11.51

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Es ist mir eine große Ehre und große Freude, fast genau am 100. Jahrestag des Bundesrates als Mitglied desselben hier zu stehen und Sie, liebe PräsidentInnen, sehr geehrte Frau Ministerin und sehr ge­ehrter Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen und sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher, begrüßen zu dürfen.

Am 1. Dezember 1920 tagte der Bundesrat zum ersten Mal. Heute, am 3. Dezember 2020, 100 Jahre später, tagt der Bundesrat zum 915. Mal. Bei der ersten Sitzung war der Große Krieg vorbei und man hatte auch eine Epidemie überstanden. Die Stadt ver­sank in Elend und Armut. Die Menschen hungerten und schickten ihre Kinder ins Aus­land, damit sie genügend zu essen bekommen.

Wenn man sich diese schreckliche Situation von damals vergegenwärtigt, erleichtert das den Umgang mit den Maßnahmen zur Bekämpfung der Epidemie und macht dankbarer und vielleicht ein wenig demütiger dahin gehend, wie gut es uns heute geht.

Mit einer solchen Dankbarkeit und mit dem Bemühen um eine immer konstruktive Kritik freue ich mich, die Verantwortung als Bundesrätin wahrzunehmen.

Eigentlich wollte ich heute nur zuhören und mich einfinden, aber als ich die Tagesord­nung und die vielen Gesetze zum Budgetbegleitgesetz gelesen habe, sind mir zwei aufgefallen, zu denen ich gerne ein paar Worte sagen möchte. Der Herr Kollege hat es vorhin auch schon erwähnt: das Abstimmungsspendegesetz 2020 – es ist ein kleines, symbolisches, aber wichtiges Gesetz für Kärnten. Danach möchte ich auch noch ein bisschen etwas zum COVID-19-Lagergesetz sagen. Gleich entschuldigen möchte ich mich und um Verständnis bitten, dass ich doch noch ein bisschen grün hinter den Ohren bin und recht viel von meinem Manuskript lesen werde.

Zum Abstimmungsspendegesetz: Wie der Herr Kollege gesagt hat, ist es auch 100 Jahre her, dass zwei Volksgruppen im heutigen Kärnten durch eine Abstimmung zusammen­gekommen sind. Das ist 100 Jahre her, aber eine wirkliche Zusammenkunft ist noch nicht ganz vollzogen.

Eine kleine Geschichte dazu: 2017 war ich im Zuge einer Sommerakademie zu Sprache und Macht – wie passend! – ein paar Tage im schönen Kärnten, in Koroška. In einer Pause nutzte ich die Gelegenheit und fuhr zum Baden an den Turnersee. Dort kam ich ins Gespräch und erfuhr, dass auf dieser schönen, nach Süden gerichteten Uferseite des Sees die sogenannten Deutschkärntner liegen – ich hörte das Wort zum ersten Mal – und dass vis-à-vis, auf der anderen Uferseite des Sees, die slowenischsprachigen Kärntnerinnen und Kärntner liegen.

Ich verstand das zuerst gar nicht und dachte, das ist eine Landesgrenze. Diese ist dort aber weit entfernt. Die Grenze zwischen den zwei Volksgruppen ist aber offenbar immer noch gezogen und prägt nach 100 Jahren immer noch den Kärntner Alltag, sogar den Badealltag. Daher ist es meines Erachtens auch immer noch wichtig, in die Integration beider – ja, beider – Volksgruppen zu investieren, denn Integration bedeutet die Herstel­lung einer Einheit, und ich möchte demokratiepolitisch und im Hinblick auf Minderheiten­rechte ergänzen: einer Einheit in Vielheit.

Unterschiedlichkeit ist eine Ressource, kein Hindernis; eine Ressource von Ideen, He­rangehensweisen und Konzepten. Sie erhöht die Kreativität im Sinne von Schaffenskraft und fördert Lösungskompetenzen. Erst Unterschiedlichkeit macht die Lebendigkeit einer Gemeinschaft aus und sie macht Demokratie schlechthin aus.

Unser Bundespräsident formulierte es kürzlich sehr positiv, er sprach davon, dass das „Aufeinanderzugehen“ in Kärnten schon weit besser gelungen ist und sich ein neues Zugehörigkeitsgefühl entwickelt hat. Dieser Prozess ist meiner Meinung nach aber noch nicht abgeschlossen. Daher ist es umso erfreulicher, dass der Nationalrat den Beschluss gefasst hat, das Zusammenleben und die kulturelle Vielfalt in den von der Abstimmung betroffenen Gebieten Kärntens weiterhin zu fördern, denn es geht nicht nur um die Ak­zeptanz von Sprache und Kultur, sondern auch um die Aufarbeitung historischer Ereig­nisse, von der Germanisierungspolitik bis zum nicht eingehaltenen Minderheitenschutz.

Dieses Gesetz ist auch ein kleiner Puzzleteil, den die Politik hier einfügt, aber viele Puzzleteile und viel Hinschauen ergeben ein großes Ganzes und sind Basis für eine lebenswerte und solidarische Gemeinschaft. Mögen wir in 100 Jahren kein solches Ge­setz mehr brauchen!

Ein paar Worte noch zum COVID-19-Lagergesetz: Wie wir wissen, war es im Ausnahme­zustand der letzten Zeit nicht immer leicht, Schutzausrüstung und medizinische Mate­rialien wie sonst üblich zu erhalten. Es gab Engpässe aufgrund von unterbrochenen Lie­ferketten und teilweise waren kritische Güter auf dem Markt nicht mehr verfügbar. Daher will der Bund die Länder durch ein Covid-19-Lager unterstützen. Das bedeutet, dass er zusätzlich zu den üblichen regionalen Beschaffungskanälen Schutzausrüstung und me­dizinische Verbrauchsmaterialen besorgt, lagert und verteilt.

Das Covid-19-Lager ist eine Krisenbevorratung. Wer könnte Personal und logistische Erfahrung für das Anlegen, Lagern und Verteilen der medizinischen Materialien gesi­chert bereitstellen? – Ich fragte mich das, weil ich mich fragte, warum das Bundesheer als geeignete Institution dafür angesehen wurde. Das Bundesheer ist laut Verfassung zu Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Um­fangs heranzuziehen. Es ist daher darauf ausgerichtet, in Krisensituationen schnell und effizient zu arbeiten, und genau das brauchen wir jetzt.

Einen Aspekt sehe ich hier aber noch zusätzlich: Beim Militär sind noch immer meist Männer eingesetzt, oft junge Männer. Diese werden im Zuge der Versorgungsarbeiten in Kontakt mit Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen – man sieht es gerade auch in Sankt Lorenzen – kommen und damit auch in Kontakt mit den Sorgen der Pflegearbeit und dem Leid der Kranken und der Alten. Dann stehen nicht mehr Waffen und Kampf im Vordergrund ihres Denkens und Handelns, sondern das Wissen um gegenseitige Ab­hängigkeit und die Erfahrung, wie wichtig es ist, Hilfe zu leisten.

In diesem Sinne, im Sinne der gegenseitigen Unterstützung, freue ich mich sehr auf die zukünftige Arbeit hier im Bundesrat mit Ihnen und danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

11.58

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke, Frau Kollegin.

Ich darf nun Herrn Bundesrat Ing. Eduard Köck ans Rednerpult bitten.