15.12

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrte Zuseher da­heim, die uns via Livestream folgen! – Herr Kollege Bader, ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, da man Ihre Ausführungen nicht ganz so stehen lassen kann.

Sie haben gemeint, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Österreich funktionieren. – Das ist sicher richtig. Sie haben gesagt, „die Bevölkerung hat [...] großes Vertrauen in die Maßnahmen“. – Ja, die Umfragen bestätigen Sie darin. Und Sie haben auch hier wieder gesagt, „es geht nicht um Regierung und [...] Opposition“. – Das würde stim­men, wenn Sie den nationalen Schulterschluss, den Sie ausgerufen haben, auch tat­sächlich ernst nehmen würden. (Beifall bei der FPÖ.)

Da sind wir wieder bei genau diesem Punkt, den ich in diesem Gremium schon wie­derholt angesprochen habe, nämlich bei der großen Diskrepanz zwischen dem, was die Österreichische Volkspartei sagt, und dem, was sie tut.

Sie nehmen den Unternehmern den so wichtigen Entschädigungsanspruch aus dem Epidemiegesetz weg, Sie versprechen zugleich, den Unternehmern rasch und unbüro­kratisch zu helfen. Sie versprechen Fördermaßnahmen und stellen sich in Pressekon­ferenzen hin und sagen: Es wird allen geholfen!

Die Realität zeigt genau das Gegenteil: Ja, die Unternehmer können schon einen An­trag stellen, aber bitte, sie dürfen im vorigen Jahr nicht zu viel verdient haben, sonst gibt es leider keine Förderung; sonst gibt es das, was es nach dem Epidemiegesetz zwingend, als Rechtsanspruch gegeben hätte, für dieses Unternehmen leider nicht. Ach so, ja: Wie bitte, Sie haben zu wenig verdient? – Na ja, zu wenig dürfen Sie na­türlich auch nicht verdient haben! Also wehe, Sie haben im letzten Jahr einen Verlust gemacht, dann fallen sie natürlich auch durch die Förderrichtlinien Ihres Härtefallfonds.

Meine Damen und Herren, das war von Anfang an abzusehen: Diese Entwicklung, dass die Wirtschaftskammer, die von der ÖVP dominiert ist, bürokratisch agiert, dass die Richtlinien, die ihr Finanzminister vorgibt, ebenso überbürokratisch sind, war für jeden gelernten Österreicher abzusehen. Daher haben wir von Anfang an, auch schon beim ersten Gesetzespaket zu Covid-19, gesagt: So kann es nicht sein! Wir müssen einen Abänderungsantrag stellen, um den Entschädigungsanspruch nach dem Epide­miegesetz aufrechtzuerhalten! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben diesem Paket dann dennoch zugestimmt, weil wir ebenso gesagt haben: Es steht nicht dafür, dieses Gesamtpaket, in dem auch wichtige Maßnahmen dabei sind, abzulehnen! – Stichwort: Erweiterung der Kurzarbeit. Das ist ganz klar. Da sind wir dann in einer Gesamtabwägung natürlich dafür gewesen, trotzdem zuzustimmen. Den­noch haben wir, wie viele andere Österreicher auch, darauf vertraut, dass das alles durch Ihre Förderzusagen abgefangen wird. – Gar nichts ist abgefangen worden, mei­ne Damen und Herren, gar nichts ist abgefangen worden! (Beifall bei der FPÖ.)

Bis heute haben die Unternehmer und Arbeitnehmer in diesem Land keine Rechts­sicherheit. Die Formulare, die auszufüllen sind, sind nicht nur überkompliziert, sondern sie ändern sich auch täglich. Da wundert es nicht, dass viele Unternehmer die Reiß­leine gezogen haben und die Menschen einmal in die Arbeitslosigkeit geschickt ha­ben – womöglich mit einer Wiedereinstellungszusage, die verbindlich sein kann oder auch nicht. Sie haben aber vielfach die Kurzarbeit, die ihnen ermöglicht wurde, nicht angenommen. Die Unternehmen haben auch keine Planungssicherheit, weil es für das, was die Regierung an Maßnahmen vorgenommen hat, kein Enddatum gibt und weil sich das tagtäglich ändert.

