9.55
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundeskanzlerin! Werter Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Es ist ein Gebot der Stunde, Danke zu sagen: Danke, Frau Bundeskanzlerin, Danke, Herr Vizekanzler, dafür, dass Sie in diesen herausfordernden Zeiten Regierungsfunktionen übernommen haben! Wir können stolz sein auf unsere Bundesverfassung – das wurde ja schon mehrmals gesagt –, die für alle Eventualitäten Vorkehrungen getroffen hat.
Frau Bundeskanzlerin, es war grundlegend für jedes politische Handeln und wichtig, den Dialog mit der Zivilgesellschaft, den politischen Parteien und den Religionsgemeinschaften anzukündigen. Es blieb nicht nur bei den Ankündigungen, die Termine finden statt. Das Gespräch mit den Sozialpartnern findet statt – endlich! Die Vorgängerregierung hat diesen Dialog mit der ArbeitnehmerInnenvertretung, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund und der Arbeiterkammer bewusst nicht geführt.
Wir hatten nie eine Staatskrise, auch wenn manche aus Destabilisierungsgründen gerne eine solche herbeigeredet hätten. Wir hatten zum zweiten Mal eine Regierungskrise, diesmal hervorgerufen durch ein politisches Horrorvideo. Gerade wir Politikerinnen und Politiker sollten alles daransetzen, das darin Gesagte und das darin Gezeigte nicht zu verharmlosen. Kein noch so vernebelter Zustand eines Politikers rechtfertigt Aussagen, die unsere Demokratie gefährden, die die Medienfreiheit infrage stellen, die öffentliches Eigentum zum Verkauf und öffentliche Aufträge gegen Parteispenden anbieten. Das zu entschuldigen oder da kein Unrechtsbewusstsein zu zeigen heißt, selbst Teil dieses Systems zu sein, und das wollen wir alle sicherlich nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic. – Bundesrat Steiner: Wer selbst im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!)
Es ist Zeit, das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die Politik wiederherzustellen; dazu müssen die Regelungen zur Parteienfinanzierung dringend verändert werden. Es braucht eine Spendenobergrenze, und es braucht spürbar höhere Strafen, wenn die Kostengrenzen im Wahlkampf überschritten werden.
Drüberfahren, Gesetze durchpeitschen, das war die Devise von Türkis-Blau. Bevölkerungsgruppen zu Gewinnern und andere zu Verlierern der politischen Arbeit zu machen, das war angesagt. Nichts Verbindendes, kein Dialog, kein Kompromiss! VerliererInnen waren vor allen Dingen die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer, Gewinner große Unternehmen: Ausdehnung der Arbeitszeit, 60-Stunden-Woche, Verkürzung der Ruhezeiten. Eine Sozialversicherungsreform, die diesen Namen nicht verdient, nur Umfärben, die ArbeitnehmerInnenvertreter hinausdrängen, kein Gewinn durch diese Megafusion für die Gesundheitsversorgung der Menschen, ganz im Gegenteil: 400 000 Euro für ein Logo, einen grüner Kreis, wobei die Markenrechte bei einem Bestattungsinstitut liegen (Bundesrätin Mühlwerth: KH Nord und der Schamane!), 7 Millionen Euro Fusionskosten – Geld, das man für die Gesundheitsversorgung so dringend brauchen würde. (Bundesrat Steiner: 600 000 Euro für das neue Logo von Wien, das gleich wie das alte aussieht!) Was könnte man mit diesem Geld für die Gesundheitsversorgung der Menschen Gutes tun?!
Mit dem Sozialhilfegesetz haben Sie die Menschen, die Unterstützung brauchen, noch ärmer gemacht und sie zu BittstellerInnen degradiert. Allein in Wien warten 13 000 Menschen auf Deutschkurse. Vom AMS können nicht genügend Kurse angeboten werden, weil das Geld fehlt; ein Versäumnis von Türkis-Blau. Wir haben davor gewarnt. Deutschkenntnisse sind – und da sind wir uns ja alle einig – der Schlüssel für die Integration in die Gesellschaft und am Arbeitsmarkt. Dem AMS wurden aber Mittel in Höhe von 100 Millionen Euro für die Integration gestrichen. So kann Integration nicht funktionieren! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Integration ist eine Bringschuld!)
Für arbeitslose Menschen wäre im letzten Regierungsprogramm noch einiges an Verschlechterungen vorgesehen gewesen: Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen – Wegzeiten von zweieinhalb Stunden wären zumutbar gewesen –, dazu ein 12-Stunden-Tag – na, vielen Dank! Die Abschaffung der Notstandshilfe stand auch noch auf dem Plan, ebenso massive Verschlechterungen für die Arbeitslosen und vor allen Dingen für Ältere, die besonders von Arbeitslosigkeit betroffen sind. – Man kann nur froh sein, dass das vorerst gestoppt wurde.
