11.08

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Bundeskanzlerin! Sehr geschätzter Herr Vizekanzler und die gesamte Mann- und Frauschaft der Bundesregierung! Es tut mir leid, dass Herr Krusche ein bisschen ein Problem damit hat, eine Frau als Frau anzusprechen, aber mit dieser Bundesregierung, auch wenn sie eine Übergangsregierung ist, sind einmal zwei Maß­stäbe gesetzt: zum Ersten, dass wir die erste Bundeskanzlerin haben, und zum Zwei­ten, dass Sie zeigen können, dass halbe-halbe in der Bundesregierung geht und dass es in Zukunft nie mehr unter halbe-halbe kommen soll.

Frau Bundeskanzlerin, ich habe Ihnen sehr, sehr genau zugehört. Ich verstehe Ihre Begründung, zu sagen: Bei innerösterreichischen Personalfragen werden wir keine Entscheidungen treffen!, das heißt aber nicht außerhalb Österreichs. Außerhalb Öster­reichs sind sehr viele wichtige und dringliche Entscheidungen zu treffen.

Erstens: die Top-Jobs der EU. (Bundesrat Steiner: Ich würde den Schennach vor­schlagen!) Da wird es wichtig sein, in enger Abstimmung mit dem Parlament, mit dem Hauptausschuss des Nationalrates, mit den EU-Ausschüssen zu kooperieren. Kollege Buchmann hat nämlich vergessen, das zu erwähnen: Bei all den Gesprächen, die zu führen sind, ist es auch wichtig, diese Gespräche mit den EU-Ausschüssen zu führen.

Zweitens: Wer wird EU-Kommissar oder EU-Kommissarin? – Das ist eine wichtige Ent­scheidung, die Sie mit dem Hauptausschuss zu verhandeln haben. In den letzten 20 Jahren war es immer die zweitplatzierte Partei, die den Vertreter oder die Vertrete­rin gestellt hat. Also möglicherweise können wir da auch in den Bereich der Experten und Expertinnen gehen.

Drittens: Unter Freunden, Herr Schallenberg, möchte ich sagen (Bundesrat Steiner: Das ist eine gefährliche Drohung!), ich war ein bisschen enttäuscht über Ihre Nicht-An­wesenheit bei der Erklärung der Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates – der zweiten internationalen Persönlichkeit, die eine solche Erklärung im Nationalrat abgegeben hat –, und noch mehr enttäuscht war ich, dass Sie keine Zeit für ein Vieraugengespräch mit der Präsidentin hatten. Das ist, gelinde gesagt, verwunder­lich. Umso mehr bedanke ich mich beim Herrn Vizekanzler, der ein sehr langes Ge­spräch und, wie mir die Präsidentin gesagt hat, ein sehr, sehr positives Gespräch ge­führt hat.

Warum erwähne ich das? – Wir stehen wenige Tage vor ganz wichtigen Entscheidun­gen im Europarat, und deshalb wäre auch da ein Gespräch wichtig gewesen, Herr Schallenberg, insbesondere zur Frage der Rückkehr Russlands, der Rückkehr Bos­niens und der Wahl des nächsten Generalsekretärs. Das sind ganz wichtige Entschei­dungen, und da wäre es gut gewesen, auch mit Ihnen sprechen zu können, und die Frau Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung hat es sich auch sehr ge­wünscht, mit Ihnen zu sprechen.

Ich hoffe aber, dass wir da in diesen europäischen Fragen noch ein bisschen mehr zu einem Gleichklang kommen. Es war schon etwas verwunderlich, gestern – wenige Mi­nuten nach Beginn der Sitzung und der Beratungen zu den EU-Erweiterungsverhand­lungen – plötzlich die Pressemeldung zu bekommen, ohne Wenn und Aber diese Er­weiterungsverhandlungen zu führen, wie Sie gesagt haben. Es gibt an sich keine par­lamentarische Rückkoppelung zu dieser Aussage. Sie können diese Aussage natürlich machen, weil Sie wissen, dass alle Parteien hier an einem Strang ziehen, und es ist gut, wenn sich auch der zuständige Minister dazu äußert, aber wissen Sie, als Parla­mentarier finde ich das dann komisch. Wir beginnen eine Beratung, wir sind 6, 7, 8 Minuten in der Beratung, und dann kommt über die APA, was uns der Herr Außen­minister ausrichten lässt.

Also ein bisschen mehr Rückkoppelung, gerade in europäischen Fragen, auch wie wir beim Mehrjährigen Finanzrahmen entscheiden – Kollege Buchmann hat das schon an­geschnitten –, und so weiter, wäre richtig. Also diese Diskussionen, Frau Bundeskanz­lerin, das sind Diskussionen, die zu führen sind, das sind Entscheidungen, die Ihre Re­gierung zu treffen hat, das sind Entscheidungen, die über einen langen Zeitraum gehen und die wir in dieser Form dringend brauchen. (Bundesrätin Mühlwerth: Da ist die SPÖ sehr empfindlich!)

