16.20

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Werte Kollegen des Bundesrates! Werte Zu­schauer auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Die Unabhängigkeit der Justiz ist eines der höchsten Güter in einem demokratischen Rechtsstaat. – Das klingt schön und sollte natürlich auch so sein. Ist das auch so?

Darüber lässt sich trefflich diskutieren, wie wir gerade merken. Das betrifft übrigens nicht nur die Justiz, aber diese natürlich im Besonderen. Postenbesetzungen nach Farben, ergo nach der politischen Ausrichtung: Jeder, der irgendwo im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, kann ein Lied davon singen. Früher brauchte man sich ohne rotes Parteibuch bei der Eisenbahn gar nicht zu bewerben, und als gelernter Nieder­österreicher kann ich Ihnen sagen, ohne ÖVP-Parteibuch oder schwarzen Schieber kommen Sie nirgendwo unter, nicht einmal in der kleinsten Kommune (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ – Bundesrätin Mühlwerth: Nein? Das kann nicht sein!) – außer sie ist rot geführt; ein paar davon gibt es noch, da brauchen Sie wieder das andere Büchl. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: ... immer schon das Regenbogenparteibuch!)

Mehr als 70 Jahre lang haben sich SPÖ und ÖVP diese Republik aufgeteilt. Alles ist politisch verfilzt, von der roten Arbeiterkammer bis zur schwarzen Wirtschaftskammer, Vereine wie Landjugend und auch Kinderfreunde, alles ist schön brav politisch aufge­teilt, von all den Wohnbaugenossenschaften, wo es um richtig viel Geld geht, ganz zu schweigen, bis hin zu den Autofahrerklubs, der rote Arbö, der schwarze ÖAMTC, und, und, und. Noch Fragen, meine Damen und Herren? – Das ist die traurige Wahrheit, so schaut es aus in Österreich! (Beifall bei der FPÖ.)

Nur wenn einmal eine andere Partei in der Regierung ist und es wagt, einen geeig­neten Freiheitlichen auf eine Position zu setzen, dann ist das halbe Land in Aufruhr. So gesehen bin ich sehr froh darüber, dass die aktuelle Koalition Schwarz-Grün heißt, denn wäre die ÖVP mit der SPÖ in einer Regierung, dann – das kann ich Ihnen versichern – gäbe es diese heutige Debatte höchstwahrscheinlich nicht, alles wäre eitel Wonne, Sonnenschein.

Nun aber ans Eingemachte: Herr Kanzler Kurz, Sie sind – in welcher Position auch immer – Mitglied der Regierungen der letzten Jahre gewesen, eine gefühlte Ewigkeit; einige Zeit sogar schon als Bundeskanzler, auch wenn Sie das nie allzu lange aus­halten. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.) In all den Jahren gab es von Ihnen niemals, nicht ein Mal, eine Kritik an der Justiz. Jetzt stellt eine andere Partei, nämlich die Grünen, den Justizminister und auf einmal gibt es Kritik von Ihnen. Die Frage ist: Warum ist das so? – Ich kann es Ihnen genau sagen: weil die WKStA gegen zwei ehemalige ÖVP-Finanzminister und gegen den ÖVP-nahen Chef der Bundesbeteili­gungsagentur ermittelt. Da reden Sie dann von Politjustiz der Wirtschafts- und Korrup­tionsstaatsanwaltschaft. Diese Aussage alleine, Herr Bundeskanzler, zeigt ja schon die Unehrlichkeit in der Debatte. Die ÖVP stellte von 2008 bis Mitte 2019 die Justiz­minister, da sind lange Verfahrensdauern, Personal- und Geldmangel sowie parteipoli­ti­sche Besetzungen nie ein Thema gewesen. Jetzt ist das ein Thema. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Was ist passiert? Wie ist es dazu gekommen? – Die Nebelgranate, die Sie abgefeuert haben, hat sich im wahrsten Sinne des Wortes als Rohrkrepierer entpuppt. Sie wollten von ganz anderen Dingen ablenken, das ist nach hinten losgegangen und das Gegen­teil ist der Fall: Sie haben das Scheinwerferlicht voll und ganz auf sich gezogen. Sie wollten über die Bande der Medien der WKStA, die Ihnen und der ÖVP übrigens schon viel länger ein Dorn im Auge ist, einen Blattschuss verpassen. Das ist misslungen, und jetzt sind Sie selbst ins Fadenkreuz von Ermittlungen betreffend Ungereimtheiten rund um die ÖVP und natürlich auch die Justizspitze gekommen.

