eine ganz spezifische Frage­stellung.

Frau Hackl, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die erste Maßnahme in dem vorgeschlagenen Gesetz sowieso die Beratung und das Gespräch zwischen Päda­gogen und den Eltern sind, in dem darauf hingewiesen wird, dass das Tragen eines Kopftuches im Volksschulalter hier in Österreich nicht notwendig ist, weil wir eine säkulare Gesellschaft haben, wo die Trennung von Staat und Kirche ein durchaus vernünftiges Ausmaß angenommen hat.

Frau Kahofer, Sie haben sehr deutlich darauf hingewiesen, dass das Problem nicht bei den unter Zehnjährigen liegt. Ich habe dann sehr gespannt darauf gewartet, dass Sie sagen, wo das Problem denn nun liegt. Sie haben es nicht ganz genau ausge­sprochen. Sie haben auch nicht ganz genau gesagt, dass Sie jetzt eine Ausweitung des Kopftuchverbotes auf die unter 14-Jährigen haben wollen. Da habe ich mir gedacht, das wäre eine interessante Wendung im politischen Geschehen gewesen, wenn Sie so etwas gefordert haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Als sozusagen die Peripetie in dieser Geschichte haben Sie die verschränkte Ganz­tagsschule verlangt. Also, abermals: Das eine hat mit dem anderen ein bisschen etwas zu tun, aber nicht wirklich. Das ist ein Gesetz, das auf eine ganz spezifische Maß­nahme abzielt, begrenzt, zielorientiert, pädagogisch vertretbar, weil das Gespräch an erster Stelle gesucht ist. Ich muss ganz offen sagen: Wer gegen eine frühkindliche Stigmatisierung ist, wer gegen Rollenstereotype ist, wer gegen die Segregation nach dem Geschlecht in der Volksschule ist, der muss diesem Gesetz eigentlich zustimmen, und dafür will ich abermals plädieren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.07