9.46

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Landeshauptfrau! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuschauer auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Vielen Dank, Frau Landeshauptfrau, dass Sie sich die Zeit genommen haben, heute hier im Bundesrat zu sein. Das Thema „Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft“ ist so wie sehr viele Themen der ÖVP, im Speziellen auch der ÖVP Niederösterreich, etwas, das sehr gut klingt und das man natürlich auch sehr gut verkaufen kann. Da muss ich für die ÖVP ganz ehrlich eine Lanze brechen: Wenn sie etwas gut kann, dann ist das kampagnisieren und Pflöcke bei Themen einschlagen, die gut klingen, die jedermann unter die Haut gehen, ganz egal, wie leer die Phrasen dahinter in Wirklichkeit sind. Das ist perfekter ÖVP-Polit­sprech in Reinkultur.

Ja, meine Damen und Herren, meine Kritik mag etwas hart klingen, das tut sie jedoch nicht ohne Grund. Ich bin dankbar dafür, heute hier als gelernter Niederösterreicher im buchstäblichen Sinne – ich bin nämlich ein Zuagroaster aus der Steiermark (Bundes­rätin Eder-Gitschthaler: Ja, ja!) – stellvertretend für viele Kollegen ein paar Worte direkt an Sie, Frau Landeshauptfrau, richten zu können, und ja, einiges ist kritisch, weil eben nicht alles, wie wir das auch von meiner Vorrednerin bereits gehört haben, in Niederösterreich so tadellos funktioniert, wie es nach außen immer vorgespielt wird.

Wenn man in Niederösterreich geboren wurde und von klein auf das System der ÖVP Niederösterreich kennt, dann fällt einem das vielleicht gar nicht so auf, dann ist das so wie bei einem Hummer, der im warmen Wasser auf der Herdplatte steht – es wird wärmer, heißer und heißer, bis man letztendlich komplett eingekocht ist –, wenn man aber als Zuagroaster quasi in das kochende Wasser springt oder geworfen wird, dann spürt man schon ganz deutlich, dass da einiges nicht passt, und dazu passend kann man sagen: Da wird einem auch manchmal ein bisschen schwarz vor Augen. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Frau Landeshauptfrau, das von Ihnen so gern gebrauchte „Wir“ und das „Mitei­nander“ – ich weiß nicht, ob der eine oder andere mitgezählt hat, wie oft wir heute schon vom Miteinander gehört haben – sind leider auch nicht viel mehr als ein sau­teurer und – zugegeben! – sehr guter, wirksamer Werbeschmäh. Beispiele dafür gibt es genug.

In Niederösterreich ist es etwa Usus, dass Gemeinden neben dem Regelbudget, den sogenannten Bedarfszuweisungen, auch immer wieder Sonderzuwendungen vom Land Niederösterreich erhalten. Das kann man sich dann so vorstellen: Da pilgern dann die Bürgermeister nach St. Pölten, um Zuschüsse für diverse Projekte zu erbet­teln. Und so wie im alten Rom kann man sich vorstellen, wie dann entweder (eine entsprechende Geste machend) der Daumen nach oben oder eher nach unten geht, ob und wie viel Geld man bekommt. Und natürlich, meine Damen und Herren, ist das dann sehr wohl davon abhängig, wie wohlwollend die Politik gegenüber der ÖVP Niederösterreich ist. (Ruf bei der ÖVP: Geh, was redest du denn? – Ruf: Er muss es wissen!) Wer das nicht glaubt, der frage einmal einen SPÖ-Bürgermeister! (Bundesrat Weber: Das ist wie im alten Rom!) Da frage ich mich dann: Ist das das Wir und das Miteinander, von dem Sie sprechen, Frau Landeshauptfrau?

Ein Beispiel aus meinem Bezirk – ich komme ebenfalls aus dem Bezirk Tulln –; es stammt noch aus der Zeit, als Polizeiposten geschlossen wurden, also als Sie oder auch Herr Sobotka noch Innenminister waren, denn unter Herbert Kickl sind ja keine Posten geschlossen worden, da haben wieder welche aufgesperrt: Von 22 Gemeinden im Bezirk Tulln waren in acht Gemeinden Polizeiposten. Raten Sie einmal: In welcher Gemeinde wurde der Polizeiposten geschlossen? – Natürlich in einer rot geführten Gemeinde. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Alles Zufall oder einfach das ganz normale Miteinander der ÖVP?

