10.31

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Da­men und Herren, die Sie via Fernsehen oder Livestream zugeschaltet sind! Zu Kollegen Leinfellner – jetzt ist er leider nicht im Saal –: Ich schätze ihn an und für sich, aber wie er sich heute hierher gestellt und den Landeshauptmann beflegelt hat, nämlich auch seinen eigenen Landeshauptmann, das ist etwas, was der Würde dieses Hauses nicht dienlich ist und was sich hier eigentlich nicht gehört und ich aufs Allerschärfste zu­rückweise! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Schartel und Steiner-Wieser.)

Von den Inhalten will ich gar nicht reden, da sollten wir uns im steirischen Landtag treffen, da könnte ich jeden einzelnen sezieren und widerlegen, aber das mache ich dann mit Kollegen Leinfellner extra aus. (Bundesrätin Schartel: Aber sezieren ist auch kein gutes Wort, oder?!)

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie können mir glauben, es ist wirklich eine große Ehre für mich, heute hier stehen zu dürfen und ein paar Gedanken an Sie zu richten. Sie können sich sicherlich auch vorstellen, dass es nicht weniger aufregend ist, wenn man das vor dem Landeshauptmann, noch dazu vor dem eigenen Landeshauptmann, tun darf. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.) Ich möchte die Möglichkeit nutzen, etwas aufzugreifen, was Hermann Schützenhöfer in seiner Rede gesagt hat, nämlich seine Sorge, wenn es um die Tonalität in der politischen Debatte geht.

Ich habe unlängst gelesen, dass Politikerinnen und Politiker, die glauben, besonders gerissen sein zu müssen, sich an die Spitze der Empörten stellen, und das ist nachvoll­ziehbar. Dort sind sie für gewöhnlich vor Hass und Anfeindungen geschützt, aber genau dort passiert auch die Spaltung der Gesellschaft. Und unser aller Aufgabe hier herinnen, wie wir hier sitzen, ist es, über alle Parteigrenzen hinweg gemeinsam gegen diese Spal­tung anzukämpfen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Zwi­schenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Denn es soll nicht darum gehen, wer am Ende des Tages gerissener ist, sondern darum, wer besonnen und klug handelt; und klug ist es, die Stärken aller zu nutzen. Klug ist es, die Stärke, auch wenn es in dieser Zeit schwerfällt, der Europäischen Union zu nutzen, dieses großen gemeinsamen Raums, den ja nicht nur wirtschaftliche Interessen verbin­den, sondern dem ein gemeinsames Wertegerüst zugrunde liegt.

Gerade die Steiermark – und ich schaue da auch in Richtung unseres Präsidenten Chris­tian Buchmann – war immer wieder Vorreiter, wenn es um diesen Blick in die Europäi­sche Union, nach Europa ging, wenn es darum ging, Partnerschaften und Kooperationen zu suchen. Klug ist es, die Stärke der Bundesländer zu nutzen, bis in die kleinsten Re­gionen und in die Gemeinden hinunter. Ich habe es hier in diesem Haus schon mehrfach gesagt: Gerade die Gemeinden haben in den letzten Monaten in der Bekämpfung der Pandemie Großartiges geleistet, und ihnen gebührt unser aller Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Alle Genannten, von der Europäischen Union über den Bund bis zu den Ländern und Gemeinden, werden gefordert sein, gemeinsam gestärkt aus dieser Krise herauszukom­men und dann an den brennenden Fragen zu arbeiten. Auch diese wurden heute schon genannt: Wie werden wir unsere Wirtschaft wieder in Schwung bringen? Wie sichern wir Arbeitsplätze und schaffen wir neue? Wie sichern wir die Bildung unserer Jungen, um ihnen eine Zukunftschance zu geben? Wie sichern wir unser Gesundheitssystem? Es sind viele Herausforderungen, die wir nur gemeinsam bewältigen können.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin ja nicht nur Politiker – was ich sehr, sehr gerne bin –, sondern ich bin, wie die meisten wissen, auch Arzt, und in einem Krankenhaus ist es noch wichtiger, gemeinsam und verantwortungsbewusst für unsere Patientinnen und Patienten zu arbeiten, also Gutes zu tun. Was bedeutet jetzt aber verantwortungsbe­wusstes Handeln in der Politik? – Verantwortungsbewusstsein bedeutet für mich Ange­messenheit. Das ist natürlich in Anbetracht der derzeitigen Situation schwierig, es gibt keine Patentlösung für Angemessenheit, aber es gibt ein paar Ansätze, die ich mir denke.

