9.45

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! In Krisenzeiten ist es besonders wichtig, Perspektiven aufzuzei­gen. Die weltweite Wirtschaftskrise infolge der Coronabekämpfung ist solch ein Fall, der noch jahrelang Folgen zeigen wird – leider –, bei uns mit aktuell 100 000 zusätzlichen Arbeitslosen gegenüber dem November des Vorjahres. Allerdings darf man nicht verges­sen: Viel, viel schlimmer wäre es, wenn es nicht Maßnahmen wie die umfangreiche Kurz­arbeitsregelung gäbe, wenn es nicht ein breites Paket an Unterstützungsprogrammen gäbe, wie Kollegin Mattersberger ausgeführt hat.

Die zweite Krise, derzeit in der Debatte etwas in den Hintergrund geraten, ist die allum­fassende und wohl größte Herausforderung der Menschheit, nämlich die Klimakrise. Was heißt das? – Das heißt, es ist sinnvoll und vernünftig, diesen Krisen gleichzeitig zu begegnen, alles andere wäre kontraproduktiv. Man darf nicht durch das Bekämpfen einer Krise eine andere, insgesamt gewaltigere weiter verschärfen, um später vor noch größe­ren Aufgaben zu stehen. Was getan wird, um aus der Coronakrise herauszukommen, muss gleichzeitig der Bekämpfung der Klimakrise dienlich sein.

Die gute Botschaft ist, dass das geht, es erfordert allerdings Konsequenz und ein Um­denken, und es erfordert vor allem Umstrukturierung. Finanzhilfen dürfen nicht zu Lock-in-Effekten führen und in der Folge notwendige Veränderungen massiv erschweren. Das heißt – und das ist natürlich auch ein sehr schwieriger und kontroverser Teil –, es macht keinen Sinn, weiterhin Wirtschaftszweige zu forcieren, die der Erreichung der Klimaziele grundsätzlich entgegenwirken, weiterhin Wirtschaftszweige zu forcieren, die ohnehin umstrukturiert werden müssen, beziehungsweise muss Geld, wenn es in solche Bran­chen gehen soll, dann eben in eine aktive Neuorientierung in Richtung ökologische Nachhaltigkeit und soziale Qualität fließen.

Was man bei solchen Umstrukturierungsprozessen immer mit einem großen Ausrufezei­chen dazusagen muss, ist, dass gleichzeitig alles getan werden muss, um den Betrof­fenen eine Perspektive zu bieten, alles getan werden muss, um den betroffenen Men­schen eine sinnvolle Beschäftigung anbieten zu können. Das löst Debatten aus, no na, weil es um persönliche Betroffenheiten geht, aber wir dürfen uns davor nicht drücken. Besonders bekannte Beispiele dafür sind etwa die Autoindustrie oder die gesamte fossile Energiewirtschaft.

Die Verfolgung von Klimaschutzzielen bietet dabei eigentlich eine ideale Orientierung, weil sie direkt auf die Produkte, auf die Art und Weise, wie wir produzieren, wirkt. Klima­schutzstrategien wirken massiv stimulierend für neue Technologien, Produktionsweisen und sind damit strukturverändernd. Sie sind auch ein Innovationsmotor. Und eines ist klar: In Zukunft wird jene Wirtschaft konkurrenzfähig sein, die ökologisch nachhaltig pro­duziert.

Eine weitere essenzielle Rahmenbedingung für das Funktionieren der notwendigen Trans­formation und Krisenbewältigung ist selbstverständlich die soziale Gerechtigkeit. Die sozialen Unterschiede sind bereits schärfer geworden, und das ist Gift, Gift für jede Entwicklung. Wenn die Gesellschaft zu große Ungerechtigkeit aufzeigt, die Einkommen und Perspektiven zu sehr auseinanderfallen, dann wird auch ein Wandel nicht funktio­nieren. Das geht nur in einem solidarischen Miteinander, mit einer breit getragenen Ak­zeptanz, und das müssen die zu setzenden Rahmenbedingungen unmittelbar berück­sichtigen. Also: ökologisch und sozial, das wäre eine Charakterisierung für den Weg aus der Krise.

