10.22

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte und liebe ZuhörerInnen auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Bevor ich in die Thematik eingehe, darf ich etwas irritiert darüber berichten, dass die Asfinag auf ihrer Homepage bereits fix davon ausgeht, dass diese Gesetzesänderung in Kraft treten wird. Ich denke, dass dies, noch bevor wir hier darüber debattieren und einen Beschluss fassen, die gebotene Achtung und Wertschätzung dem Bundesrat gegenüber vermissen lässt. Diese Meinung werden, so nehme ich an, einige hier im Saal teilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Jetzt zum Thema: Würde man die verschiedenrangigen Straßennetze, von denen wir bei dieser Gesetzesmaterie sprechen, auf die Waag­schale legen, gäbe es ein kostenbedingtes Ungleichgewicht – auf der einen Seite das Autobahnnetz und auf der anderen Seite die niederrangigen Straßen, die durch Gemeinden, Ortschaften und Wohngebiete führen. Dieses Ungleichgewicht bringt zum Teil eine Verschiebung der Verkehrsflüsse – darüber sind wir uns sicherlich alle einig –, und die wirkliche Herausforderung besteht eigentlich darin, dieses Ungleichgewicht in die Waage zu bringen.

Dafür gibt es zwei Denkansätze, jenen der ÖVP, ersichtlich in der von ihr ein­ge­brachten Gesetzesänderung, und jenen, den wir von der SPÖ für sinnvoller und siche­rer halten. Die ÖVP möchte auf fünf Autobahnteilstücken per Gesetz die Maut aufhe­ben, um den Ausweichverkehr durch Mautflüchtlinge zu verhindern. Wir von der SPÖ sagen, dass es besser wäre, in die Benützung der Ausweichrouten, zum Beispiel durch Bemautung oder durch Verbote, die die Länder verordnen könnten, direkt einzugreifen. Das führt zum vorhin angesprochenen Gleichgewicht, ohne auf unverzichtbare Mauteinnahmen in Höhe von rund 30 bis 75 Millionen Euro verzichten zu müssen. Wir brauchen nämlich jeden Euro für unsere Infrastruktur. Alleine auch aus klimapolitischen Überlegungen heraus ist die Rücknahme von Mautgebühren der falsche Ansatz.

Wer wären die Gewinner, sehr geehrte Damen und Herren? – Es wären überwiegend Touristen aus dem Ausland, die von dieser Begünstigung profitieren würden. Außer­dem, als ob das nicht genug wäre, droht uns auch gleich noch die Erhöhung des Prei­ses der Autobahnvignette, weil ja der Einnahmenentfall irgendwie und irgendwo kom­pensiert werden muss.

Ein weiteres Argument ist, dass auch die Frage offenbleibt, ob wir mit dieser Maß­nahme überhaupt die gewünschte Zielsetzung erreichen, also ob dieses Gesetz Erfolg haben wird. Selbst die Asfinag schätzt nämlich, dass nur die Hälfte des Verkehrs­auf­kom­mens auf den sogenannten Ausweichrouten durch Mautflüchtlinge entsteht, die andere Hälfte sind Stauflüchtlinge. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das ist eine ziemlich einfache Rechnung: Wenn wir durch die Mautbefreiung den Verkehr auf die Autobahnen verlagern, verlagern wir auch den Stau auf die Autobahnen. Das wie­derum führt dazu, dass viele Fahrzeuglenker als sogenannte Stauflüchtlinge auf die Ausweichrouten ausweichen werden. Wir lösen damit das Problem nicht, sondern wir verschieben damit das Problem, und damit ist den Betroffenen in den verkehrs­belasteten Regionen leider überhaupt nicht geholfen.

Aus diesem Grund muss an dieser Stelle die Fragestellung erlaubt sein, ob diese Ge­setzesänderung zur Zielerreichung geeignet ist oder ob es nicht andere, bessere Möglichkeiten mit Verkehrslenkungseffekten gibt und ob wir ausreichend darüber diskutiert und nachgedacht haben.

Zu alldem kommen auch noch verfassungsrechtliche Bedenken, denn in § 13 Abs. 1b soll eine Ermächtigung für den Verkehrsminister verankert werden, dass er im Einver­nehmen mit dem Finanzminister per Verordnung jederzeit weitere Straßenabschnitte von der Mautpflicht ausnehmen kann. Was dann passiert, kann man sich bildlich vor­stellen: Die Folge ist nämlich massiver Druck, der dann auf den Verkehrsminister ausgeübt werden wird.

