10.55
Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Bei der Beschlussvorlage handelt es sich um zwei Gesetzespakete, die auch getrennt abgestimmt werden. Einem Teil können wir Freiheitlichen zustimmen, weil es überwiegend positive Inhalte sind.
Ich fange einmal mit dem Positiven an, das betrifft etwa die Regelungen zur vereinfachten GmbH-Gründung, die auch elektronisch möglich wurde. Diese Regelung – sie hat sich auch tatsächlich in der Praxis bewährt – war befristet und soll nun ins Dauerrecht übernommen werden. Solche Regelungen sind sinnvoll – da stimmen wir Freiheitlichen zu. (Präsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)
Weitere Inhalte aus diesem Paket betreffen etwa die Mieten. Wie Sie sich vielleicht erinnern können, wurde anlässlich des ersten Lockdowns im Frühjahr auch als Gesetzespaket beschlossen, dass Mieten für mehrere Monate gestundet werden können. Dies sollte natürlich vor allem einmal jene Menschen absichern, die infolge von Kurzarbeit, infolge von Arbeitslosigkeit nach dem ersten Lockdown Schwierigkeiten hatten, ihre normale Wohnungsmiete zu bezahlen, weil es ja auch keine gesetzliche Grundlage dafür gibt, diese Mieten zu streichen. Es gibt keinen Rechtsgrund dafür, auf einmal nichts mehr zu bezahlen, und das war auch eine Regelung, die durchaus einen guten Ansatzpunkt hatte.
In diesem Gesetzespaket soll nun die entsprechende Frist verlängert werden. Somit wird keine neue Stundung geschaffen, sondern man schiebt sozusagen das Problem weiter vor sich her, weil es dem Vermieter eben vorläufig bis März 2021 jedenfalls nicht möglich sein soll, rückständige Mieten einzutreiben.
Was wird nach Ablauf der Frist passieren? – Natürlich wird die Zahl der Räumungsklagen ansteigen, Delogierungen werden zu erwarten sein. Wenn man aber schon sagt, im Frühjahr musste alles etwas schnell geregelt werden, dann haben Sie jetzt diese Ausrede nicht mehr, meine Damen und Herren von der Bundesregierung. Sie haben diese Ausrede deshalb nicht mehr, weil Sie jetzt über Monate Zeit hatten, sich für dieses erwartbare Szenario ein Konzept zu überlegen und klar zu sagen, wie denn in diese Mietverhältnisse eingegriffen werden soll.
Sie nehmen also offenbar weiterhin in Kauf, dass Sie jene Mieter, die sich das Geld sozusagen nicht zurückgelegt haben und dazu vielleicht auch gar nicht in der Lage waren oder überhaupt nicht verstanden haben, dass es sich nur um Stundungen handelt und das keine generelle Mietzinsbefreiung ist, nun hiermit in die Obdachlosigkeit und in die Armutsfalle treiben. Sie haben diesbezüglich kein Gesamtkonzept; hätten Sie es, würden Sie es nämlich mit diesem Gesetzespaket vorlegen. (Beifall bei der FPÖ.)
Bleiben wir beim Mietthema: Was in diesem Gesetzespaket auch nicht enthalten ist – das habe ich aber schon im Frühjahr in diesem Hohen Haus auch der Frau Justizministerin vorgehalten –, ist, dass wir auch keine gesetzliche Regelung für die Frage der Geschäftsraummieten haben. Es gibt eine gesetzliche Regelung, die im Wesentlichen besagt, die Mietzinsminderung steht für Geschäftsräume zu, wenn diese nicht zu dem bedungenen Zweck benutzbar sind. – Na ja, jetzt wissen wir aber, dass die Menschen, auch und vor allem die Unternehmer zu jeweils verschiedenen Zeitpunkten, Zeitabschnitten und in jeweils verschiedenen Branchen von den Coronamaßnahmen ganz unterschiedlich betroffen waren. Es gibt aber sehr wenig Judikatur zu der Frage, in welcher Höhe denn in solchen Fällen eine Mietzinsminderung tatsächlich gewährt werden kann.
Da wäre es eigentlich die Aufgabe Ihrer Bundesregierung, sich begleitend zu den Covid-Maßnahmen – es ist ja ein Justizbegleitgesetz, über das wir heute sprechen, also begleitend zu diesen Maßnahmen – auch gesetzliche Regelungen zu überlegen – und diese sogleich auch zu erlassen –, wie sich denn das auf die Frage der Mietzinsminderung auswirken wird. Das tun Sie nicht! Sie sagen: Na ja, das sollen sich dann die Zivilgerichte ausmachen, das sollen sich die Vermieter mit den Mietern bitte selbst ausmachen!, und das ist ein weltfremder Zugang, den wir Freiheitlichen nicht mehr nachvollziehen können. (Beifall bei der FPÖ.)
