14.04

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte im Rahmen meiner Ausführungen allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Höchstgerichte mei­nen Dank aussprechen. Danke für diese wichtige, intensive Arbeit!

Meine Vorrednerin, Kollegin Neurauter, hat schon ausgeführt, wie viel an Arbeit da zu bewältigen war. Es ist wirklich beachtlich, dass es gelungen ist, die durchschnittliche Verfahrensdauer weiter zu reduzieren, denn wir wissen, dass ein zeitnahes Ende eines Verfahrens auch ein wesentliches Element eines fairen Verfahrens im Sinne der Euro­päischen Menschenrechtskonvention ist. Es gelingt dem Verfassungsgerichtshof wirklich gut, diesem Prinzip gerecht zu werden. Da ist auch sehr, sehr viel Einsatz, Engagement und Herzblut dabei. Wir wissen, was wir an unseren Höchstgerichten haben – also ein ganz, ganz großes Danke dafür!

Der Bericht ist auch ein lebendiges Zeugnis dafür, wie schnelllebig die Politik in Zeiten wie diesen ist. Wenn man sich ansieht, wer den Bericht des Verfassungsgerichtshofes unterzeichnet hat: Das war die ehemalige Präsidentin Brigitte Bierlein, jetzige Bundeskanzlerin. Der Bericht des Verwaltungsgerichtshofes wurde vom jetzt hier sitzenden Justizminister in seiner vorherigen Funktion unterzeichnet. Es ist also alles im Fluss, und wir erleben da in Zeiten wie diesen auch wirklich ein besonderes Stück Geschichte.

Wir sehen auch, dass der Bericht Zeugnis davon gibt, welch vorausschauendes Werk unsere Bundesverfassung ist. Unser Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat ja unsere Bundesverfassung gerade in diesen schwierigen Zeiten als sehr elegantes, belastbares Werk gelobt. Wir sehen auch anhand dieser Berichte, wie wichtig es ist, dass wir genau diesen Stufenbau der Rechtsordnung haben, damit die Menschen auch vor Willkür staatlichen Handelns geschützt sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wurden ja heute bei unserer Gelöbnis­formel daran erinnert, dass alles staatliche Handeln, von der Gesetzgebung bis zur Vollziehung, in Verwaltung und Gerichtsbarkeit, aufgrund der Verfassung und im Einklang mit der Verfassung erfolgen muss. Genau darüber wacht der Verfassungs­gerichtshof, denn es ist in einem funktionierenden Rechtsstaat so, dass die Politik sehr wohl dem Recht folgen muss und nicht umgekehrt, wie sich das ein ehemaliger Innenminister vorgestellt hat, als er offensichtlich von einem Totalumbau des Staates geträumt hat. Er ist damit – ich muss sagen, zum Glücke Österreichs – Gott sei Dank gescheitert.

Der Stufenbau der Rechtsordnung mit der Verfassung und dem europäischen Regel­werk an der Spitze schafft Stabilität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen Struk­turen und bietet wie gesagt Schutz vor politischer Willkür.

Der Bericht 2018 zeigt auch in einigen Beispielen, dass sich der Gesetzgeber nicht alles erlauben darf. Ich habe mir, wie Frau Kollegin Neurauter, auch einige Beispiele aus diesem Bericht herausgesucht, etwa das niederösterreichische Mindestsicherungs­gesetz: Eine Deckelung der Mindestsicherung auf 1 500 Euro, unabhängig davon, wie viele Personen im Haushalt leben und wie hoch deren tatsächlicher Bedarf ist, ist eben nicht verfassungskonform, da dies gleichheitswidrig und unsachlich ist; sie wurde vom Verfassungsgerichtshof aus diesem Grund auch aufgehoben.

Das hätte für einen verantwortungsvollen Gesetzgeber Richtschnur dafür sein können, wie eine Sozialhilfe Neu gestaltet werden muss. Wir haben aber gesehen, dass sich die ehemalige türkis-blaue Bundesregierung, eben getreu dem Motto Kickls, relativ wenig um die Verfassung – salopp gesprochen – geschert hat. Das hat eben auch dazu geführt, dass das Gesetz zur Sozialhilfe Neu aufgehoben wurde, und das war – für uns zumindest – nicht überraschend. Wir als sozialdemokratische Bundesrats­frak­tion haben es als konsequente Umsetzung der zitierten Gelöbnisformel gesehen, gegen dieses offensichtlich verfassungswidrige Gesetz vorzugehen und einen Gesetzesprü­fungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu richten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, einem Kind nur 1,50 Euro pro Tag zuzu­gestehen, das kann nicht menschenrechtskonform sein, das geht einfach nicht (Beifall bei der SPÖ), genauso wenig wie die Totalüberwachung, die im sogenannten Sicher­heitspaket vorgesehen ist, das Datenschutz und das Recht auf Privatheit gänzlich ignoriert. Das kann nicht verfassungskonform sein – und war es ja auch nicht, wie wir gesehen haben. Auch diesbezüglich haben wir erfolgreich einen Gesetzesprüfungs­antrag gestellt, und der Verfassungsgerichtshof ist unseren Argumenten gefolgt.

Ich denke, genau durch unser aktives Amtsverständnis als sozialdemokratische Bun­desratsfraktion haben wir das Profil des Bundesrates als unsere gemeinsame Insti­tution sehr geschärft, nämlich als Kontrollorgan der Gesetzgebung. Das wollen wir auch weiterhin so halten, selbstverständlich auch gemeinsam mit anderen Fraktionen, die wir herzlich dazu einladen, ein solch aktives Amtsverständnis an den Tag zu legen, unabhängig davon, welche Regierungskonstellation – das wissen wir ja alle noch nicht – uns gegenüberstehen wird.

Der Verfassungsgerichtshof trifft auch immer wieder wichtige Klarstellungen, über die sich die Gesetzgebung nicht immer in dieser Klarheit und Deutlichkeit drübertraut. Wir haben das schon bei der vollkommenen Öffnung der Ehe für alle gesehen; wir haben an dieser Stelle auch schon eingehend darüber gesprochen. Im Juni 2018 ist die Ent­scheidung betreffend das Recht auf individuelle Geschlechtsidentität gekommen, in der klargestellt wurde, dass das Personenstandsgesetz eben so weit ausgelegt werden muss, dass alternative Geschlechtsidentitäten – das dritte Geschlecht, wie man sagt, intersexuelle Personen – auch umfasst sind. Für viele Familien, für viele Eltern be­deutet das praktisch, dass sie eben nicht gezwungen werden, sich bei intersexuellen Kindern zu entscheiden, als Geschlechtsidentität entweder männlich oder weiblich anzugeben. Es gibt ja oft sehr dramatische Fälle von aufgezwungenen Umoperationen; das soll dadurch eben wesentlich hintangehalten werden.

Ja, es gibt viele Entscheidungen – die Einzeladoption hat die Frau Kollegin schon angesprochen –, in denen Klarstellungen erfolgt sind, die eben auch zeigen, wie wichtig unsere Höchstgerichte sind.

In diesem Sinne spreche ich nochmals ein ganz großes Danke aus und darf Ihnen auch ein wunderschönes Weihnachtsfest und alles Gute im neuen Jahr wünschen. Auf gute Zusammenarbeit! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Hauschildt-Buschberger und Lackner.)

14.13

Präsident Karl Bader: Als Dritter in der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt ist Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.