20.25

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Herren Volksanwälte! Sehr geehrter Herr Außenminister! Ich wollte mich hier nicht zu Wort melden, aber ich habe einen sogenannten mentally handicapped, also geistig behinderten Bruder, und die Rede des Herrn Spanring hat mich wirklich zutiefst getroffen und empört.

Der Anfang war richtig, die richtige Problemerkennung, und das, was die Volksanwalt­schaft hier berichtet, ist richtig. Mein Bruder lebt in Tirol, fällt also unter das Tiroler Be­hindertenrecht. Seit dem ersten Tag, an dem er in der Werkstatt der Lebenshilfe Tirol im Bezirk Reutte gearbeitet hat, fällt er unter das Tiroler Behindertenpensionsrecht und be­kommt seither eine Behindertenpension, die natürlich weit unter der Mindestsicherung ist – das muss man dazusagen.

Wenn Sie die Chance haben, meinen Bruder zu fragen: Was arbeitest du?, dann wird er Ihnen sagen: Ich koche für arme Menschen!, denn er ist bei der Lebenshilfe als Koch tätig. Er war aber auch schon hier im Parlament, als Frau Kollegin Rossmann die Prä­sidentschaft übernommen hat, und warum war er hier? – Weil man in Reutte ein Projekt hat, das sich dafür einsetzt, dass Behinderte in Vereinen, in sozialen Vereinen integriert werden. Jeder, der eine geistige Behinderung hat, hat eine andere Stärke. Bei meinem Bruder sind es der Rhythmus und die Musik, und damit ist er bei der Blasmusik integriert. Er war zur Übernahme der Präsidentschaft hier im Parlament, hat sich köstlich mit allen unterhalten, und wahrscheinlich hätten Sie das gar nicht gemerkt.

Aber eines geht nicht: Tatsächliche Missstände hier zu benennen, aber gleichzeitig un­zulässige Vergleiche zu ziehen und Mittel aus dem Bereich der Kunst, aus dem Bereich der Flüchtlingsintegration wegnehmen zu wollen, dann noch in krude Ideologien hi­neinzugehen und zu sagen, dort und dort und dort ist das Geld falsch eingesetzt, das ist unerhört!

Herr Spanring, Sie sind hier zu weit gegangen, und ich kann das, was Kollege Beer gesagt hat, nur unterschreiben. Ja, wir brauchen Integration! Ja, wir brauchen das Recht auf Arbeit und einen inklusiven Arbeitsmarkt. Auch da ist es aber natürlich so, dass das ohne eine dahinter stehende, schützende Familie nicht geht. Ich will jetzt nicht über die Lebenshilfe Tirol und die Missstände reden, dann würde ich nämlich eine Stunde reden. Meine Mutter ist momentan 102 Jahre alt, und warum ist sie 102 Jahre alt? – Weil es meinen Bruder gibt und weil meine Mutter so viel Lebenselixier daraus gewinnt, da zu sein. Herr Spanring hat seinen Freund zitiert, das ist alles richtig. Wer ist da? – Ich kann Ihnen nur sagen, zum Beispiel ohne meine Schwester, die von Wien aus ganz viel orga­nisiert, ohne meine Schwester, die der Lebenshilfe Tirol ständig auf die Finger klopft und sogar zum Teil mit Anwälten arbeiten muss, ginge das alles nicht.

Der Bericht der Volksanwaltschaft sagt, da gibt es Missstände. Wenn die Lebenshilfe zum Beispiel meinen Bruder ausleiht, zum Beispiel – Hausnummer – an McDonald’s, dass er dort einen Tag kocht, dann kriegt er dafür gar nichts. Leider gibt ihm McDonald’s dann zu viele Burger, und das schlägt sich dann auf sein Gewicht nieder. Wenn er an ein Gasthaus zum Kochen ausgeliehen wird, ist das für ihn – unter uns gesagt – Begeis­terung, es ist toll, er ist nämlich akzeptiert! Gleichzeitig aber resultiert daraus keine Ver­gütung. Es muss ja nicht ein Taschengeld sein, aber zumindest irgendeine Form sozial­versicherungsmäßiger Abgeltung. Er arbeitet quasi gratis und bekommt dabei viel zu viel zu essen.

Übrigens ist er einer der eifrigsten Zuseher von ORF III und kennt alle von euch, weil er jede Sitzung hier beobachtet; und er liest. Für ihn das Wichtigste ist die „Tiroler Tageszei­tung“, die kennt er auswendig, denn er liest sie jeden Tag.

Nur: Das, was Sie getan haben, Herr Spanring, ist wirklich ein Affront (Bundesrätin Mühl­werth: Das ist ja nicht wahr!), und darüber sollten Sie einfach nachdenken! – Ich danke den Volksanwälten für diesen guten Bericht. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bun­desrätin Mühlwerth: Das ist ja wirklich nicht wahr! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Das ist ja lächerlich!)

20.30

Vizepräsident Michael Wanner: Zu Wort gemeldet ist die Klubvorsitzende Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr. (Zwischenruf bei der SPÖ.)