Ein ganz wesentlicher Teil des Gesetzespakets, dem wir nicht zustimmen, betrifft den Ausnahmezustand, den Sie auch in der Justiz ausgerufen haben. Sie beschäftigen die Gerichte damit, sozusagen mit dem Argument der Pandemiebekämpfung. Das betrifft verschiedene Regelungen, ich gehe da jetzt gar nicht ins Detail. Ihr Argument war damals: Es ist ja alles nur vorübergehend, die Regelungen sind ja befristet.
Mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluss verlängern Sie die Fristen von Ende 2020 grundsätzlich auf Ende 2021, also ein weiteres Jahr wird drangehängt – ohne Notwendigkeit. Es gibt bei den Gerichten ja Eingangskontrollen, wo Fieber gemessen wird, es gibt überall Desinfektionsmittelspender, es gibt auch genügend Platz in den Gerichtssälen. Wenn man sich anschaut, wo denn die Infektionen entstanden sind, wo es Clusterbildungen gegeben hat, dann sieht man, dass die Justiz, die Gerichte niemals auch nur ein wesentlicher Teil davon waren, nicht einmal ein signifikanter Teil; das gab es einfach nicht. Das heißt, Sie verlängern den Ausnahmezustand, obwohl es gar nicht notwendig ist.
Weitere Änderungen: Im Gesellschaftsrecht haben Sie Fristen für Hauptversammlungen von Kapitalgesellschaften einmal ins Gesetz geschrieben. Gut, das muss nicht unbedingt zu einem bestimmten Zeitpunkt 2020 stattfinden, das kann auch irgendwann später im Jahr 2020 sein, wenn es eben die Pandemielage erlaubt. Das war auch grundsätzlich verständlich. Nun verlängern Sie diese Regelung einfach einmal pauschal bis Ende 2021, beispielsweise für Vereine. Wir haben in Österreich sehr, sehr viele Vereinsmitglieder, Vereinsobleute, Funktionäre, die mit Leidenschaft ehrenamtlich oder vielleicht auch gegen Bezahlung in dieser Funktion tätig sind, und nun kommt wiederum eine neue Regelung dazu: Vereinsversammlungen können bis Jahresende 2021 verschoben werden, heißt es. „Eine davor ablaufende Funktionsperiode eines Vereinsorgans verlängert sich bis zu dieser Versammlung, sofern nicht früher dessen Abberufung oder eine Neubestellung erfolgt.“
Es müssen also keine Wahlen stattfinden: 2020 nicht, 2021 nicht. Und da muss ich schon sagen: Wenn die bisherigen Amtsträger einfach im Amt bleiben können, dann muss ich Ihnen vorhalten, dass solche Regelungen schon ein bisschen den Geist von Metternich atmen.
Wozu überhaupt noch Wahlen? Heute sind es Vereinsversammlungen, die wir verschieben, morgen sind es dann die Gemeinderatsversammlungen; der bisherige Bürgermeister bleibt dann einfach im Amt, wahrscheinlich weil es ohnehin einer von der ÖVP ist. Übermorgen wird dann das Parlament vertagt, natürlich zunächst befristet, weil die Pandemie es einfach erfordert und wir uns nicht gegenseitig anstecken wollen – bis sich dann die Menschen daran gewöhnt haben und die Regelung wieder ins Dauerrecht übernommen wird. Und die ÖVP mit den KomplizInnen der Grünen akzeptiert diese Regierungswillkür, je nachdem ob die beiden Helikoptereltern der Republik, Sebastian und Rudi, gerade ein Licht am Ende des Tunnels wahrnehmen wollen oder wieder jede Woche neu ausrufen, dass es sich bei den kommenden Wochen der Pandemiebekämpfung um die nun alles entscheidenden Wochen handeln wird. (Beifall bei der FPÖ.)
Meine Damen und Herren, damit komme ich schon zum Schluss. Unsere Kritik zielt darauf, dass das alles mit Evidenzbasiertheit nichts mehr zu tun hat. Es hat auch nichts mehr mit Planungssicherheit für die Rechtsanwender zu tun. Im Gegenteil, Sie zerstören jede Rechtssicherheit und Planungssicherheit! Auch mit einer Gesamtstrategie hat das nichts zu tun, weil Sie sich vor den wesentlichen Fragen drücken und einfach den Ausnahmezustand weiter prolongieren.
Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, kämpfen für und verlängern den Ausnahmezustand. Wir kämpfen für die Freiheit in dieser Republik und für die Rückkehr zur alten Normalität. (Beifall bei der FPÖ.)
11.03
Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.