Einer der erstaunlichsten Verkaufstricks von Türkis-Blau war der Oberschmäh beziehungsweise der Einserschmäh – wie man in Wien sagt – mit dem persönlichen Feiertag: Nimm dir einen deiner Urlaubstage aus deinem eigenen Kontingent und nenne ihn persönlichen Feiertag! – Das war das Motto. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) So ging diese vergangene Regierung mit notwendig gewordenen Regelungen um! – Landeshauptmann Schützenhöfer hält diese Karfreitagsregelung für verunglückt. Das ist die elegante Formulierung dafür, man könnte auch andere Worte finden. (Bundesrat Samt: Wer hat das verursacht? – Das habt ihr verursacht!) Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich hätten einen zusätzlichen Feiertag verdient, sie arbeiten so fleißig und so hart, sie machen 250 Millionen Überstunden jährlich – da wäre doch ein Feiertag drin gewesen! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)
Gerade in dieser Situation zeigen sich aber auch die Qualität der österreichischen Verwaltung und die Leistung der Expertinnen und Experten in der Verwaltung. Ich glaube, das wäre auch eine passende Gelegenheit, über die Sinnhaftigkeit der fast schon reflexartig immer wiederkehrenden politischen Forderung nach noch mehr Einsparungen in der Verwaltung nachzudenken!
Das freie Spiel der Kräfte im Parlament hat begonnen, und das ist gut so. Das ist das Zeichen einer starken Demokratie. Es ist Zeit, dass längst notwendige Gesetzesbeschlüsse im Interesse der Menschen und nicht nur im Interesse der Wirtschaft gefasst werden! (Beifall bei der SPÖ.)
Die türkis-blaue Regierung hat 900 000 UnterstützerInnen des Nichtraucherschutzvolksbegehrens ignoriert und die Gesundheitsgefährdung der in der Gastronomie Beschäftigten in Kauf genommen. Nun ist die Zeit gekommen, das zu ändern und den Nichtraucherschutz endlich umzusetzen.
Unser Bundesratspräsident hat es schon in seiner Rede und oftmals während seiner erfolgreichen Präsidentschaft so wunderbar formuliert: Der Ausverkauf unseres guten Trinkwassers muss verhindert werden. – In diesem Zusammenhang reichen keine vollmundigen Versprechen in zahlreichen Reden. Der Schutz des Wassers muss in der Verfassung verankert werden, das ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und besonders auch für die SPÖ-Fraktion im Bundesrat ganz wesentlich. Die Österreicherinnen und Österreicher haben das Recht auf einen freien Zugang zu Trinkwasser! (Beifall bei der SPÖ.)
Auf Initiative der Sozialdemokratie wird mit den notwendigen Beschlüssen im Nationalrat wieder Politik im Interesse der Frauen gemacht. Der frauenpolitische Stillstand in den letzten 18 Monaten war einfach unerträglich! Der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern beträgt fast 20 Prozent, der Pensionsunterschied 42 Prozent: Da kann man nicht stillstehen, da kann man nicht aufhören, zu kämpfen, besonders was die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten betrifft. Die Gewerkschaften haben die Kollektivverträge ausgezeichnet verhandelt, die Anrechnung der Karenzzeiten konnte in vielen Kollektivverträgen umgesetzt werden. Jetzt braucht es aber die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten für alle Betroffenen, und das sind hauptsächlich Frauen. Dabei geht es um einen wichtigen Schritt für ein besseres und ein stärker abgesichertes Leben von Frauen.
Die oftmals angekündigte und immer wieder verschobene Umsetzung des Rechtsanspruchs auf den Papamonat wird endlich Realität – zur Freude aller Väter, die gerne Zeit mit ihren Kindern in dieser besonderen ersten Zeit, wenn ein Kind gerade auf die Welt gekommen ist, verbringen wollen. Das wird nun möglich.
Uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten liegen die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer bei Blaulichtorganisationen in unserem Land am Herzen. Feuerwehr, Rettungs- und Katastrophenschutzorganisationen müssen für den Katastrophenfall unterstützt werden. Da braucht es eine rechtliche Absicherung durch einen Freistellungsanspruch von fünf Tagen; es braucht Rechtssicherheit für die ArbeitnehmerInnen, dass sie diese fünf Tage freinehmen können, und es braucht Rechtssicherheit für die Arbeitgeber, dass sie das Geld refundiert bekommen. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Wir brauchen nämlich die Arbeit, die von 335 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern freiwillig geleistet wird, ganz dringend. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Vizekanzler, Sie zeigen mit Ihren heutigen Erklärungen die Wertschätzung für den Bundesrat, und das ist ganz wichtig. Der Bundesrat erfährt nicht immer jene Anerkennung, die ihm eigentlich zustehen würde, obwohl seine Bedeutung und die Bandbreite seiner Möglichkeiten in den letzten Monaten sehr wohl zum Tragen kamen und sichtbar wurden.
Aus sozialdemokratischer Sicht ist es die Aufgabe der Politik, den Menschen in Österreich, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, möglichst viele Chancen zu eröffnen. Es gilt, Sicherheit zu geben, dass man im Falle, dass das Leben einmal schwerer wird und schwerere Zeiten kommen, sei es durch Krankheit oder Jobverlust im Alter, die Unterstützung erhält, die man braucht.
Unser politisches Ziel ist es, für Menschen die Rahmenbedingungen für ein positives und sicheres Leben zu schaffen, in dem man mit Vertrauen und ohne falsch geschürte Ängste in die Zukunft blicken kann und wertschätzend miteinander umgeht. Das ist ein ganz besonders hoher Wert, und dafür werden wir uns einsetzen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
10.05
Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile dieses.