12.33

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Wir Sozialdemokratinnen und Sozial­demo­kraten werden der vorliegenden Gesetzesänderung nicht zustimmen. Uns ist es wich­tig, Österreich den zukünftigen Generationen als ein blühendes, lebenswertes und zukunftstaugliches Land zu übergeben. (Bundesrätin Mühlwerth: Na, dann solltet ihr aber zustimmen!) Diese Investitionsbremse in der Verfassung würde verhindern, dass wir ökonomisch langfristige Investitionen tätigen können, die zum großen Nutzen der Menschen in unserem Land sind.

Man ist ja von konservativer Seite in den letzten Jahren schon über und über mit Gschichtln eingedeckt worden, mit schönen Erzählungen, die aber leider nie der Reali­tät entsprachen. Ziel aller Erzählungen war es, zu verschleiern, dass man eigentlich die Möglichkeit des staatlichen Handelns einschränken und den Sozialstaat schwächen will. Die Erzählung von der strengen Schuldenbremse ist eine weitere in dieser Reihe. Sparsam mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen, umzugehen, ist eindeutig sinnvoll, nur sei davor gewarnt, für eine nette Erzählung so zu tun, als könnte man den Staats­haushalt eins zu eins mit einem Familienhaushalt gleichsetzen.

Nachhaltige Investitionen, die nach Einführung der Schuldenbremse nicht mehr mög­lich wären, sind keine Schulden, sie sind letztlich Bilanzverlängerungen. Denken Sie an eine Firma: Wenn eine Maschine auf Kredit gekauft wird, hat die Firma Verbind­lichkeiten bei der Bank, aber gleichzeitig besitzt sie die Maschine. Sie hat also weniger Barvermögen, aber im gleichen Wert gestiegenes Sachvermögen, das auch so in der Bilanz festgehalten wird. In den Folgejahren sind dann die Abschreibungen zu berück­sichtigen, und man würde keiner Firma raten, nicht für die Zukunftsfähigkeit dieser Firma zu investieren. Es gibt in Österreich bereits eine einfachgesetzliche Schulden­bremse, und das genügt, und sie funktioniert eindeutig. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.)

Das Budget jedenfalls braucht Flexibilität, um der Politik entsprechenden Gestaltungs­spielraum geben zu können, besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Der Sager: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!, kann im Zusammenhang mit den zu er­wartenden Strafzahlungen aus CO2-Zertifikaten, die zugekauft werden müssen und wofür der Aufwand über 6 Milliarden Euro betragen wird, nur als Zynismus verstanden werden.

Eine zusätzliche verfassungsmäßig festgeschriebene Investitionsbremse wäre ein­deu­tig eine Klimaschutzbremse. Eine Investitionsbremse im Klimaschutz wäre ganz schlimm. Es ist mir völlig klar, dass Sie gerne die Konnotation Schuldenbremse hätten, aber in Wahrheit ist sie eine Investitionsbremse, eine Zukunftsbremse und eine Klimaschutz­bremse. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.)

Im Gegenteil, es wäre kräftig in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu investieren – dies auch zur Stärkung der Regionen unter dem Bundesratsmotto: Nah an den Men­schen. Investitionen in die Erneuerung von Kühl- und Heizsystemen und Maßnahmen zur thermischen Sanierung öffentlicher Gebäude, das braucht es jetzt! Mit der Zu­kunftsbremse werden Investitionen in Bildung und Forschung noch schwieriger mög­lich. ÖVP und FPÖ scheinen zu vergessen, dass öffentlichen Schulden immer auch ein öffentliches Vermögen gegenübersteht – Schienennetze, Kanalnetze, Bäder, Parks und so weiter. All das sind Teile einer Infrastruktur, die für die Lebensqualität der Men­schen ganz, ganz wesentlich sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten können nicht die Verantwortung dafür tragen, dass wir der nächsten Generation marode Schulen, marode Universitäten, ein­sturzgefährdete Brücken oder eine schlechte Infrastruktur in den Gemeinden über­geben.

Fakt ist: Es ist mehr als unklug, die günstige Zinslage, eine Negativzinslage, nicht für Investitionen zu nützen. Und Fakt ist auch, dass sich der Staat billiger als privates Kapital refinanzieren kann. Aus Erfahrung zu lernen wäre im Zusammenhang mit dieser Investitionsbremse mehr als ratsam. Deutschland hat die Schuldenbremse und würde sie so gerne wieder loswerden! Viele führende Wirtschaftsexperten betonen, wie schädlich diese angezogene Bremse für Deutschlands Infrastruktur ist. Es wird von einem verlorenen Jahrzehnt für Deutschland gesprochen, wenn man sich die Entwick­lung in der Infrastruktur, im Niedriglohnsektor oder in der Bekämpfung der Altersarmut ansieht.

Völlig zu Recht wird von Experten in Deutschland auch vor der Auswirkung der Bremse in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gewarnt. Das gilt eins zu eins auch für unser Land. Ich darf Sie an die letzte Wirtschaftskrise 2008 erinnern. Was wurde da alles von staat­licher Seite investiert, um die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise für Österreich abzufedern! Es galt, Banken zu retten, die Wirtschaft zu stützen und Arbeitsplätze zu erhalten. Für die Bankenrettung wurden 11 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Es gab Programme der Kurzarbeit: 25 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren von Kurzarbeit bedroht oder betroffen. Geförderte Weiterbildungsprogramme wurden ins Leben gerufen. Das politische Krisenmanagement in dieser Zeit unter sozialdemo­kratischer Führung war ausgezeichnet! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch in den Folgejahren ist es gelungen, das Budget sozial fair und gerecht zu kon­solidieren und zu sanieren. Niemand kann garantieren, dass Österreich nicht wieder in eine derartige Situation kommt. Wie handlungsbehindernd wäre dann eine Schulden­bremse in der Verfassung!

Man kann sich des Eindrucks leider nicht erwehren, dass die Schuldenbremse dazu genützt werden soll, den Sozialstaat noch weiter unter Druck zu bringen. Wo wird denn zuerst eingespart? – In den Leistungen des öffentlichen Dienstes, in den Gesundheits­leistungen, den Leistungen der Pflege, in den Bildungsleistungen. Gleichzeitig steigt durch diese Mittelverknappung der Druck, zu privatisieren. Wir wissen natürlich, dass Investoren bereits auf eine Privatisierungswelle des öffentlichen Eigentums warten, und das werden wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sicher nicht fördern.

In diesem Zusammenhang darf ich erwähnen, wie stolz wir sein dürfen, dass es ge­lungen ist, unter der Bundesratspräsidentschaft Appé den Weg zum verfassungsrecht­lichen Schutz des Wassers zu bereiten.

Grundsätzlich spricht die Forderung nach einer Investitionsbremse in der Verfassung von einem tiefgehenden Misstrauen der Politik gegenüber ihrem eigenen Handeln, einem Misstrauen, dem wir sicher nicht Vorschub leisten werden. Wir werden nicht jenen Kräften den Weg ebnen, die mit Höchstgeschwindigkeit Privatisierungen durch­ziehen wollen, die Schwächung des Sozialstaats anstreben und denen Investitionen zum Klimaschutz nur ein Scheinanliegen sind. Uns Sozialdemokratinnen und Sozial­demokraten ist die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen wichtig, heute und auch für die Zukunft. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.)

12.40

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann zu Wort. Ich erteile es ihm.