Jetzt können Sie vielleicht sagen: Na ja, wir sind in einem Krieg, wir sind in einer gro­ßen Krise, da weiß man natürlich noch nicht, was der nächste Tag so bringt! Wir tun einmal von Tag zu Tag! – Das mag schon so sein, das ist auch eine durchaus militä­rische Denkweise, dass man sagt: Na gut, die Lagebeurteilung ist natürlich ständig neu durchzuführen! – Das ist schon richtig. Die Lagebeurteilung muss man auch jeden Tag neu durchführen; dennoch könnten Sie den Menschen aber reinen Wein einschenken.

Sie könnten Ihre Experten, auf die Sie vertrauen, nach denen Sie Ihre Politik ausrich­ten, hierherholen und könnten jetzt schon Kriterien definieren, nach denen für jeder­mann ersichtlich ist: Wenn diese Kriterien eingehalten werden, wenn sich alle Öster­reicher an diese Maßnahmen halten, wenn bestimmte Kennzahlen erfüllt sind, werden wir diese Maßnahmen binnen einer Woche aufheben. – Daran könnten sich die Öster­reicher einmal orientieren. Stattdessen wählen Sie den autoritären Weg des Zuckerl­verteilens, Sie machen den Menschen Angst und sagen: Es wird alles noch viel schlim­mer werden!, und: Vertraut auf uns!, und: Wir machen das schon richtig! – Das ist diese unredliche Politik, die wir hier anprangern.

Weil Sie gesagt haben, Ihre Leitlinie sei Gesundheit und sonst überhaupt nichts, über alles andere können wir später reden, es gehe heute nicht um Schuldzuweisung, son­dern Ihre Leitlinie sei die Gesundheit: Na gut, dann schauen wir uns einmal an, was die Leitlinie und dieses oberste Prinzip der Gesundheit, dem Sie sich da verschrieben haben, ist.

Schon im Februar hat Dominik Nepp, der Landesparteiobmann der FPÖ in Wien, ge­fordert, dass Einreisesperren vorgenommen werden, weil der Coronavirus eine ganz schwere Bedrohung ist; bereits im Februar – nein, entschuldigen Sie, bereits Ende Jänner, am 26. Jänner. Das kann man in einer Presseaussendung nachlesen. Bereits Mitte Februar gab es Presseaussendungen – von Kickl, Hofer und vielen anderen frei­heitlichen Funktionären –, die darauf hingewiesen haben.

Was hat Gesundheitsminister Anschober, der Gesundheitsminister Ihrer Bundesregie­rung, da gemacht? – Er hat gesagt: Nein, wir sind hier gut vorbereitet! Es gibt über­haupt keinen Grund zur Panik! – Er hat beschwichtigt, hat gesagt: Bitte, die Influenza ist viel gefährlicher! Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht einen Grippevirus ein­fangen, aber den Coronavirus haben wir im Griff, das ist kein Problem! – So viel dazu, wer wirklich die Gesundheit der Österreicher in den Vordergrund stellt.

Ich möchte mir nicht vorstellen, was gewesen wäre, hätte man ein bisschen auf die Freiheitlichen gehört, hätte man schon früher Einreisesperren verhängt, hätte man schon früher erste Quarantänemaßnahmen gesetzt – vor allem auch in Ischgl, das ja bekanntlich ein Tiroler Problem und auch ein Problem Ihres Landeshauptmanns Platter war. Er hat gemeinsam mit dem Gesundheitsminister die Empfehlungen der Weltge­sundheitsorganisation umgedreht und hat gesagt: Das ist alles kein Risikogebiet! Wir tun jetzt einfach einmal so weiter, und die Seilbahnen sollen bitte erst Tage später und Wochen später sperren! – Das ist das ursprüngliche Anfangsversäumnis, das sich ge­rade bei so einer Epidemie und in so einer Gesundheitskrise wie der jetzigen ganz fatal ausgewirkt hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt sind wir gezwungen, meine Damen und Herren, wochenlang auszuhalten, um das einzudämmen, was man womöglich am Anfang im Keim hätte ersticken können. Wir alle haben leider keine Glaskugel (Bundesrat Preineder: Wie alle Länder Europas!), wir wissen natürlich nicht, ob das alles ausreichend gewesen wäre, aber bezeichnend ist schon eines: Wir Freiheitlichen waren ganz am Anfang schon dabei und haben im­mer gesagt: Wir müssen etwas gegen diesen Coronavirus tun! Wir müssen die Gren­zen schützen, Grenzen dichtmachen, Quarantänemaßnahmen einführen!