Darf ich Ihnen aber auch etwas ganz offen sagen: Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Kollegen und Kolleginnen, aber ich finde es unglaublich angenehm und entspan­nend, eine Kanzlerin hier sitzen zu haben, die nicht 95 Prozent der Zeit mit dem Handy herumlümmelt. Das ist irgendwie - - (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ecker. – Zwischenruf des Bundesrates Seeber.) – Na, es ist so! Wenn man ein biss­chen an den Stil denkt, dann ist das so.

Nun zum Herrn Verteidigungsminister. Ich weiß, Sie sind dafür kritisiert worden, dass Sie gesagt haben: Mir sind die TÜV-Überprüfungen der Lkws, die für den Katastro­phenschutzeinsatz vorgesehen sind, wichtiger als ein sündteures Prestigeprojekt, ge­nannt Sicherheitsschule oder Sicherheitsakademie. Wenn wir in die Genesis der Ge­schichte eingehen: Ich zitiere jetzt ausnahmsweise Kunasek. Kunasek hat hier am Mi­nisterpult gesagt: Ich habe ein gut bestelltes Haus von Doskozil übernommen. – Das hat er gesagt. (Bundesrat Weber: So ist es!) Dann kam Kunasek und hat relativ schnell die Substanz in den Keller gefahren. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ein Quatsch! – Bundesrat Rösch: Typisch SPÖ! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

So, und jetzt kommen wir dazu, eine Abwägung zu machen: Werden teure Prestige­projekte finanziert oder nicht? (Bundesrat Pisec: Eine Schule ist kein Prestigeobjekt!) – Ich sage Ihnen ehrlich: Bevor unsere Lkws nicht einsatzfähig sind und bevor wir unsere Auslandseinsätze auch nur im Geringsten – im Geringsten! – reduzieren, ist diese Si­cherheitsakademie verzichtbar.

Zweitens, wenn ich da noch weiter ausführen darf, ersuche ich Sie wirklich dringlich, Herr Bundesminister, auch in dieser Übergangszeit alles zu tun, um allfällige Entschei­dungen vorzubereiten, dass die wirklich wertvollen Einsätze des österreichischen Bun­desheeres im Ausland gewahrt werden. Da kann ich mich, glaube ich, Herrn Buch­mann anschließen, der gesagt hat: Das ist nicht nur Sicherheitspolitik, das ist auch Au­ßenpolitik. Das ist ein ganz bestimmtes Signal.

Österreich hat eine ganz hohe Kompetenz, und Österreich, wäre der Golan nicht ge­wesen – das sage ich ganz selbstkritisch - - (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat der rote Verteidigungsminister zurückgefahren! – Bundesrat Samt: Wider besseres Wissen!) – Ja, ich sage das ganz selbstkritisch. Bitte zuhören, liebe Monika Mühlwerth! (Bundes­rätin Mühlwerth: Ich sage es nur!) – Wäre der Golan nicht gewesen! Man muss sagen: Wir sind in Zypern, wir waren am Golan, wir waren Leitfiguren. Das österreichische Bun­desheer hat da etwas vorgezeigt, auf das Österreich und das Heer stolz sein können.

Ich hatte die Gelegenheit, mit dem früheren Bundesminister Platter mehrmals im Rah­men von Inspektionen am Balkan von Kaserne zu Kaserne, vom Kosovo über Bosnien und weiß ich wohin zu reisen, und was wir da zum Teil erstmals erfunden haben – wie das Low-Monitoring-System, das der Nato den nackten Schrecken in die Hose fahren ließ –, das sind Dinge, auf die wir stolz sein können. Vor allem war ich auch von der unfassbaren Kompetenz der Soldaten und Soldatinnen vor Ort, auch von den neuen Modellen, die Sie hier angeführt haben, beeindruckt. Das muss man wirklich sagen.

Nun, zum Schluss: Wir werden diese Bundesregierung unterstützen, wenn wir auch manchmal, Herr Schallenberg, freundschaftlich Kritik üben – aber das muss sozusagen in der politischen Landschaft möglich sein. Ich hoffe sehr auf einen europäischen Dia­log, dass die europapolitischen Entscheidungen – ob im Content oder ob personell – weiter aufrechtbleiben; das ist, glaube ich, ein ganz, ganz wichtiger Punkt.

Frau Bundeskanzlerin, wenn Sie schon hier so viel neue Geschichte schreiben: Ich weiß, Sie sagen, Sie haben nicht den direkt gewählten Auftrag, Sie sind durch den Bundespräsidenten legitimiert – alles klar, alles richtig. Sie sind eine Bundesregierung, die zur Hälfte aus Frauen und zur Hälfte aus Männern besteht. Heute wurde so viel über das Don’t-smoke-Volksbegehren gesprochen. Bitte vergessen Sie nicht das an­dere Volksbegehren, das Frauenvolksbegehren! Nehmen Sie das Frauenvolksbegeh­ren nochmals in die Hand! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.) Gerade als eine Regierung von Experten und Expertinnen können Sie sich diesem Thema weit jenseits von parteipolitischen Grenzen und Pro­grammatiken nähern. Ich glaube, das Frauenvolksbegehren hätte das verdient. – Dan­ke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.)

11.18

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wolfgang Beer. Ich erteile es ihm.