11.26

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Außenminister! Außenpolitik ist Europapolitik, und da steht jetzt vor allem der Recoveryplan der Kommission auf der Tagesordnung. Ein Konzept liegt vor, initiiert von Macron und Merkel, und seit Ende Mai gibt es auch einen ganz konkreten Verord­nungsvorschlag der Europäischen Kommission dazu. Das ist wirklich eine extrem wichtige Initiative. Wir haben es gehört, es geht um ein Gesamtvolumen von 750 Milliar­den Euro. Davon sollen 430 Milliarden Euro nicht rückzahlbar sein, 250 Milliarden Euro sollen als Darlehen und 66 Milliarden Euro als Garantien zur Verfügung stehen.

Entgegen Behauptungen, die jetzt schon gefallen sind, geht dies nicht einfach nur in Kassen, sondern diese gesamten Mittel sind an konkrete Zwecke gebunden. Schauen Sie in den Verordnungsentwurf hinein! Dort gibt es eine Liste, wofür diese Mittel verwen­det werden können, weil es ja schließlich um eine ganz konkrete Erholung der Wirtschaft und vor allem darum geht, Investitionen auszulösen.

Damit verbunden ist natürlich auch eine Refinanzierung dieser Gelder, die die EU auf­nimmt, nämlich – und das ist längst notwendig – durch Stärkung der eigenen Res­sourcen der Europäischen Union, und auch das durch sehr, sehr sinnvolle Maßnahmen, durch Maßnahmen, die wir eigentlich schon lange brauchen, auf die wir schon warten. Das ist zum Beispiel der Emissionshandel. Endlich kommt es zu einer Ausweitung auf die Schifffahrt und auf die Luftfahrt. Das ist wirksam, es kommt sinnvoll Geld herein. Es wird eine Carbon-Border-Tax vorgesehen, also eine CO2-Steuer für Importe, wenn sie viel CO2 verursachen. Dies ist übrigens eine ganz wichtige Maßnahme, um unsere eigene Industrie, die energieintensive Industrie, zu schützen. Weiters ist beispielsweise eine Digitalsteuer vorgesehen. Dies ist eine wichtige Initiative, um die EU zu stärken. Das wären etwa 30 Milliarden Euro pro Jahr, was auf die ganze EU gesehen eigentlich auch kein Riesenbrocken ist.

Leider – ich sage das auch ganz offen in Richtung unserer Freunde in der Koalition – unterstützen Teile der Regierung diesen Vorschlag noch nicht. Ich finde das sehr schade. Ich hoffe, das schaffen wir noch. Auch Kollege Karas – er ist ja auch nicht der unwichtigste Europapolitiker – setzt sich wirklich ganz klipp und klar für diesen Vorschlag ein.

Nehmen wir ein anderes Beispiel: Ein Land, das uns sehr nahesteht, Deutschland, ein Land, das sicher sehr sorgsam mit Geld umgeht, sparsam ist und auch ein Exportland ähnlich wie Österreich, hat natürlich verstanden, dass sein Wohlstand, sein Export­niveau, sein Exporterfolg davon abhängt, dass andere Länder importieren können. Importieren kann ein Land nur, wenn es ihm wirtschaftlich gut geht. Das ist einfach rein rational. Die Hilfe an diese Staaten, die jetzt wirtschaftlich stark mitgenommen sind, ist letztlich eine Hilfe für die eigene Wirtschaft, für den eigenen Wohlstand, indem man anderen Leuten in anderen Ländern Einkommen verschafft. Diese Vorgangsweise müsste man also nicht einmal altruistisch sehen, wiewohl der Gedanke einer euro­päischen Solidarität essenziell für das Fortbestehen ist.

Nehmen Sie sich doch Österreich selbst als Beispiel! So wie wir in Österreich helfen – man kann meinetwegen über Details diskutieren –, nämlich betroffenen Gruppen, Betrie­ben und so weiter, die wirtschaftlich vielleicht eh auch schon schwach waren, so wie man jetzt Gemeinden hilft, so muss es auch in der EU geschehen, und zwar ohne mit dem Finger auf Dritte zu zeigen oder Gegenleistungen einzufordern.

Das möchte ich jetzt klar in Richtung FPÖ sagen: Ich meine, das Übelste, das man jetzt tun kann, ist, abschätzig auf Länder im Süden zu zeigen und populistisch auszurufen, man habe nichts zu verschenken. Ich sage es ganz direkt, Frau Kollegin Mühlwerth: Das, was Sie da machen, ist Kulturchauvinismus, und das sollte eigentlich keinen Platz haben. (Bundesrat Steiner: Was? Kultur was? – Bundesrat Schennach: Kulturchau­vinismus! – Bundesrätin Mühlwerth: Jo mei!)

Es ist jetzt auch besonders wichtig – das gehört mit zur Außenpolitik –, am europäischen Green Deal festzuhalten. Das ist eine Frage der Außenpolitik, wie gesagt. Auch das ist grundvernünftig. Es ist unabdingbar, die wirtschaftliche Erholung auch ökologisch auf nachhaltige Beine zu stellen. Das stärkt die EU. Gerade der Bereich Umwelttechnologien ist eine Sparte, ein Bereich, in dem die Europäische Union im Vergleich zu vielen anderen Sachen weltweit eine Führungsposition einnehmen kann. Es ist auch eine Versicherung für künftige Wettbewerbsfähigkeit.

Wir haben eine ganz wichtige und dringende Aufgabe vor uns – im Vergleich dazu ist die Herausforderung durch Corona, so schlimm sie ist, ein Minizwerg –, nämlich den Klimawandel und seine Folgen in den Griff zu bekommen, Klimaschutz so zu machen, dass wir auch weltweit unter 1,5 Grad liegen können, dass sich Europa - -

Vizepräsident Michael Wanner: Herr Bundesrat, auch Ihre Redezeit ist zu Ende.

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (fortsetzend): Wir haben auch im Regierungs­pro­gramm verankert, dass sich Österreich in der EU sehr aktiv für eine progressive Klima­schutzpolitik einsetzt.

Das heißt zusammengefasst: Eine kluge Außenpolitik in Zeiten nach Corona unterstützt eine solidarische Europäische Union und eine ökologische und soziale nachhaltige Entwicklung mit aller Kraft. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.32

Vizepräsident Michael Wanner: Die Aktuelle Stunde ist beendet.