12.17

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hass im Netz ist ein Phäno­men, das mittlerweile ein Ausmaß angenommen hat, das man als Gesetzgeber nicht mehr ignorieren kann. Und wer bei dieser Debatte reflexartig immer von einer Beschnei­dung der Meinungsfreiheit spricht, der möchte sich meines Erachtens nur einer wirklich ehrlichen Diskussion darüber entziehen.

Niemand möchte, dass kontroversielle Debatten im Netz nicht mehr möglich sind. Nie­mand will das, im Gegenteil: Kritische Auseinandersetzungen sind wichtig, gerade auch jetzt in einer Zeit der Pandemie, von der so viele Menschen betroffen sind und zu der viele auch eine Meinung haben und diese auch kundtun. Das ist wichtig. Eine kritische Auseinandersetzung wollen wir alle, die will niemand verbieten. Solche Diskussionen, bei denen Argumente auch hart aufeinanderprallen, hält unsere Demokratie schon aus. Also ein ganz klares Ja zu einer lebhaften Debatte – auch im Netz. (Beifall bei der ÖVP.)

Was wir aber bekämpfen müssen, und das ist ein riesiger Unterschied, sind Postings und Kampagnen, die nur darauf abzielen, Menschen niederzumachen. Da geht es nicht um Diskurs, da geht es nicht um eine sachliche Auseinandersetzung mittels Argumen­ten, sondern da geht es um Zerstörung, und das ist ein gesellschaftliches Riesenthema, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Reden Sie einmal mit Kindern und Jugendlichen! Fragen Sie sie, was sie beschäftigt, mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben, und Sie landen zu 100 Prozent beim Thema Cybermobbing. Es gibt zig Fälle, wo Jugendliche unter dem Druck, der online ausgeübt wurde, zerbrochen sind, und das Problem wird leider immer schlimmer.

Es gibt in Deutschland umfassende Studien dazu: 2017 ist erhoben worden, dass 12,7 Pro­zent der 12- bis 19-Jährigen Opfer von Cybermobbing gewesen sind. 2020, also drei Jahre später, waren es bereits 17,3 Prozent, also fast jeder fünfte Jugendliche hat direk­te Erfahrungen mit diesem Problem gemacht. Wenn dann etwas passiert, wenn einzelne Fälle auch in der Zeitung stehen, wenn Jugendliche sich in Alkohol und in Drogen flüchten oder sich vielleicht sogar etwas antun – leider gibt es auch diese Fälle ‑, dann ist die Empörung immer groß, aber die Möglichkeiten, sich gegen solche Angriffe schnell und effektiv zur Wehr zu setzen, waren bisher leider sehr begrenzt.

Eine Frage – meine Kollegin hat sie auch schon gestellt –: Haben Sie schon einmal ver­sucht, das Löschen eines anonymen Hasspostings bei Onlineplattformen zu beantra­gen? Ich kann Ihnen sagen: Das ist ein Dschungel. Sie werden im Kreis herumgeschickt und es ist eigentlich fast unmöglich. Jeder Betroffene verzweifelt an dieser Aufgabe.

Das kann es einfach nicht sein, denn die Onlineplattformen, Facebook, Twitter, Youtube und wie sie alle heißen, tragen natürlich Verantwortung dafür, welche Inhalte auf ihren Kanälen verbreitet und geteilt werden. Der Ansatz, dass man diese Onlinegiganten nun in die Pflicht nimmt, ist deshalb völlig richtig. Es ist auch notwendig, dass es klare Sank­tionen gibt, wenn diese Onlinegiganten die Kooperation verweigern.

Natürlich muss sich diese Regelung in der Praxis bewähren, wir müssen aber irgend­wann damit beginnen, vor allem Kinder und Jugendliche, die leider hauptbetroffen sind, zu schützen, und auch anderen Opfern von Hassattacken scharfe rechtliche Werkzeuge in die Hand zu geben. Diese Kampagnen dienen nicht der Meinungsfreiheit, sondern sie haben das Potenzial, Menschen zu zerstören und fertigzumachen. Da dürfen wir nicht zuschauen!

Geschätzte Damen und Herren! Es ist schade, dass die Freiheitlichen diesem Paket nicht zustimmen, unter anderem mit der Begründung, dass es bereits jetzt zivil- und strafrechtliche Möglichkeiten gibt, um Hass im Netz zu bekämpfen. Das stimmt, diese Möglichkeiten gibt es, zumindest in einem gewissen Umfang, was die derzeitigen Ge­setze aber nicht leisten – und das ist etwas ganz Entscheidendes –, ist Tempo beim Entfernen dieser Inhalte aus dem Netz. Jeder Tag, um den diese Inhalte früher aus dem Netz gezogen werden, ist ein guter Tag für die Betroffenen, das muss uns allen bewusst sein. Deshalb ist das vereinfachte Unterlassungsverfahren samt Möglichkeit zur soforti­gen Vollstreckbarkeit, das jetzt implementiert wird, so wichtig.

Ich möchte auch noch auf einen Kritikpunkt der SPÖ, der im Ausschuss genannt wurde, eingehen, nämlich dass wir mit dem Kommunikationsplattformen-Gesetz einen nationa­len Alleingang wählen, obwohl die Europäische Kommission mit dem Digital Services Act am Dienstag etwas vorgelegt hat, was in dieselbe Richtung zielt. – Das stimmt, es ist gut, dass sich die Europäische Union nach fast 20 Jahren Untätigkeit endlich dieses wichtigen Themas annimmt. Uns muss aber auch klar sein, dass der am Dienstag prä­sentierte Entwurf nur der Startschuss für ein langes Gesetzgebungsverfahren ist.

Dieses Paket geht von der Kommission ins Parlament und wird dort zwischen den EU-Staaten verhandelt. Wer in den vergangenen Tagen das Thema ein bisschen verfolgt hat, weiß, dass sich die Onlinegiganten bereits darauf vorbereiten, mit großen Lobbyis­tenarmeen möglichst großen Einfluss auf diesen Gesetzgebungsprozess zu nehmen. Es wird also ein langer Prozess, der uns bevorsteht, und auch der Experte im Ausschuss hat bestätigt, dass er damit rechnet, dass es frühestens in zwei Jahren ein Ergebnis geben wird.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, so lange sollten und dürfen wir im Sinne aller, die von Hass im Netz betroffen sind, nicht warten. Wir sind es ihnen schuldig, dass wir Nägel mit Köpfen machen. In diesem Sinne bitte ich um breite Zustimmung zu beiden Geset­zesvorlagen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.23

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.