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Bundesminister für Finanzen Dkfm. Eduard Müller, MBA, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Geschätzte Gäste! Zukunft gestalten heißt Zukunft haben, hat einmal Peter Drucker, Vater des modernen Mana­gements mit österreichische Wurzeln, gesagt. Sie haben heute zahlreiche Beschlüsse auf Ihrer Tagesordnung, die sehr weit in die Zukunft unseres Landes reichen.

Erlauben Sie mir, dass ich daher aus Sicht des Finanzministers, des Finanzminis­te­riums zuerst einmal einen kurzen Überblick über die Auswirkungen dieser Beschlüsse gebe, dann auch auf den budget- und den wirtschaftspolitischen Hintergrund eingehe und anschließend auch in gebotener Kürze auf die beiden zentralen Betroffenheiten unseres Hauses, das Steuerreformgesetz und das Abgabenänderungsgesetz, repli­ziere.

Ich habe über Ersuchen des Budgetausschusses von den Experten unseres Hauses die Auswirkungen sämtlicher über den Sommer gefassten oder jetzt in Beschluss­fassung stehenden Beschlüsse bewerten lassen und dieses Ergebnis auch den Bud­get­sprechern aller Fraktionen zur Verfügung gestellt. Da sind zum einen – und das ist das, was jetzt unmittelbar auch in der Diskussion steht – die Steuerreform und das Abgabenänderungsgesetz mit einem Volumen von 2,8 Milliarden Euro – wir rechnen immer in vierjährigen Bundesfinanzgesetzzeiträumen – und einer Gegenfinanzierung von circa 0,8 Milliarden Euro, im Wesentlichen durch die erwähnten Maßnahmen aus dem Abgabenänderungsgesetz, der Digitalsteuer und Ähnlichem mehr.

Da war im Juli aber auch eine Beschlussfassung mit Themen wie Pflegegeld­valorisie­rung oder Pensionsbonus, um nur zwei Beispiele zu nennen, mit einem Volumen von 1,3 Milliarden Euro. Im September kamen die Pensionsanpassung, die quasi außer­ordentliche, die wir nicht eingepreist hatten, der Pflegeregress mit 1,8 Milliarden Euro und zum Schluss dann mit den diversen Abänderungsanträgen Beschlüsse betreffend abschlagsfreie Pension bei 45 Beitragsjahren, die Abschaffung der Wartezeiten und einige andere Maßnahmen mit in Summe 1,2 Milliarden Euro. Zusammengerechnet ergibt das ein Volumen von 6,3 Milliarden Euro für die nächsten Jahre, also 2020 bis 2023.

Sie wissen es, ich habe es auch schon im Plenum des Nationalrates und auch im Budgetausschuss gesagt, wir haben von diesen 6,3 Milliarden Euro nur die 2 Milliarden Euro rund um die Steuerreform eingepreist und auch im Stabilitätspakt nach Brüssel gemeldet. Das heißt, wir haben im Hinblick auf das, was wir zur Erreichung eines ausgewogenen Haushalts, auch zur Senkung der Steuer- und Abgabenquote, zum Abbau der Schulden geplant haben, jetzt eine Herausforderung – lassen Sie mich das so umschreiben – von 4,3 Milliarden Euro.

Vor welchem Hintergrund stehen diese Beschlüsse? – Wir hatten in den Jahren 2017/18 eine Phase der Hochkonjunktur, zuletzt mit einem realen BIP-Wachstum von 2,4 Prozent. Wir merken, dass sich dieses Wachstum abschwächt. Wir werden heuer – die Prognosen klaffen noch etwas auseinander, aber nicht allzu weit – irgendwo in Richtung 1,5 Prozent zu liegen kommen.

Wir werden – und ich glaube, das sollte uns alle nachdenklich stimmen – jetzt mit die­sen guten Wirtschaftsdaten der Vergangenheit erstmals seit 1955 ein im adminis­trativen, also im Finanzierungshaushalt ausgeglichenes Budget auf Ebene des Bundes vorlegen können – erstmal seit dem Jahr 1955, also seit 64 Jahren! Sie können davon ausgehen, dass auch in diesen 64 Jahren wirtschaftlich gute und natürlich auch wirt­schaftlich schlechte Zeiten dabei waren.

