14.23

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuhörerInnen und Zuse­herInnen! Als Fraktionsvorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion ist es mir ganz wichtig, Folgendes zu sagen: Mit großer Betroffenheit gedenken wir der Opfer des grau­samen Terroranschlags. Unser tiefstes Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer und den Verletzten, unser Dank gilt den Polizistinnen und Polizisten, die in dieser schreckli­chen Situation ihr Leben für uns riskiert haben.

Unser Dank gilt den Wiener Rettungskräften, der Feuerwehr, den Beschäftigten der Wie­ner Linien und den Beschäftigten in den Krankenhäusern. Unser Dank gilt all jenen, die in dieser Situation vor Ort einfach ganz selbstverständlich geholfen haben: den Lokalbe­treibern, die gesagt haben: Kommt herein ins Lokal, wir helfen euch in den Keller hi­nunter, wir versorgen euch!; den Taxifahrerinnen und Taxifahrern, die gesagt haben: Steigt ein, wir nehmen euch mit!, und die natürlich nichts verlangt haben; den Hotelbe­treibern, die gesagt haben: Ihr könnt nicht nach Hause, wir stellen euch Hotelzimmer zur Verfügung!; und den Straßenbahnfahrern und Straßenbahnfahrerinnen, die die Tür auf­gerissen und gesagt haben: Bitte steigt ein, hier seid ihr in Sicherheit! – Danke vielmals an all jene! (Allgemeiner Beifall.)

Wien ist eine starke Stadt, und die Wienerinnen und Wiener sind stark. Die Präsidentin hat es schon angesprochen: Dem Terror werden wir keinen Millimeter weichen und statt­dessen mit aller Kraft für die Demokratie eintreten!

Nun zur Aktuellen Stunde: „Digitalisierung ist der Impfstoff der Wirtschaft – die Chancen aus der Krise nutzen“ – um so einen Titel zu wählen, muss man ehrlich gesagt schon sehr mutig sein. Die Digitalisierung mit einer Impfung für die Wirtschaft zu vergleichen und die Regierung dann vielleicht auch noch als verabreichenden Arzt darzustellen, das ist schon eine sehr erstaunliche Metapher.

Sprechen wir über die Digitalisierung: Es ist ein Thema, das Sie, Frau Bundesministerin, ja frei gewählt haben, im Wissen um die Situation der Wirtschaft und auf dem Arbeits­markt, aber schauen wir uns diesen Impfstoff einmal genauer an, denn bekanntlich hat ja alles viele Seiten. Amazon, Starbucks, Uber, Airbnb und Co: Sie alle zahlen keine nennenswerten Steuern in unserem Land, jedes Würschtlstandl zahlt mehr Steuern! (Beifall bei der SPÖ.)

Mit ihren Dumpingpreisen ruinieren sie unsere lokale Wirtschaft und vor allen Dingen unseren Sozialstaat. Das ist eine Seite der Digitalisierung, und man muss sich bewusst sein, dass es die gibt. Wir wissen auch, durch die aktuellen Entwicklungen sind die Ge­winne im Onlinehandel noch höher geworden, Millionäre sind gerade während dieser Krise noch einmal reicher geworden. Während also einige Menschen immer mehr Ver­mögen haben, sehen wir, dass andere Menschen, die LeistungsträgerInnen der Mittel­schicht, Gefahr laufen, in die Armut abzurutschen. Das darf nicht sein, das muss verhin­dert werden!

Die Digitalisierung wirbelt die gesamte Arbeitswelt durcheinander, gerade jetzt in der Coronakrise. Wir sehen Rationalisierung aufgrund von Digitalisierung, und das bedeutet meist Jobabbau, Kündigungen, weniger Arbeitsplätze und mehr Arbeitslose. Einige nut­zen gerade diese Zeit und diese Krise aus, um Beschäftigte im großen Stil freizusetzen und Stellen abzubauen. Es gibt die verschiedensten Begrifflichkeiten dafür: In einem Betrieb wurde den Betriebsräten gesagt, man starte ein Lohneinsparungsprogramm – übersetzt bedeutet das immer, dass Menschen freigesetzt werden und dann keine Arbeit mehr haben. Das muss verhindert werden, es muss mit aller Kraft dagegen angekämpft werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Aus sozialdemokratischer Sicht steht jedenfalls fest, dass der technische Fortschritt nicht automatisch zu einer besseren Lebenssituation der Menschen, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führt. Genau das wäre aber eigentlich der Sinn, und darauf muss man schauen.

Wenn wir zum Beispiel an Augmented Reality denken, dann stellt sich etwa die Frage, wie viele Fachkräfte wir zukünftig in der Wirtschaft brauchen werden, oder umgekehrt gefragt: Wie viele braucht es dann nicht mehr? Unberechtigt sind die Ängste der Men­schen vor Jobverlust und einem Zunehmen der Niedrigqualifizierung nämlich bei Weitem nicht. Fachkräfte werden durch Hilfskräfte ersetzt, alles andere zeigt die Augmented Reality vor. Im Bereich der Produktion übernehmen dann zum Beispiel in der Automobil­industrie angelernte Kräfte nach den Anweisungen dieser Technologie die Arbeitsschrit­te der Fertigung, Fachkräfte werden damit obsolet.