Bei Veranstaltungen: Es ist erst wenige Wochen her, bei der Garten Tulln – ich bin selbst dabei gewesen; die SPÖ-BundesrätInnen, die dabei waren, werden es vielleicht auch bestätigen können – waren viele hochrangige Politiker vor Ort. Reden durften natürlich ausschließlich ÖVP-Politiker, und obwohl Landeshauptfrau-Stellvertreter Franz Schnabl anwesend war, durfte er nicht einmal mit aufs Bild! (Bundesrat Weber: Stell dir vor!)

Verstehen Sie mich richtig: Ich bin hier nicht der Verteidiger der SPÖ (Beifall bei der SPÖ – Bundesrat Weber winkt den Redner zu den Sitzreihen der SPÖ), ich will aber damit das Miteinander der ÖVP aufzeigen, und ich will darstellen, wie sich das schöne Wort von der unschönen Realität unterscheidet.

Nein, meine Damen und Herren, das ist kein Einzelfall, sondern das zieht sich wie ein schwarzer Faden von Veranstaltung zu Veranstaltung durch ganz Niederösterreich. Und nein, das ist auch kein Zufall, das ist System: Das ist das System der ÖVP in Niederösterreich.

Menschen werden von Bürgermeistern – das wollen Sie jetzt wahrscheinlich gar nicht gerne hören – eingeschüchtert, wenn sie sich deklarieren, für eine andere Partei als die ÖVP für den Gemeinderat kandidieren zu wollen. Auch dafür habe ich Beispiele. Das geht dann teilweise sogar so weit, dass man ihnen mit der Zerstörung der wirtschaftlichen Existenz droht. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Boah!) Ja, Sie hören richtig, und ja, das erinnert eher an totalitäre Systeme als an Österreich. (Zwischenruf des Bundesrates Weber.) Da frage ich mich, ist das das Miteinander in Österreich? Ist das das „Nah an den Menschen“, und ist das etwas, das in Richtung Zukunft geht?

Vor wenigen Wochen, meine Damen und Herren, wurde vereinbart, dass ein Nicht-ÖVP-Landesrat, also ein Mitglied der niederösterreichischen Landesregierung, bei einem Verein eine Ehrung von verdienten Mitgliedern machen soll. Dann hat doch glatt ein ÖVP-Stadtrat dem Vorsitzenden dazu geraten, und zwar mit Nachdruck, das eher nicht zuzulassen. (Ruf: Unglaublich!) Ja, wo sind wir?! Frau Landeshauptfrau, ist das das Miteinander und das Wir, von dem Sie immer sprechen?

Ich könnte ewig so mit Beispielen weitermachen, etwa dass man uns aus Fotos herausschneidet, damit wir, die wir einer anderen Partei angehören, nicht einmal in der Zeitung vorkommen, und, und, und. All das gibt es, wie gesagt: unzählige Beispiele für das Wir und das Miteinander, das zwar nach außen nett klingen mag, aber in Wahrheit nicht gelebt wird. Ehrlicher wäre es da, wenn Sie plakatieren und sagen würden: wir ÖVPler – dann würde es passen, dann würde es stimmen –, oder wenn Sie statt miteinander untereinander sagen würden. Auch das würde passen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Dann würden sich die Menschen wenigstens auskennen, und es wäre ehrlich.

Da schließt sich für mich auch wieder der Kreis mit dem Slogan „Nah an den Men­schen. Bereit für die Zukunft“. Ich würde mir wünschen, dass Sie das ernst meinen, als gelernter Niederösterreicher habe ich daran jedoch meine berechtigten Zweifel.

Frau Landeshauptfrau, Sie haben es in der Hand: Lassen Sie künftig die beiden Wörter Wir und Miteinander weg oder, noch viel besser, ändern Sie bitte dieses System in Niederösterreich! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

9.54

Präsident Karl Bader: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Mar­lene Zeidler-Beck. Ich erteile dieses.