Das ist jetzt nicht mein Verdienst, das ist, glaube ich, das Verdienst der Österreiche­rinnen und Österreicher und auch vieler Politiken aus der Vergangenheit. Ich glaube aber, es sollte uns bewusst machen, wie fragil diese budgetäre und damit aber auch die wirtschaftliche Entwicklung ist, umso mehr, als wir jetzt aktuelle Wirtschafts­pro­gnosen für Österreich haben.

Ich war gestern auf europäischer Ebene tätig. Wir hatten das Eurogruppenmeeting und das Eurogruppen-Plus-Meeting, und auch dort, auf europäischer Ebene, ist klar, dass diverse Handelskonflikte und sonstige politische Entwicklungen – Herr Bundesrat Schennach hat jetzt eine ganz aktuelle, wirklich sehr, sehr bedrückende und wahr­scheinlich in der Auswirkung noch gar nicht abzuschätzende Krisensituation in Syrien angesprochen – es nicht leichter machen.

Daher haben das auch die Wirtschaftsforschungsinstitute schon in ihren Prognosen mehr oder weniger drinnen, und da sagen uns beide mit kleinen Differenzen – das haben sie auch schon gemacht –, dass es jedenfalls im Wachstum mit 1,4 oder 1,3 Prozent – da klaffen die beiden Organisationen noch auseinander – weiter zurück­gehen wird; sie rechnen aber auch mit Szenarien, die noch weiter hinuntergehen könn­ten.

Was ist die Folge? – Wenn wir uns diese nicht budgetierten Beschlüsse ansehen, wenn wir auch im Hinterkopf behalten, dass wir bei diesem Stabilitätsprogramm noch eine andere wirtschaftliche Entwicklung zugrunde gelegt haben, dann wird das wohl eine Herausforderung sein. Eines muss ich hier auch in meiner Verantwortung als Finanzminister, der hoffentlich ein gutes Budget 2019 übergeben wird, aber auch quasi eine Art Kassasturz für die Zukunft an den Nachfolger, die Nachfolgerin wird übergeben müssen, sagen, nämlich dass der Spielraum für die Gestaltung der Zukunft Österreichs eingeschränkt ist, denn ich habe eigentlich in allen Redebeiträgen schon vernommen, dass über die grundsätzlichen Ziele – also Senkung der Abgabenquote, Senkung der Schuldenquote und damit ein zumindest über einen mittelfristigen Zeitraum ausgeglichener Haushalt – kein grundsätzlicher Dissens besteht.

Lassen Sie mich nun ganz kurz – vieles ist schon gesagt worden – auf die Eckpunkte der Steuerreform eingehen. Ich teile sie immer in drei große Blöcke – das ist verein­fachend, aber auch der Zeit geschuldet. Erstens: Entlastung aller Österreicherinnen und Österreicher; zweitens: Entlastung im Bereich der KMU-Wirtschaft; drittens: Maß­nahmen im Umweltbereich.

Bei der Entlastung der Österreicherinnen und Österreicher ist, glaube ich, der Ansatz so, dass sowohl ArbeitnehmerInnen, als auch Pensionisten, als auch Selbstständige und Landwirte insbesondere – Sie werden sagen: nicht nur – im unteren Einkom­mensbereich mit zwei unterschiedlichen Modellen – für mich als Experte jetzt auch nicht ganz zufriedenstellend – entlastet werden, nämlich einmal durch eine Negativ­steuer und einmal durch eine Senkung der KV-Beiträge. Es ist einmal, wie es ist, im Ergebnis führt das für ArbeitnehmerInnen in diesem Bereich zu einer steuerlichen Ent­lastung von bis zu 300 Euro, für Pensionistinnen und Pensionisten von bis zu 200 Euro jährlich, und – auch das ist schon gesagt worden – mit anderen Maßnahmen zusam­men wird das eine entsprechende und auch entsprechend spürbare Entlastung für die Menschen, insbesondere in den unteren Einkommensbereichen, ergeben.

Aus dem Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen, aber auch der Wirtschaft ins­gesamt möchte ich nur zwei Maßnahmen herausgreifen: Ich glaube tatsächlich, dass diese Anhebung der Kleinunternehmergrenze von 30 000 auf 35 000 Euro – auf euro­päischer Ebene wird man wahrscheinlich jetzt gerade noch einen Schritt weiter ge­hen – nicht nur eine finanzielle Erleichterung bringt, sondern auch eine bürokra­ti­sche, und zwar für alle Seiten, sowohl – Sie wissen, ich komme aus der Finanzver­waltung – für die Verwaltung, aber klarerweise vor allem auch für die Wirtschaft.

