17.38

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit etwas Grundsätzlichem beginnen: Auch bei den gestern in der Regierungspresse­konferenz verkündeten Maßnahmen geht es um wesentliche Grundrechts- und Frei­heitseinschränkungen. Für viele Menschen bedeuten diese eine massive Belastung, so­wohl wirtschaftlich als auch psychisch. In einer solchen Situation ist es unabdingbar, dass man alle gesetzten Maßnahmen kritisch hinterfragt und auf Transparenz und Nach­vollziehbarkeit besteht.

Ihre Aussagen, Herr Bundeskanzler, wonach Sie sich keine Kritik wünschen, sind des­wegen demokratiepolitisch bedenklich und werfen die Frage auf, ob Sie sich des Ausma­ßes der gesetzten Handlungen bewusst sind. (Beifall bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Im Speziellen möchte ich auf einige Aspekte der Maßnahmen eingehen. Ich fange mit denen an, die wir positiv sehen – insbesondere damit, dass die Pflichtschulen wieder Regelunterricht anbieten. Für uns muss klar sein, dass auch in den Oberstufen möglichst rasch wieder Regelunterricht stattfinden soll, denn viele Schülerinnen und Schüler waren heuer schon sehr lange nicht mehr in der Schule. Über 37 000 Menschen haben die NEOS-Petition mit dem Ziel offener Schulen unterstützt und dazu beigetragen, dass die Schulen wieder diesen Regelunterricht anbieten. Dieser Öffnungsschritt ist ein gemein­samer Erfolg.

Als Nächstes komme ich zu einem Aspekt, den wir ambivalent sehen, nämlich zur Eva­luierung der Liste der Risikoländer im Anhang der Einreiseverordnung. Was Sie Einreise­beschränkungen nennen, ist ja nichts Neues, so eine Liste gibt es seit Anfang der Maß­nahmen im März.

Was wir immer kritisiert haben, ist, dass die Liste, die schon viele Novellen gesehen hat, offenbar nicht auf Kennzahlen basiert hat. Wir haben im Nationalrat parlamentarische Anfragen gestellt. Das ist eine Verordnung des Gesundheitsministers. Wir haben den Gesundheitsminister gefragt, auf welchen Kennzahlen die Einstufung der Länder als Risikoländer beziehungsweise auf der anderen Seite als sichere Länder beruht, genauso wie wir den Außenminister gefragt haben, auf welchen Kennzahlen seine Einteilung der anderen Staaten dieser Welt in Länder, die Reisewarnungen der Stufe 6, Stufe 5, Stufe 4 unterliegen, beruht, und wir haben keine konkreten Antworten auf die Frage bekommen, welche Kennzahlen dahinterstehen. Insofern ist es erfreulich, wenn jetzt erstmals Kenn­zahlen genannt werden, auf denen die Aufteilung der Länderliste basieren soll.

Jetzt haben Sie richtigerweise gesagt, dass unter anderem nordische Staaten – Norwe­gen, Finnland – sehr erfolgreich damit waren beziehungsweise dass es ein Puzzlestein beim Erfolg der Pandemieeindämmung in diesen Staaten war, dass sehr niedrige Grenz­werte für Siebentageinzidenzen in den Herkunftsländern der Einreisenden gesetzt wur­den, zum Beispiel 50 pro 100 000 in den letzten sieben Tagen. Was Sie aber nicht dazu­gesagt haben, ist, dass diese Länder selbst niedrigere Inzidenzen im Inland haben. Das bedeutet, die Schwelle für die Inzidenzen in den Herkunftsländern ist ungefähr in dersel­ben Größenordnung wie die Inzidenz im eigenen Land oder ein bisschen höher.

Anders hat es zum Beispiel die Schweiz gemacht, die anfangs auch mit diesem System einer starren Schwelle operiert hat. Dann hat die Schweiz im eigenen Land eine sieben­mal so hohe Schwelle gehabt und hat dann ihre Risikoländerliste dynamisch gestaltet, was bedeutet: Für die Schweiz kommt man aus einem Risikoland, wenn man aus einem Herkunftsland einreisen möchte, das eine um, glaube ich, 50 pro 100 000 höhere Inzi­denz als die Schweiz hat.

So wie es Österreich offenbar macht, dass es nämlich im Inland eine höhere Inzidenz gibt – in Wien beträgt sie ungefähr 200, österreichweit ungefähr 300; wir alle hoffen, dass sie noch deutlich gesenkt werden kann – und man dann sagt, ein Land gilt als Risikoland, wenn es dort eine nur halb so hohe Inzidenz gibt wie hier oder eine um zwei Drittel niedrigere, ist das nicht konsistent. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Eine wesentliche Komponente bei dieser Risikoländerliste ist, dass es ein regelmäßiges Update gibt. Im Sommer hat das gut funktioniert, da hat es teilweise wöchentliche Up­dates bei der Einteilung der Liste der Risikoländer und der sicheren Herkunftsländer für die Einreise gegeben. Das letzte Update, das es in Österreich gegeben hat, war am 15. Oktober; ich habe es mir gerade angeschaut. Das bedeutet, negative Entwicklungen, die es leider in vielen, auch europäischen Ländern gegeben hat, sind darin nicht abge­bildet.

Wenn diese neue Einreisebeschränkung funktionieren soll und wenn sie konsistent sein soll, dann kann es natürlich nicht so sein, dass man jetzt eine Risikoländerliste macht, die dann bis 7. Jänner unverändert gelten soll, sondern dann braucht es wöchentliche Updates und eine dynamische Anpassung an die österreichischen Inzidenzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zuletzt komme ich noch zu einem Punkt, den wir kritisch sehen: zu den wirtschaftlichen Aspekten. Bei den neuen Maßnahmen fehlt weiter die Planbarkeit für die Unternehmerin­nen und Unternehmer. Da hat es die Bundesregierung in neun Monaten nicht geschafft, einen langfristigen Plan auf den Tisch zu legen. Die Menschen müssen heute wissen: Wie müssen die Kennzahlen aussehen, damit aufgesperrt werden kann? Wann bleiben Betretungsverbote? Unter welchen Bedingungen kann geöffnet werden? – Es braucht Planbarkeit, die über sieben oder 14 Tage hinausgeht.

NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn hat in der vergangenen Woche drei Sze­narien für die heimische Wirtschaft, insbesondere für die Gastronomie sowie die Touris­mus- und Freizeitwirtschaft, präsentiert. Auch für diese Branchen hat die Regierung bis dato wenig beziehungsweise keine Planbarkeit geschaffen. Worauf man dabei auf kei­nen Fall vergessen darf: Das sind diejenigen Branchen, die zwar keinen Betretungsver­boten unterliegen, die aber keinen Umsatz machen – Stichwort Reisebüros.

Das Fazit ist: Die Bundesregierung vermittelt den Eindruck eines Schachspielers, der nicht weiter als bis zum nächsten Zug denkt. Sie vermittelt nicht nur Soundbite-Hiobsbot­schaften, sondern auch keine mittel- und langfristigen Perspektiven.

Die erratischen, Medienlogiken folgenden Einzelmaßnahmen, wie die Massentestankün­digung, sind kontraproduktiv für das gemeinsame Durchstehen dieser Krise. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

17.46

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundes­rat Andreas Arthur Spanring. – Bitte, Herr Kollege.