13.22
Bundesrätin Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Ministerin! Kollegen und Kolleginnen! 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts haben Frauen in Österreich noch immer nicht dieselben Chancen. Sie verdienen weniger, wie Sie wissen, übernehmen den Großteil der unbezahlten Arbeiten, schlittern als Alleinerzieherinnen oder in der Pension sehr oft in Armut und kämpfen im Beruf nach wie vor gegen die gläserne Decke an. Das ist, kurz gefasst, in einem europäischen Staat 2019 nicht nur ein Versagen der Politik, sondern natürlich auch ein Auftrag an diese. Das bedeutet, geschlechtergerechte Einkommensverteilung, Maßnahmen zugunsten existenzsichernder Arbeitsplätze und zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie müssen Vorrang in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik haben, genauso wie eine geschlechter- und sozialgerechte Steuerreform einen Beitrag dazu leisten kann, dass diese Ungleichheit minimiert wird.
Heute diskutieren wir einen kleinen Ausschnitt einer Reihe notwendiger Maßnahmen, die wir treffen müssten, die Anhebung der Zuverdienstgrenze beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld und die Väterkarenz. Das Kinderbetreuungsgeld vereint, wie Sie vielleicht wissen werden, wenn Sie sich näher damit auseinandergesetzt haben, zwei Systeme in einem. Das Kinderbetreuungsgeld ist zum einen eine Geldleistung und das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld ist eine sogenannte Einkommensersatzleistung.
Das Zweite war ja ursprünglich gar nicht vorgesehen. Wir Grünen haben uns damals Anfang der 2000er-Jahre für dieses einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld starkgemacht und gleichzeitig auf die Defizite hingewiesen, die leider nach wie vor gelten, wie zum Beispiel die Benachteiligung von nichtbiologischen Eltern oder eben auch Alleinerziehern und -erzieherinnen. 2002 wurde es schlussendlich eingeführt. (Bundesrat Steiner: Unter welcher Regierung?) Damals lag der Väteranteil bei 1,92 Prozent, das ist wahrlich nicht viel. Seitdem hat sich ein bisschen etwas getan, aber man muss auch festhalten, dass es wirklich Babyschritte gewesen sind und wir noch weit davon entfernt sind, dass Väter es als eine Selbstverständlichkeit betrachten, tatsächlich in Karenz zu gehen, tatsächlich auch zu Hause bei ihren Kindern zu bleiben.
Fakt ist, die Geburt eines Kindes – das haben Sie auch schon erwähnt – bedeutet für Frauen noch immer einen massiven Einschnitt in die Erwerbsbiografie, ist mit gravierenden Auswirkungen betreffend ökonomische Unabhängigkeit, Wiedereinstieg ins Berufsleben, Teilzeitfalle bis hin zur Pension verbunden. (Bundesrat Steiner: Sollen jetzt wir die Kinder kriegen?) Wir haben auch deshalb immer für eine Reduktion auf ein Karenzmodell gepocht, das für alle Eltern gleich ist, aber gleichzeitig flexibel und vor allem flexibler als das aktuelle gestaltbar ist. (Bundesrat Steiner: Für das können wir jetzt nichts! Oder sollen wir die Kinder kriegen?) Das heißt, wir brauchen zum einen Einkommensabhängigkeit für alle samt Abfederung, partnerschaftliche Aufteilung der Familienarbeit, Anreize für mehr Väterbeteiligung abseits vom Rechtsanspruch und eben Rechtsanspruch auf einen kostenlosen Kinderbetreuungsplatz, der nämlich enorm wichtig ist, weil die Errichtung von Betreuungsplätzen wiederum enorme Beschäftigungseffekte zur Folge hat.
Dabei meine ich jetzt auch nicht, wie wir aus der Statistik wissen, dass Männer, wenn sie Kinder bekommen, mehr Überstunden machen sollen. (Bundesrat Steiner: Seit wann kriegen Männer Kinder?) Das ist nämlich in Österreich tatsächlich der Fall, das kann man gut beobachten, wie sich die Verteilung der unbezahlten und bezahlten Arbeit, wenn Kinder im Haushalt sind, noch zusätzlich und sehr gravierend verschärft und verstärkt. Deshalb: Ja, Anreize sind wichtig, Rechtsanspruch ist wichtig, aber es ist auch genauso wichtig, die Hürden zu beseitigen. Diese Zuverdienstgrenze war aus unserer Sicht eben eine von diesen Hürden. Es wurde heute auch schon erwähnt, wir kennen alle Beispiele von Selbstständigen, die Tausende von Euro Kindergeld zurückzahlen mussten. Hier gibt es zum Glück in Österreich auch mittlerweile entsprechende Urteile.
Die Grünen haben sich auch in der Wirtschaftskammer – das werden Sie vielleicht nicht wissen – deshalb dafür eingesetzt, dass die Zuverdienstgrenze für Selbstständige zur Gänze fällt – also nicht nur wie jetzt leicht angehoben wird, sondern tatsächlich fällt –, denn erst dann ist die Flexibilität auch garantiert und erst dann können sich die Familien das auch entsprechend flexibel ausgestalten.
Die Abrechnung selber – auch das war heute schon Thema – ist trotz dieser kleinen Anhebung nach wie vor äußerst kompliziert. Sie bleibt kompliziert, und die Fristen zu überdenken, war deshalb enorm wichtig. Sie werden wissen, es gibt nicht nur diese Härtefälle, die damit jetzt hoffentlich vermieden werden können, sondern es gibt auch schon seit zwei Jahren die Möglichkeit, beim Formular anzugeben, dass man eben eine entsprechende Erinnerung erhalten möchte.
In diesem Sinne: 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts ist die Vereinbarkeitsfrage noch immer eine Frauenfrage. Möge der Anreiz durch eben diese Anhebung der Zuverdienstgrenze genauso wie der Rechtsanspruch auf den Papamonat dazu beitragen, dass sich das ein wenig ändert. Solange aber unbezahlte und bezahlte Arbeit derart ungleich auf Frauen und Männer in Österreich verteilt ist, solange über 55 Prozent Frauen in Österreich angeben, dass sie gezwungen sind, Teilzeit zu arbeiten, weil sie vor allem am Land nicht entsprechende Infrastruktur, Kinderbetreuung zur Verfügung gestellt bekommen und vorfinden, haben wir noch enorm viel zu tun.
Wir wissen auch, wie sich das dann weiter auswirkt, beispielsweise beim Wiedereinstieg oder eben auf den Verdienst durch die Teilzeit schlechthin. Wir bleiben dran, ich hoffe, Sie bleiben auch dran. Ich denke, die Gleichstellungsfrage sollte eine sein, die parteiübergreifend eine Selbstverständlichkeit ist. In diesem Sinne freuen wir uns über diese zwei kleinen Schritte in Richtung echter Gleichstellung. – Vielen Dank. (Beifall des Bundesrates Stögmüller.)
13.30
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile es ihm.