Eine zweite Maßnahme betreffend die geringwertigen Wirtschaftsgüter, dass diese nach so vielen Jahren endlich angepasst werden, ist ebenfalls finanziell nur ein Vor­zieheffekt, also der Totalgewinn bleibt ja gleich, aber man erspart sich dann auch wieder das Anlageverzeichnis für diese Dinge. Das ist durchaus eine administrative Erleichterung.

Der dritte Block ist im Umweltbereich angesiedelt, auch das wurde heute hier schon angesprochen. Dieses Umweltpaket beinhaltet Maßnahmen, mit denen zum Beispiel die Normverbrauchsabgabe in Summe zwar aufkommensneutral gestellt wird, auch sozial verträglich, aber eben ökologisch auf CO2-Ausstoß umgestaltet wird, oder – ebenfalls heute schon adressiert – Maßnahmen, mit denen die Eigenstromsteuer für Photovoltaikanlagen abgeschafft wird.

Jetzt kann man sagen: Das Volumen, dieses Anreizvolumen von ungefähr 55 Millionen Euro, ist nicht hoch genug!, aber ich denke, es ist ein erstes und wichtiges Signal in die richtige Richtung. Die Gegenfinanzierung – und ich glaube, dass das jedenfalls auch den wirtschaftlichen Entwicklungen und auch dem Thema Wettbewerbsgleichheit geschuldet ist – erfolgt mit diesem Abgabenänderungsgesetz, in dem wir Pakete, die da Betrugsbekämpfungspaket und Digitalsteuerpaket geheißen haben, legistisch auch – eben auf Initiative des Nationalrates – zusammengezogen haben, in dem mit diesen 5 Prozent eine digitale Werbeabgabe eingeführt wird, die in Wahrheit vor allem – das muss man sagen, auch wenn es uns vonseiten Amerikas auch schon Kritik eingebracht hat und wir da sehr, sehr vorsichtig sein müssen – eben die Inter­net­giganten trifft.

Ich glaube auch, dass die Erfassung dieser Kleinwertsendungen, der 22-Euro-Sen­dungen, nicht nur sozusagen eine Gleichbehandlung auf steuerlicher Ebene ist, son­dern tatsächlich auch ein Wirtschaftsimpuls sein kann. Ich verhehle nicht, dass wir diese Maßnahme – wir reden von derzeit circa 8 Millionen zusätzlichen Sendungen im Jahr, Wachstumstendenz an die 10 Prozent jährlich – in der Steuer- und Zollver­wal­tung auch erst einmal verwalten müssen. Wir brauchen dazu auch die Post, denn wenn wir die Daten nicht erhalten, dann wird uns das auch nicht gelingen. Diese Maß­nahme soll ebenfalls, genauso wie eben die Versandschwelle, die auch schon ange­sprochen wurde, zu Wettbewerbsgleichheit beitragen.

Lassen Sie mich eine zusammenfassende Einschätzung – und das ist jetzt keine in­haltliche Bewertung der verschiedenen Maßnahmen, die zum Teil eben auch außer­halb der Steuergesetze getroffen wurden, sondern die Einschätzung aus Sicht eines Finanzministers – treffen:

Die Steuer- und Beitragssenkungen, aber auch der Bürokratieabbau für die Verwal­tung, für die Wirtschaft, die ökologischen Anreize und vor allem auch die neuen Rah­menbedingungen für die österreichische Wirtschaft im Wettbewerb mit den Internet­giganten stellen aus meiner Sicht sehr wohl einen notwendigen Impuls dar, gerade eben im Hinblick auf die sich abflachende konjunkturelle Entwicklung. Diese Maßnah­men erfordern aber – und das habe ich schon erwähnt – von der Verwaltung ent­sprechend intensive Vorbereitungsmaßnahmen: organisatorisch, technologisch, perso­nell.

Ich darf Ihnen versichern, dass wir als Exekutive alles daran setzen werden, um die im Hohen Haus beschlossenen oder zu beschließenden Maßnahmen rechtzeitig – vieles tritt ja schon mit 1. Jänner in Kraft – und bestmöglich umzusetzen, und dabei werden wir selbstverständlich die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Wirtschaft ent­sprechend unterstützen, damit all diese Maßnahmen bei jenen ankommen, für die sie bestimmt sind. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

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