Erfreulich ist, dass schon einiges gelungen ist. Noch nie war das Klimabudget so hoch, in Summe weit über 1 Milliarde Euro, das möchte ich dazusagen; auch wenn immer das Gegenteil behauptet wird, was einfach nicht stimmt. Noch nie war das Budget für den öffentlichen Verkehr so hoch, für Radinfrastruktur so hoch. Noch nie hat es so viel Geld im Bereich der Umweltförderung gegeben. Im Rahmen der Investitionsprämie gibt es mit einer Prämie von 14 Prozent für Klimaschutzinvestitionen besonders attraktive Anreize, ungefähr 40 Prozent der eingereichten Projekte sind dementsprechend klimarelevant; und auch im Gemeindeinvestitionspaket gibt es umfangreiche klimaschutzrelevante Maß­nahmen.

Ein paar wenige Beispiele: Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz mit einem jährlichen Un­terstützungsvolumen von 1 Milliarde Euro befindet sich in der finalen Phase. Damit werden Investitionen im Ausmaß von 3 Milliarden Euro pro Jahr aktiviert werden, das sind 30 Milliarden Euro im zehnjährigen Planungszeitraum, den das Gesetz hat – eine völlig neue Dimension in Österreich.

In den nächsten Jahren werden zum Beispiel 600 000 Ölheizungen durch Wärmepum­pen, Biomasse-, Fernwärmeheizungen ersetzt werden – das ist ein Investitionsvolumen in einer Dimension von 12 Milliarden Euro, mit einem extrem hohen regionalen Wert­schöpfungs- und Beschäftigungsanteil. Die ganzen Topunternehmen, was Biomasse und Wärmepumpen betrifft und so weiter, sind in diesem Land – das wissen Sie. Die Installation der Anlagen erfolgt sowieso vor Ort durch Installateure und Handwerker.

Besonders arbeitsintensiv sind thermische Sanierungen von Gebäuden. Für die nächs­ten zwei Jahre stehen dafür in der Umweltförderung über 600 Millionen Euro zur Verfü­gung. Es gibt nichts anderes, das zeigen Untersuchungen, das mehr Arbeitsplätze pro investierter Million schafft.

Eine Studie der TU Wien zeigt, dass die Beschäftigungswirkung beim Radwegebau zum Beispiel doppelt so hoch ist wie beim Bau von Hochleistungsstraßen, und bei den Rad­wegen brauchen wir noch Tausende von Kilometern. Bei gleicher Investition in den Bahnausbau sind die Beschäftigungswirkungen um 70 Prozent höher als beispielsweise im Autobahnbau.

Um diese Mittel auf den Boden zu bringen, auch das ist eine große Herausforderung, braucht es viele zusätzliche Arbeitskräfte. Daher wurde inzwischen eine große Ausbil­dungsoffensive mit einem Budget von fast 500 Millionen Euro implementiert.

Im Regierungsprogramm gibt es weiters eine Green Finance Agenda, die sich in Aus­arbeitung befindet und eine weitere wichtige Begleitmaßnahme zur Forcierung von grü­nen Investitionen in Beschäftigung und Wertschöpfung ist.

Auch die Europäische Union will massiv in Richtung Klimaschutz investieren. Im Zusam­menhang mit dem Green Deal, dem Recoveryfund und dem nächsten Budget sollen in Summe 30 Prozent in Klimaschutz fließen, das sind, ausgehend von 1,8 Billionen Euro, stolze 500 Milliarden bis 2027; 500 Milliarden für erneuerbare Energieträger, Mobilität, thermische Sanierung und so weiter.

Es wird trotzdem noch mehr brauchen. Entscheidend sind langfristige und planbare Rah­menbedingungen, damit hinreichend investiert und umstrukturiert wird. Dazu gehören insbesondere fiskalische und steuerrechtliche Rahmenbedingungen, sprich eine sozial­ökologische Steuerreform mit einer starken Lenkungswirkung in ökologische Investitio­nen und gleichzeitig einem notwendigen sozialen Einkommensausgleich.

Was diesen Zugang, wie ich finde, dermaßen attraktiv macht, ist, dass wir eben eine Perspektive genau aufzeigen können, ein Programm gegen Zukunftsangst gestalten können. Hunderttausende sichere Jobs mit Sinn lassen sich schaffen, Steuern können generiert werden, um damit den Sozialstaat abzusichern, und – und das ist vielleicht das Wichtigste – eine Zukunft wird ermöglicht, damit auch in ein paar Jahrzehnten für die heute jungen Leute noch freie Lebensentwürfe gelebt werden können. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.54

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Finanzen. – Herr Bundesminister, ich erteile es Ihnen und mache darauf aufmerksam, dass Ihre Redezeit 10 Minuten nicht überschreiten soll. Bitte, Herr Bundesminister.