Meine Damen und Herren, damit machen wir unser Straßennetz zu einem Stückwerk. Wir zerstören ein grundsätzlich funktionierendes und solidarisch getragenes Maut­sys­tem, wir schaffen Unsicherheit und Undurchschaubarkeit, und wir regeln gleichartige Materien einerseits auf Gesetzesebene und andererseits auf Verordnungsebene, was verfassungsrechtlich zumindest fragwürdig und unsicher ist.

Darum glaube ich, dass wir konsensorientiert darüber reden sollen, was Sinn macht. Schauen wir doch, wo unser gemeinsamer Nenner ist! Klar ist nämlich: Wenn man Konsens will, dann muss man auch bereit sein, ihn zu suchen. Eigentlich liegen wir ja inhaltlich nicht weit auseinander, und es gibt unsererseits auch keine generelle Ableh­nung. Wir alle gemeinsam wollen die Entlastung von Dörfern, Gemeinden und Wohn­gebieten erreichen, die vom Durchzugsverkehr stark betroffen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Die SPÖ hat im Nationalrat mit einem Abänderungsantrag bereits signalisiert, dass sie bei diesem Gesetzesantrag mitgehen könnte, wenn zwei Punkte sichergestellt sind: Erstens wollen wir nicht, dass auf Ministerebene entschieden wird, wo es Mautaus­nahmen gibt, das heißt, § 13 Abs. 1 muss entfallen, und zweitens wollen wir nicht, dass die Ausnahmen in diesem Gesetz in Stein gemeißelt sind, sondern dass sie befristet sind, wodurch es sozusagen eine Testphase gibt, die dann in eine gesetzlich veran­kerte Evaluierungsphase münden soll. – Das sind übrigens die gleichen Feststel­lun­gen, die auch das Verkehrsministerium in seinem Bericht trifft.

Leider wurde dieser Antrag von einer Mehrheit aus ÖVP, FPÖ und Grünen abgelehnt und damit die Chance vertan – aufgrund der fehlenden zeitlichen Befristung –, die Auswirkungen dieser Maßnahme ansehen zu können. Wir hätten durchaus lernen und, wenn notwendig, die nötigen Schritte für die Zukunft setzen können.

Das fehlende Aufeinanderzugehen war aus meiner Sicht keine Frage des Könnens, sondern doch eher des Wollens, und das ist eigentlich schade, denn das Mitgehen der SPÖ wäre bei etwas Bewegung vor allem aufseiten der ÖVP durchaus möglich ge­wesen.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Be­mautung von Ausweichrouten“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, eine Novelle zum Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 vorzulegen, wonach der Landeshauptmann für bestimmte Streckenabschnitte von Straßen, die keine Bundesstraßen sind, eine fahrleistungsabhängige und zeitab­hän­gige Bemautung im Sinne dieses Bundesgesetzes durch Verordnung festlegen kann, um Mautumgehungsverkehre zu verhindern. Für die Abwicklung der Bemautung dieser Streckenabschnitte soll der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft des Bundes be­trauen. Entsprechende Ausnahmen für Ziel- und Quellverkehre sowie für Anrainer­ver­kehre sollen ebenso in dieser Novelle enthalten sein.

*****

Meine Damen und Herren, auch die FPÖ wird heute einen Entschließungsantrag einbringen, weil sie beim geplanten Gesetzesantrag zumindest in Vorarlberg ein Problem ortet, und wir werden bei diesem Entschließungsantrag auch mitgehen.

Unser Entschließungsantrag aber ist eine Einladung an Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, vor allem auch von der FPÖ, dem Mautumgehungsverkehr in ganz Österreich, nicht nur in Vorarlberg, effektiv entgegenzuwirken und für die betroffenen Gebiete eine wirkliche Verkehrsentlastung sicherzustellen. Optimal wäre es, wenn dieser Antrag von einer breiten Mehrheit in diesem Parlament mitgetragen werden würde. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.32

Präsident Karl Bader: Der von den Bundesräten Reisinger, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „die Bemautung von Ausweichrouten“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Silvester Gfrerer. Ich erteile es ihm.