Sie haben sich blind gestellt und auf stur geschaltet, und jetzt auf einmal kommen ir­gendwelche Experten daher, und nun folgen Sie diesen Leitlinien der Experten. Da ha­ben Sie auch zuerst gesagt: Schutzmasken bringen überhaupt nichts, bitte keine Schutz­masken! – Jetzt auf einmal ist das das Gebot der Stunde. Das ist der Zickzackkurs, den wir anprangern.

Wenn Sie schon sagen: Das stimmt alles nicht, die Freiheitlichen waren gar keine Vor­reiter!, dann frage ich mich schon, warum Zeitungen wie „Der Standard“ – ich meine, das ist jetzt nicht gerade ein FPÖ-Parteiblatt – am 24. März ganz groß schreiben – Titel –: „Die FPÖ und das Coronavirus: Einsamer Mahner oder Panikmacher? Die Op­positionspartei“ – gemeint ist die FPÖ – „scheint das Ausmaß der Corona-Krise als Erste erkannt zu haben.“ – Das ist also die Berichterstattung, die uns dafür zumindest einen Punkt gibt. Es geht natürlich nicht um Punkte, da haben Sie schon recht, aber wenn Ihnen die Gesundheit so wichtig ist, dann halte ich Ihnen jetzt vor, warum Sie dann nicht schon im Februar diese Leitlinie gefahren sind.

Es wird dann in ein paar Monaten ja um etwas anderes gehen. Da wird es dann wirk­lich darum gehen: Wie bringen wir die Wirtschaft wieder in Gang? Welche Maßnahmen setzen wir? Wie bringen wir den Arbeitsmarkt wieder in Gang? Wie geben wir den Leu­ten wieder das – sozusagen – normale Leben zurück, das sie auch verdient haben? In diesem Zusammenhang werfe ich Ihnen auch vor, dass Sie das genau jetzt, da es wichtig wäre, diese Maßnahmen für die Wirtschaft zu setzen und ihr wieder Planungs­sicherheit zu geben, unterlassen. Das können Sie nämlich auch mit diesem Paket wie­der nicht gewährleisten.

Sehr geehrte Frau Justizminister, Sie sprechen davon, dass Sie mit diesem Gesetzes­paket gewährleisten, dass die Mieten für alle gesichert sind, dass man Mieten stunden kann und dass es keine Mietzahlungen gibt. Was die Unternehmer und die Geschäfts­raummieten betrifft, treffen Sie keine wie immer geartete Klarstellung. Da sagen Sie: Das regelt ohnehin schon das ABGB, da ist eine angemessene Mietzinsminderung vor­gesehen! Darauf verlassen Sie sich sozusagen. – Der Stand der Rechtsanwälte be­dankt sich recht herzlich, Frau Justizminister, denn wir werden betreffend jedes ein­zelne Unternehmen vor den Gerichten ausfechten müssen, wie viel Prozent Mietzins­minderung wirklich angemessen sind. Da lassen Sie die Unternehmer im Stich, und zwar sowohl die Vermieterseite als auch die Mieterseite, weil keine Rechtssicherheit hergestellt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist nur eine von vielen Maßnahmen, die Sie wieder vergessen haben. Ich sehe mich schon in einer Woche wieder bei einer Sondersitzung, in der wir wieder ein Rie­senpaket beschließen werden, in dem alle möglichen Maßnahmen zusammengewürfelt sind, und in der Sie wieder sagen werden, dass das alles eben jetzt ganz wichtig sei. Zeit haben Sie gehabt, aber Sie haben die Zeit nicht genutzt, und deswegen sage ich noch einmal: Meine Damen und Herren, wir brauchen Vordenker, keine Spätzünder! (Heiterkeit des Bundesrates Seeber.)

Sie haben den Vertrauensvorschuss, den wir Ihnen gegeben haben, nicht verdient, weil Sie im Nationalrat unsere freiheitlichen Abänderungsanträge, die sinnvoll und be­gründet waren, wieder einfach ignoriert haben; daher brauchen Sie sich auch nicht zu wundern, wenn wir diesem heutigen Gesetzespaket, das wiederum durchwachsen ist, einige gute Maßnahmen und einige schlechte Maßnahmen enthält, erstmals nicht zu­stimmen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

15.21

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt. Da doch eine Vielzahl von Anträgen vorliegt und da­mit die Damen und Herren von der Bundesratskanzlei das ordentlich vorbereiten kön­nen, werde ich die Sitzung jetzt für ein paar Minuten unterbrechen.

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(Die Sitzung wird um 15.22 Uhr unterbrochen und um 15.33 Uhr wieder aufge­nommen.)

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