Warum ist es so gekommen, wie es gekommen ist, meine Damen und Herren? – Sie, Herr Kanzler Kurz, und Ihre ÖVP wollten die Gunst der Stunde des BVT-Unter­suchungs­ausschusses nutzen. Das Hauptziel des Herrn Amon war es ganz klar, die künstlich inszenierte Aufregung rund um eine Hausdurchsuchung zu nutzen und damit einen Teil der Justiz, nämlich genau die zuvor angesprochene WKStA, an das Gängel­band der ÖVP zu nehmen. Das war von Anfang an der Plan der ÖVP, dürfte aber anscheinend nicht ganz geklappt haben. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Betrachtet man den Hintergrund, dann wird einem auch ganz schnell klar, warum das so war: Es hat in der Vergangenheit immer wieder Reibungspunkte zwischen der ÖVP und der WKStA gegeben. Immerhin gab es zum damaligen Zeitpunkt schon seit Längerem Ermittlungen gegen zwei Sektionschefs im Innenministerium, und was, wie ich glaube, die ÖVP am meisten geschmerzt hat, war, dass schon damals ein Ge­schäftsführer eines maßgeblichen Fonds, der ganz tief in diesen ÖVP-Netzwerken verstrickt ist, nämlich des Stadterweiterungsfonds, ins Visier der WKStA geraten ist. Damals waren Ermittlungen im Gange, inzwischen gibt es auch entsprechende Ankla­gen dazu. Interessant wäre, was mit diesen Anklagen ist: Gibt es die noch irgendwo, sind die schon irgendwo schubladiert? Man hört schon lange nichts mehr davon.

Natürlich hat die ÖVP die Hausdurchsuchung beim BVT als eine Art Majestäts­belei­digung empfunden: dass es tatsächlich jemand wagt, in dieser ÖVP-Spielwiese eine Hausdurchsuchung anzuordnen und dann auch noch durchzuführen! (Bundesrat Steiner: Ein Wahnsinn!) – Ein Wahnsinn! Wie kann man nur?! (Bundesrat Bader: Unrecht­mäßig! Unrechtmäßig!) Und gut war es, meine Damen und Herren, nachträglich be­trachtet, dass man da nicht das BAK, nicht das Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung beauftragt hat, das an seiner Spitze so dunkelschwarz ist, dass es schwarz heraus­rinnt, wenn sich irgendjemand von denen das Knie aufschlägt! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Heiterkeit bei der SPÖ.)

Da die ÖVP in dieser Causa ganz einfach die Kontrolle über all die Vorgänge verloren hat, wird seit dieser Zeit seitens der ÖVP entschlossen gegen die WKStA vorgegan­gen. Das ist die Wahrheit! Und dann, Herr Kanzler Kurz, trauen Sie sich, sich hinzu­stellen und im Fernsehen zu sagen, die FPÖ hätte das Ansehen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung beschädigt. – Mitnichten, Herr Kanzler! Ihre ÖVP, die sich im BVT ausgetobt hat und dort Sodom-und-Gomorrha-ÖVP-Fest­spiele veranstaltet hat (Ruf bei der ÖVP: Hallo! Hallo!), wenn es um Postenbe­setzun­gen und auch ums Wegschauen bei Verfehlungen von ÖVP-Freunden gegangen ist, Sie alleine haben den Vertrauensverlust und den Imageschaden – sowohl national als auch international – zu verantworten. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Buchmann: Über internationalen Vertrauensverlust lass’ ich mir von dir nichts erklären!)

Und was machen Sie jetzt, Herr Kanzler Kurz? – Jetzt bringen Sie die gesamte Justiz mit Ihrem Verhalten in Misskredit und in Verruf. Vielleicht gelingt es Ihnen aber auch diesmal wieder, es Ihrem Koalitionspartner umzuhängen, wenn die Justiz einen Imageschaden erleiden sollte. Frau Zadić wird’s schon richten! (Bundesrat Schreuder – das Z als S aussprechend –: Zadić!)

Apropos: Die Grünen verhalten sich in dieser Debatte wie auch in vielen anderen De­batten seit geraumer Zeit schmähstad – der verpasste Maulkorb dürfte wohl Koalition heißen. Ja, das ist der Unterschied: Die ÖVP hat in der Zeit der türkis-blauen Regie­rung 80 Prozent freiheitliche Forderungen umgesetzt, wir waren die Zugmaschine (Heiterkeit bei der ÖVP), und nicht nur das gerade noch geduldete Beiwagerl, sodass sogar „Der Standard“ gestern titelte: „Türkis-Grün – eine Fehlkonstruktion“. Ich ver­stehe Sie aber voll und ganz, meine Damen und Herren von den Grünen, Sie verkau­fen Ihre grüne Seele und als Dank dafür schaut die ÖVP bei den Grauslichkeiten, die Sie den Österreichern, ganz besonders den Autofahrern, zukünftig antun wollen, seelenruhig zu. (Beifall bei der FPÖ.)

