17.05

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt auf den Geschmack gekommen, denn ich habe erfahren, dass man hier als Regierungs­mitglied oft reden kann. (Heiterkeit bei Grünen, ÖVP und SPÖ.) – Nein, keine Sorge, es wird jetzt nicht lange dauern. Aber ich bin ersucht worden, noch ein paar Informationen dazu zu geben, was der Stand der Dinge im Zusammenhang mit der Mutation ist. Ich mache das gerne, wenn das gewünscht wird und für alle von Interesse ist, und versuche, mich dabei kurz zu halten.

Mutationen haben wir beim Coronavirus schon viele gehabt. Auch der jetzige Stamm­virus, der Hauptvirus, ist einer, der schon eine Mutation darstellt. Nun ist diese örtliche Zuteilung, die es immer gibt, Britenvirus und so weiter, eigentlich ein Unsinn und eine Vereinfachung. Es ist halt der Ort, wo die entsprechende Variante zum ersten Mal festgestellt wurde. Großbritannien macht sehr, sehr viele Sequenzierungen, so wie Dänemark zum Beispiel, und deswegen war der Fund in Großbritannien. Das heißt nicht, dass er dort entstanden ist. Auch für den Südafrikavirus gilt dieselbe Erklärung.

Was wir sehen, ist, dass sich dieser Virus sehr, sehr schnell ausgebreitet hat. Er wurde erstmals im September in Großbritannien gefunden. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Reden wir nachher, Stefan, es ist gleichgültig. Sagen wir, er wurde in die­ser Region gefunden. Kompromiss? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)  Okay, gut.

In der Folge gab es bis Dezember eine sehr dramatische, schnelle Ausbreitung dieses Virus in – in diesem Fall – Großbritannien. Wir hatten die Situation, dass knapp vor Weih­nachten, am 21. Dezember, britische Wissenschaftler gemeinsam mit der britischen Re­gierung die Forschungsergebnisse auf den Tisch gelegt haben. Da ist klar geworden, dass das ein Riesenthema, ein Riesenproblem ist. Warum? – Weil die Ausbreitung in Großbritannien innerhalb von drei Monaten so schnell gegangen ist, dass am 20. De­zember der Anteil dieser Variation an den gesamten Neuinfektionen eines Tages in London bereits bei 60 Prozent lag.

Was ist der Unterschied? – Die gute Nachricht ist, dass der Krankheitsverlauf nicht an­ders ist. Es gibt keine höhere Todeshäufigkeit, aber es gibt eine höhere Viruslast, Infek­tionslast, das heißt, die Ansteckungswahrscheinlichkeit ist deutlich höher. Die Wissen­schaftler gehen mittlerweile von einer Bandbreite von plus 40 bis plus 70 Prozent aus. Das heißt übersetzt, dass der Reproduktionsfaktor um circa 0,5 höher wäre, wenn es eine absolute, völlige Durchdringung eines Landes mit dieser Variante geben würde.

Das würde bedeuten – wir sind jetzt bei einem effektiven Reproduktionsfaktor von knapp 1 –, dass wir auf 1,5 klettern, und das bedeutet übersetzt: Wenn ich jetzt bei einem Reproduktionsfaktor von 1,0 zehn Infizierte habe, dann stecken sie in der Real­situation zehn andere an. In der neuen Situation würde es bedeuten: Zehn Infizierte stecken 15 andere an. Das klingt banal und wenig, aber da kann dann natürlich in der Masse eine enorme Dynamik entstehen.

In Irland – und jetzt bin ich bei dir, Stefan – war die Situation so, dass Irland knapp vor Weihnachten das beste Land Europas war. Wir haben dazu ein bisschen einen Diskurs gehabt, aber ich glaube, wir schätzen das grundsätzlich ähnlich ein. Jetzt ist Irland allerdings eines der Länder, die europaweit betreffend Infektionszahlen an der Spitze stehen. Es hat in Irland eine Verzehnfachung der Infektionszahlen innerhalb von drei Wochen gegeben. So groß sind die Dramatik und die Dynamik, die dadurch entstehen können.

Wo in Europa gibt es mittlerweile weitere Funde? – Mittlerweile haben wir in fast allen europäischen Staaten erste Funde. In der Schweiz beträgt der Anteil – das wurde ges­tern publiziert – bereits 6 Prozent, in den Niederlanden beträgt der Anteil bereits 5 Prozent.

Wie schnell das geht, zeigt Dänemark. In Dänemark betrug der Anteil der neuen Varia­tion an den gesamten Neuinfektionen Ende November 0,2 Prozent, Ende Dezember betrug er bereits 2 Prozent. Das ist eine Verzehnfachung des Anteils innerhalb kürzester Zeit.

Um nach Österreich zu kommen – ein Punkt, der für uns noch wichtig ist –: Für die Slowakei wird der Anteil der neuen Variation an den gesamten Neuinfektionen im Augenblick auf bis zu 15 Prozent geschätzt. Da haben wir viele Pendlerinnen und Pendler. Ich weise jetzt keine Schuld zu oder sonst irgendetwas, sie haben keine Verant­wortung, sie sind alle Opfer. Deswegen sind wir immer davon ausgegangen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis diese Variante auch in Österreich auftritt.

Wir haben mittlerweile an die hundert Verdachtsfälle. Verdachtsfälle entstehen so, dass es eine Art Vorsequenzierung gibt, das heißt ein spezielles PCR-Verfahren, das fest­stellt, ob eine Mutation grundsätzlich vorhanden ist, und dann muss sequenziert werden. Das machen bei uns die Kollegen von der Akademie der Wissenschaften, super Profis im Übrigen – toll, dass wir solche Forscher und Wissenschaftler bei uns haben, die derzeit die Sequenzierungen dieser hundert Verdachtsfälle durchführen.

Das heißt, wir werden Mitte nächster Woche wissen, wie weit die Verbreitung tatsächlich schon ist. Uns sagen die Wissenschaftler, es wäre eine große Überraschung, wenn da sehr viele negative Proben dabei wären. Man geht also in der Wissenschaft davon aus, dass das Virus auch bei uns bereits angekommen ist, und derzeit läuft auf wissen­schaftlicher Ebene der Diskurs eigentlich in ganz Europa: Was bedeutet das für die Schutzmaßnahmen? Was müssen wir in dem Bereich intensivieren? Ihr alle habt viel­leicht gehört oder gelesen, dass es in Deutschland Planungen gibt, als eine Antwort darauf den FFP2-Masken-Schutz massiv auszubauen. Das ist derzeit der Diskurs, und darauf werden wir dann auch die Maßnahmen für die Zeit nach dem 24.1. aufbauen müssen. – Das ist die Information von meiner Seite. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.11