9.26

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ja, die Welt hat sich natürlich durch die Digitalisierung verändert, und daran wird auch die Schule nicht vorbeikommen, sie wird die Schüler ent­sprechend befähigen müssen, mit den neuen Medien und mit der ganzen Internettechnik umge­hen zu können.

Wir merken das ja schon ganz besonders, wenn es um Cybermobbing geht, wo Schü­ler völlig hemmungslos Lehrer niedermachen: Diesbezüglich muss man sie entsprechend führen und leiten und sie darauf aufmerksam machen, wie verletzend und schrecklich solche Dinge sein können. Ohne Frage.

Auf der anderen Seite dürfen wir aber jetzt nicht glauben, dass die Digitalisierung das Nonplusultra ist, so quasi das neue Allheilmittel für alles und jedes. Was wir nämlich nach wie vor brauchen – und das haben Psychologen in den letzten Wochen nicht nur einmal gesagt –, ist Ruhe für die Schüler. Das, was den Schülern an der Schule fehlt, ist Ruhe. Wir erleben im Moment – da können wir uns ja alle gar nicht wirklich aus­nehmen –, dass wir von der Technik ein bissel mehr beherrscht werden, als wir die Technik beherrschen.

Wenn man auf der Straße geht oder in der Straßenbahn sitzt und sieht, wie jeder den Blick vom Handy überhaupt nicht mehr abwenden kann, während man früher gesessen ist und auf die Straße oder in die Landschaft geschaut hat, dann würde ich doch sagen, dass es immer noch so ist, dass dieses Medium uns beherrscht und nicht umgekehrt. Da gibt es ja auch viele Leute aus der IT-Branche, die ausgestiegen sind, die heute Seminare darüber abhalten, die selber sagen: Ich checke meine E-Mails einmal am Tag, ich muss nicht rund um die Uhr erreichbar sein, ich muss nicht alle 5 Minuten ein SMS oder ein E-Mail lesen. Das ist etwas, wo wir noch einen weiten Weg vor uns haben. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Das Zweite ist, dass man glaubt, die Digitalisierung hat jetzt alles revolutioniert. Da gibt es einen sehr guten Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“, die ja jetzt nicht gerade ein rechtes Medium ist, in dem damit ein wenig aufgeräumt wird. Die Conclusio der Geschichte ist: Es steht und fällt nach wie vor mit dem Lehrer. Die Zusammenarbeit zwischen den Schülern und den Lehrern ist das Nonplusultra. Das ist das gestaltende Element in der Bildung – nicht die Digitalisierung! In dem Artikel sagen die Experten, die ja viele Studien und Metastudien gemacht haben, auch, dass sich gerade im technischen Bereich die Hoffnungen der Digitalisierung nicht erfüllt haben, dass jetzt eine Revolutionierung des Wissens stattfindet. Wir werden also trotzdem nach wie vor, vor allem unsere Schüler, auf dem Hosenboden sitzen und lernen müssen, so wie man das früher gemacht hat. Ich glaube nämlich auch, dass das durch die Digitalisierung nicht ersetzt werden kann.

Es ist schon von einer Vorrednerin gesagt worden, dass die Sprachkompetenz sowieso die allerwichtigste Voraussetzung ist. Da haben wir noch einiges vor uns, denn – was jetzt auch beim neuen Pisa-Test herausgekommen ist – es ist immer noch so, dass 20 Prozent der Jugendlichen nach neun Schuljahren nicht ausreichend lesen, schrei­ben und rechnen können.

Wir haben in der letzten Regierung versucht, da gegenzusteuern, und die Deutsch­klassen waren durchaus ein Erfolgsmodell, aber da muss man natürlich warten, bis das letzten Endes angekommen ist, denn wir wissen, in der Schule ist ein Jahr, um eine Verbesserung erkennen zu können, noch überhaupt nichts. Der Weg aber ist richtig, weil wir es uns schlicht und einfach nicht leisten können, Schüler zu verlieren.

Dabei ist es egal, ob es ein Zuwandererkind oder ein österreichisches Kind ist, das nicht gescheit lesen kann. Wir dürfen auch die Zuwandererkinder nicht verlieren, und es ist leider oft so, dass die Eltern dieser Kinder nicht den entsprechenden Zugang zur Bildung haben – es haben aber auch manche österreichischen Eltern überhaupt keinen Zugang zur Bildung –, und daher müssen wir auch die Eltern mit ins Boot holen. Das Schlechteste wäre nämlich, mit der Aussicht zu leben: Nach neun Schuljahren, in denen ich mich nicht anzustrengen brauche, möchte ich ja eh, ich sage es jetzt im Neusprech, AMS werden! – In Deutschland hat ja Heinz Buschkowsky, der damalige sozialdemokratische Bürgermeister von Neukölln, gesagt, seine Schüler antworten auf die Frage: Was willst du werden?, mit: Ich will Hartz IV werden!, denn das hat man beim Onkel und beim Cousin und beim Bruder gesehen, dass das ein erfolgreiches Modell ist: Der Staat lässt einen nicht fallen; das heißt, ich muss mich nicht anstrengen und komme trotzdem nicht unter die Räder. – Das, glaube ich, ist der falsche Zugang, und das muss man auch vermitteln.