Zurück zur schwarzen ÖVP: So wie es unser Klubobmann Herbert Kickl angekündigt hat, nimmt die FPÖ das alles nun zum Anlass und wird den jahrzehntelangen rot-schwarzen Postenschacher durchleuchten – ganz besonders angesichts der aktuellen Berichterstattung über die Beförderung von Kabinettsmitarbeitern des Justizminis­te­riums auf sogenannte Mascherlposten. Es wird von unserer Seite mit Sicherheit eine Anfragenserie geben, weil da angeblich Posten zwar geschaffen, besetzt und gut bezahlt, aber niemals ausgeübt wurden. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Aha?) Das wird mit Sicherheit spannend, ganz besonders für Sie, liebe ÖVP. (Vizepräsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Herr Kanzler Kurz, Sie beschweren sich einerseits darüber, dass angeblich vertrauliche Unterlagen von der Staatsanwaltschaft an Journalisten verteilt wurden, und anderer­seits erzählen Sie ganz offen, dass zwei hochrangige Journalisten Ihnen das sogar bestätigt hätten. Aber angezeigt, Herr Kanzler Kurz, haben Sie diesen Amtsmissbrauch nicht, oder? Da frage ich mich, warum. Wollten Sie da etwas vertuschen? Ich kann Sie aber beruhigen: Sie brauchen keine Anzeige mehr zu machen, auch das haben wir Freiheitliche in Form einer Sachverhaltsdarstellung an die WKStA für Sie bereits über­nommen. Herr Kanzler, Sie dürfen dann unter Wahrheitspflicht Ihr Wissen zum Besten geben, und, Herr Kanzler, Wahrheitspflicht bedeutet, dass man die Wahrheit sagen muss. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Beifall der BundesrätInnen Prischl und Zaggl.)

Verstehen Sie mich richtig, meine Damen und Herren: Natürlich ist Kritik an der Justiz erlaubt, und da bin ich ganz bei Kanzler Kurz, wenn er sagt, dass die Justiz sicher nicht sakrosankt ist. Das sehe ich auch so. Es gibt sehr viele Bereiche, in denen es Handlungsbedarf in Form von Verbesserungsmaßnahmen gibt. Ich sage nur: zu wenig Personal in allen Bereichen, vor allem auch im Bereich der Justizwache. Ja, bei manchen Verfahren und Urteilen, das muss man so sagen, ist der fahle Beigeschmack einer Politjustiz irgendwie spürbar, also gibt es vielleicht doch den einen oder anderen politisch agierenden Staatsanwalt oder Richter. Vielleicht gibt es das.

Auch die Tatsache, dass es Gutachter gibt, die von manchen Gerichten Hunderte Aufträge im Jahr erhalten und andere nur ganz wenige, sollte einmal hinterfragt werden, noch dazu, wenn es Fälle gibt, in denen Gutachten einander in Copy-and-paste-Manier gleichen und nur die persönlichen Daten geändert werden. Kritik an der Justiz ist also erlaubt und natürlich erwünscht. Wenn man aber die Hintergründe kennt und weiß, warum Kritik geübt wird und von wem, dann sollte man das schon hinter­fragen. Darum fordern wir, dass man sich die parteipolitische Einflussnahme in der Justiz nicht nur im Bereich der WKStA anschaut, sondern wirklich in allen Bereichen. Das ist aber von der ÖVP nicht gewollt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Richtig!)

Genau daran ist ja ganz eindeutig zu erkennen, dass es mit der Glaubwürdigkeit der ÖVP nicht so weit her ist. Da tun sich schon einige Fragen auf: Wie, liebe ÖVP, können Sie zum Beispiel erklären, dass immer ganz bestimmte Staatsanwaltschaften aus­gewählt werden, wenn es um ganz bestimmte Verfahren geht? Erklären Sie zum Beispiel einmal die ganz besondere Expertise der Staatsanwaltschaft Korneuburg, die sie dazu befähigt, die Tätigkeit der WKStA zu überprüfen! (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Auf diese Antwort wäre ich gespannt. Ist es nicht einfach nur so, dass es sehr gute parteipolitische Verbindungen sind, die die eine oder andere Staatsanwaltschaft zu solchen Untersuchungen (mit den Fingern Anführungszeichen andeutend) „be­fähigt“?

Spannend wäre auch die Antwort der Staatsanwaltschaft Linz in jenem Fall, in dem es Vorwürfe der Korruptionsermittler gegen Sektionschef Pilnacek gab und die Staatsan­waltschaft Linz zum Entschluss kommt, nicht einmal mehr Beweise anzufordern, weil von vornherein feststeht, dass es gar keinen Anfangsverdacht gibt. Das, meine Damen und Herren, sind bedenkliche Vorgangsweisen, und da ist sicher noch einiges aufzu­klären, aber nicht aus der Kurz’schen Opferrolle heraus, sondern ehrlich und nach bestem Wissen und Gewissen.

Herr Kanzler Kurz hat sich heute wieder in gewohnter Manier – in gewohnter Teflon­manier – hierhergestellt und alles von sich abperlen lassen, aber, Herr Kanzler, die gute Nachricht für uns alle ist, dass eine Teflonbeschichtung nicht ewig hält und sich auch abnutzt. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

So schließe ich mit einem Zitat meiner leider bereits verstorbenen Großmutter. Sie hat gesagt, als ich noch ein ganz kleiner Bub war – und das ist, denke ich, für die heutige Diskussion hier ganz passend: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.“ (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

16.34

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort. (Bundesrat Seeber – in Richtung Bundesrat Spanring –: Wie ist das, wenn man in ein Zitat das einbettet, wenn einer lügt? Das gehörte einmal überprüft! – Bundesrat Rösch: Wieso? Das Zitat gibt’s ja! – Bundesrat Spanring: Das hat meine Großmutter g’sagt!)