Zum Ersten: Lassen wir nicht zu, dass wir uns von unserer eigenen Erregtheit hinreißen lassen, behalten wir einen kühlen Kopf!

Zum Zweiten: Arbeiten wir, und das ist mir besonders wichtig, gemeinsam an einer Ab­rüstung der Worte, die man sich sonst zu oft gegenseitig an den Kopf wirft!

Und zum Dritten, und auch das ist wesentlich: Seien wir genau, auch wenn uns dadurch vielleicht das eine oder andere Mal eine Schlagzeile verloren geht!

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir leben in einer Zeit, in der die unterschiedlichen Systeme – Politik, Wissenschaft, Wirtschaft – extrem hart aufeinanderprallen und so öf­fentlich sind wie nie oder selten zuvor, und genau aus diesem Grund werden sie auch so oft missverstanden wie selten zuvor. Jetzt kann man die Frage stellen: Wer ist daran schuld? Ist es die Wissenschaft? Sind es die Medien?

Ich sage: Nein, das wäre zu einfach, die funktionieren auch nach ihren Regeln und müs­sen das tun, um bestehen zu können. Ist es die Politik, die einzig und allein an allem schuld ist, weil sie von einem Worst-Case-Szenario ausgeht oder dieses zumindest ein­kalkuliert? – Nein, auch das wäre zu kurz gegriffen. Politik hat die Pflicht, jedes einzelne Menschenleben zu schützen – alles andere wäre verantwortungslos, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von Grünen und SPÖ.)

Ich denke, dass ein wesentlicher Grund für viele Missverständnisse darin liegt, dass, wie ich vorhin schon erwähnt habe, Systeme, die in Nichtpandemiezeiten weniger Berührung miteinander haben, nun knallhart aneinanderprallen, und das wird eben in dieser Pande­mie so deutlich. Da wird nichts abgefedert, alles ist für jeden zu jeder Zeit sicht- und hörbar.

Durchsicht hat nicht mit Einsicht verwechselt zu werden. – Das ist ein grandioser Satz, den ich vor mittlerweile gut sechs, sieben Jahren in der „Frankfurter Allgemeinen Zei­tung“ gelesen habe und der letzten Endes nichts anderes besagt als: Nur weil ich mehr Möglichkeiten zur Durchsicht von Informationen habe, komme ich nicht zwingend zu den richtigen Einsichten. Diese Einsicht ist aber wichtig, weil Einsicht meiner Meinung nach die Grundlage der Zuversicht ist, der Zuversicht, die wir so dringend brauchen, um aus dieser Krise herauszufinden.

Ich sage Ihnen eines, meine Damen und Herren, und das sage ich jetzt als Arzt: Diese Zuversicht ist genauso wichtig wie jeder Impfstoff. Diese Zuversicht unterliegt auch kei­nen Produktionsengpässen, sie wird einzig und allein von uns selbst limitiert. Ich denke mir das oft, weil wir uns von unseren Sorgen und Ängsten mehr treiben lassen, als wir mutig nach vorne schauen.

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer hat in seiner Rede den steirischen Weg skizziert, den Weg des Miteinanders, bei dem zwei staatstragende Parteien, wie er schon so oft gesagt hat, gemeinsam Verantwortung übernommen haben – bei aller Un­terschiedlichkeit, die es gibt, und das ist auch wichtig.

Es ist auch das Beispiel der Gemeindestrukturreform gefallen. Die Gemeindestrukturre­form war das Gegenteil von Populismus. Sie war mutig, und sie wurde aus der tiefen Überzeugung heraus geboren, dass sie richtig ist, auch wenn sie viele ursprünglich für falsch gehalten haben. Sie wurde aus der Zuversicht heraus geboren, das Land gemein­sam noch weiter nach vorne zu bringen.

Mein Wunsch ist, meine Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: Möge unser Umgang mit der Coronakrise ebenfalls als erfolgreiches Beispiel für Mut und Zusammenhalt in Erinnerung bleiben! Ich für meinen Teil bin zuversichtlich, dass es so sein wird. Ich sage Danke, bleiben Sie gesund, und ein herzliches steirisches Glückauf! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.40

Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile es ihr. – Bitte, Frau Bundesrätin.