Ein weiterer Aspekt der Digitalisierung ist natürlich das Homeoffice. Klar, in der Corona­krise war oder ist Homeoffice ein gutes Mittel, um die Pandemie zu bekämpfen – aber es braucht klare Regelungen! Wir müssen über Freiwilligkeit sowie über die Ausstattung und den Kostenersatz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer reden. (Beifall bei der SPÖ.)

Frauen waren und sind durch die Arbeit im Homeoffice noch einmal besonders belastet, das sehen wir durch viele Studien und auch durch die Gespräche mit betroffenen Frauen bestätigt. Homeschooling, Betreuungspflichten, Hausarbeit – all das kommt zusammen. Ich muss sagen, dass es doch etwas gibt, über das ich mich an diesem Tag ganz enorm freue: Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, den Rechtsanspruch auf Sonderbetreu­ungszeit umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Übereinkommen der Sozialpartner ist gelungen, damit wird der Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit ermöglicht: insgesamt vier Wochen, rückwirkend gültig mit 1. No­vember, und den Arbeitgebern werden die vollen Kosten ersetzt. Ich glaube, das ist ge­rade in der Krise ein ganz wichtiger Schritt. Die Gewerkschaftsfrauen haben diesen ge­fordert, die SPÖ-Frauen haben ihn gefordert, und die Regierung hat diese Verbesserung jetzt dankenswerterweise umgesetzt. Darüber gilt es sich in dieser sehr, sehr schwieri­gen Zeit zu freuen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

Digitalisierung muss aber alle Menschen mitnehmen, auch die älteren, sie dürfen nicht vergessen werden! Die Dynamik der Digitalisierung muss auch ihnen die Möglichkeit geben, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Es braucht weiters den flächendecken­den Breitbandausbau, denn alle Digitalisierungsmaßnahmen können nicht funktionieren, wenn die notwendigen Netze nicht zur Verfügung stehen.

Noch einmal zurück zu den Arbeitsplätzen in den eigenen vier Wänden – das Thema hat seine Tücken –: Wie wird denn das Thema Überwachung gehandhabt? Wie wird kontrol­liert, ob Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer arbeiten? Wird dann in die privaten Räumlichkeiten hineingeschaut? Wird geprüft, ob der Arbeitnehmer gerade am Compu­ter aktiv ist oder nicht? Wird per Kamera überwacht? – All das wollen wir nicht!

Wir wollen auch nicht, dass die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit noch stärker verschwimmen, dass sozusagen der Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerin just in time ar­beitet, gerade wenn man ihn oder sie braucht: Jetzt ist Mitternacht, jetzt muss diese Arbeit erledigt werden! – Das darf auf keinen Fall sein! Das Arbeitsrecht muss auch zu Hause gelten, die Menschen brauchen Ruhezeiten. Es geht um die Gesundheit der Men­schen, denn wir wollen nicht, dass Ausbeutung ein neues, ein digitales Gesicht be­kommt.

Wir werden in Zukunft sehen, dass der Druck auf Löhne und Gehälter natürlich steigt, denn wer nicht mitspielt, gerade in der aktuellen Arbeitsmarktsituation, riskiert seinen Job. Zuschläge, Bereitschaftszeiten oder Ähnliches fallen weg, und die Ausstattung für das Homeoffice geht tief ins Börserl der ArbeitnehmerInnen, der Arbeitsplatz zu Hause kann zur Kostenfalle werden. Wer profitiert? – Wohl die Unternehmen. Ich weiß nicht, wie viele Werbezuschriften ich schon von Firmen bekommen habe, die jetzt erklären, wie Unternehmen ihre frei werdenden Bürokapazitäten noch besser verwalten können, weil ja die Menschen jetzt im Homeoffice sind. Ich glaube, all das ist nicht der richtige Weg. Wir brauchen eine geregelte Arbeit im Homeoffice mit genauen Richtlinien, mit einem ordentlichen Arbeitsrecht. Digitalisierung kann nicht zu einem Impfstoff werden, der vielleicht manchen hilft und für alle anderen schädlich ist.

Es geht weiters auch um die Verteilung und die Umverteilung, aber auch um die Frage der Bildung. Wenn jemand, eine Kellnerin oder ein Fließbandarbeiter, seinen Job verliert, kann man nicht sagen: Du steigst jetzt sofort in die neue digitale Welt ein! – Das wird nicht funktionieren. Es braucht Übergänge, es braucht Möglichkeiten der Qualifizierung und des Lernens, möglichst niederschwellig, um alle mitzunehmen. Wir wollen nieman­den zurücklassen.

Man wird auch die Antwort auf die Frage, wie der Sozialstaat finanziert wird, neu über­denken müssen. Dieser Sozialstaat, den wir jetzt in der Krise so zu schätzen gelernt haben, muss finanziert werden. Die Basis dafür kann nicht allein das Arbeitseinkommen der Menschen, die Abgaben darauf sein. Die Digitalisierung braucht Spielregeln, und wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden uns dafür einsetzen, dass es die richtigen Spielregeln sind, dass die Menschen durch die Digitalisierung Chancen bekom­men und nicht zu Verliererinnen und Verlierern werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.33

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.