Das heißt aber auch, dass – Digitalisierung hin und her – eine gewisse Anstrengung beim Lernen nicht vermieden werden kann. Das ist einfach so. Den Nürnberger Trichter, den zwar viele gerne hätten, gibt es einfach nicht, also wird eine gewisse Anstrengung durchaus vonnöten sein. Das ist ja auch etwas Positives. Es ist doch schön, wenn wir uns irgendwo angestrengt haben, zu sehen, dass dann ein Ergebnis herauskommt, dass wir etwas geschafft haben, dass wir etwas geleistet haben. Ich glaube, wir müssen den Schülern eher dieses positive Gefühl vermitteln, anstatt: Du musst, und wenn du nicht kannst, dann! – Da glaube ich, dass sich auch in der Schule noch einiges verändern muss. Die Rohrstaberlpädagogik von vor 70 Jahren funktioniert nicht mehr, das wissen wir ja ohnehin, aber es gibt ohnedies niemanden mehr, der diese jetzt präferiert und sagt, das muss so sein.

Das heißt nicht, dass es für Aktionen keine Reaktionen geben darf. Auch ein Schüler muss lernen: Wenn er gewisse Aktionen setzt, dann gibt es darauf eine Reaktion, und die muss er dann halt auch nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern auch ausbaden. Auch das gehört nämlich zur Persönlichkeitsentwicklung, auch das gehört dazu, damit die Schüler dann im späteren Leben auch wirklich bestehen können.

Das, was in den letzten Jahrzehnten gemacht wurde, war nämlich der falsche Weg: in der Schule eine imaginäre Welt vorzutäuschen und die Schüler – ich sage jetzt: die armen Schüler – ins Leben hinausgehen zu lassen, wo sie dann überhaupt nicht wissen, wie ihnen geschieht, weil ihnen ja niemand gesagt hat, dass es so sein wird, dass eben Fleiß, Pünktlichkeit, Disziplin, eine gewisse Leistung einfach Grundvor­aus­setzungen sind für alles, was wir im Leben tun, nicht nur im Arbeitsbereich, sondern auch im persönlichen Bereich. Die Verlässlichkeit und all diese Dinge sind ein wesent­licher Motor. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu den Mint-Studien, weil das ja auch immer wieder angesprochen wird: Ja, die Mädchen sollen sich trauen, aber es gibt einen sehr interessanten Blog einer Studentin an der Technischen Universität, die sagt – und ich glaube, da hat sie auch recht –, es ist – und da ist egal, was man studiert, aber es ist im Besonderen auf die Mint-Fächer, also die mathematischen, naturwissenschaftlichen, technischen Fächer bezogen – schon wichtig, seinen Neigungen zu folgen, es bringt überhaupt nichts, zu sagen, die Mädchen sollen jetzt irgendwelche technischen, mathematischen Studien machen – weil man da mehr Geld verdient, einen guten Job kriegt –, wenn das nicht ihr Ding ist.

Ja, ich bin dafür, die Mädchen zu ermutigen, zu sagen: Ich traue mir das zu, ich glaube, ich kann das!, aber auch bei einem Burschen nützt es nichts: Wenn er diese Neigung nicht hat, dann wird es auch nie gut enden. Man kann auch schwer voraus­sagen – darin sind sich auch die Experten einig –, welche Berufe morgen tatsächlich gefragt sein werden, daher sagen viele Universitätsprofessoren ihren Studenten auch: Studiert das, was euren Neigungen entspricht, was euch am meisten interessiert, denn da werdet ihr am erfolgreichsten sein!

Ich glaube, das sind Dinge, die wir den Schülern mitgeben sollten, plus ein bisschen mehr Zeit. Wir müssen in der Schule nicht alles im Schnelldurchlaufverfahren schaffen, denn ich glaube, die Schule ist immer noch auch ein Raum, wo man sich als Kind und als Jugendlicher noch ein bisschen ausprobieren können soll. Diese jungen Menschen sind noch nicht fertig, die wissen noch nicht, wie es jetzt wirklich geht, daher bin ich der Meinung, sie sollen auch ein bisschen probieren dürfen, auch was das Lernen anbelangt. Das heißt aber nicht, dass man das jetzt in eine Laisser-faire-Richtung schieben soll, im Sinne von: Jeder kann tun, wie er will und wann es ihn gerade freut. – Das nicht, aber ich glaube, wenn wir auf der einen Seite eine gute Mischung aus Raum und Zeit haben und Ruhe geben und auf der anderen Seite eine gewisse Disziplin und Leistung einfordern, dann sind wir auf einem guten Weg und werden auch in Zukunft gut dastehen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

9.36

Präsident Karl Bader: Danke sehr.

Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Ich erteile es ihr.