12.27

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Berg kreißte, und ein Mäuslein ward geboren. – So kann man den Leitsatz dieses Bundesgesetzes vielleicht umschreiben.

Ich möchte noch kurz auf den Titel eingehen: „Mietzinsrechtliches Pandemiefolgenlinde­rungsgesetz“ wird es genannt, das ist natürlich ein unehrlicher Titel. Warum haben denn viele Mieter jetzt ein Problem? – Na ja, weil sie oft unverschuldet arbeitslos geworden sind oder weil sie ihrem Gewerbe nicht mehr nachkommen können. Daher haben sie Probleme damit, ihre Miete zu bezahlen.

Warum ist das so? Ist das wegen der Pandemie so? – Nein! Das ist wiederum nur dieser Spin dieser türkis-grünen Bundesregierung, dass man sagt: Na ja, wegen der Pandemie haben die Mieter jetzt ein Problem. Das ist aber nicht so. Schauen Sie sich andere Län­der an, Schweden, Florida, viele andere: Dort wurde die Wirtschaft niemals mit überbor­denden und unverhältnismäßigen Maßnahmen an die Wand gefahren. Dort lebt man ohne Masken, ohne Einschränkungen, fast wie vor der Pandemie. Und dieser Blick über den Tellerrand ärgert Sie natürlich, ist ein Ärgernis, weil man als mündiger Bürger ver­gleichen kann, wie sinnvoll andere Länder während einer weltweiten Pandemie regiert werden und welche desaströsen Entwicklungen hier durch das Regime von Bundes­kanzler Kurz zu verantworten sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Man sollte es also nicht Mietzinsrechtliches Pandemiefolgenlinderungsgesetz nennen, sondern man sollte es Mietzinsrechtliches Anschobers-Maßnahmen-Linderungsgesetz nennen. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Sie schließen ganze Wirtschaftszweige über Wochen und Monate, Sie entziehen dann den Menschen den Entschädigungsan­spruch nach dem Epidemiegesetz, der seit den Siebzigerjahren immer im Gesetz stand. Dann gängeln Sie die Menschen mit einem bürokratischen Förderwesen, das nur ÖVP-Bürokraten entsprungen sein kann. Und dann wundern Sie sich, wenn Unternehmer keinen Ausweg mehr sehen, Arbeitnehmer freistellen müssen, teilweise dann auch nicht mehr die Kurzarbeit in Anspruch nehmen können oder wollen, sondern Arbeitnehmer freistellen müssen und vielfach auch selbst gar nicht mehr wissen, wie sie ihren Lebens­standard aufrechterhalten sollen.

Dann stehen Sie vor diesem selbst geschaffenen Problem einer unglaublichen Rekord­arbeitslosigkeit in unserem Land, sodass viele Mieter von Wohnungen und Geschäftslo­kalen nicht mehr wissen, woher sie das Geld für die Miete nehmen sollen.

Was tun Sie mit dem Gesetz, was ist der Zweck? – Ich zitiere aus dem Ausschussbericht: „Nun soll aber im Hinblick auf die wirtschaftlichen und sozialen Belastungen, die die COVID-19-Pandemie für große Teile der österreichischen Bevölkerung mit sich bringt, bei den Mietzinsen eine Erleichterung für die Mieter in der Weise herbeigeführt werden, dass die an sich heranstehende Erhöhung durch eine gesetzliche Maßnahme gleichsam um ein Jahr verschoben wird.“ Ihre Antwort ist also, dass durch die einmalige Ausset­zung der Inflationsanpassung die Situation für Mieter nicht schlimmer werden soll.

Gilt das für alle Mieter? – Nein, wir haben es schon gehört, natürlich gilt das nicht für alle Mieter, sondern nur für diejenigen Mieter, deren Mietzins ohnehin schon gesetzlich gere­gelt und gedeckelt ist: für die Kategoriemieter, für die Richtwertmieter, aber nicht für die beachtliche Zahl an Mietern in unserem Land, deren Verträge nach den Regeln der frei­en Mietzinsbildung abgeschlossen wurden.

Jetzt sagen Sie vielleicht: Na ja, wir haben ja im 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz auch Stundungsregelungen geschaffen. Die laufen aber mit 1.4. aus, die laufen in zwei Tagen aus. Was tun Sie jetzt? Viele Leute wussten ja nicht einmal, was Stundung überhaupt bedeutet. Sie haben sich gedacht, na ja, gut, jetzt müssen sie einmal keine Miete zahlen. Ist das realistisch, dass alle Mieter, die diese Stundungen in Anspruch genommen ha­ben, nach nun mittlerweile einem Jahr der Pandemie und angesichts Ihrer Maßnahmen drei Monatsmieten zurückgelegt haben und das jetzt bezahlen können? Glauben Sie, dass das lebensnah ist?

Mit dieser lebensfremden Politik treiben Sie die Mieter in teure Mietzins- und Räumungs­verfahren hinein und fördern damit zu allem wirtschaftlichen Übel der Arbeitslosigkeit nun auch noch die Obdachlosigkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

Und wenn wir schon einmal dabei sind, dass Sie teure Gerichtsverfahren fördern, die ja für die Menschen auch eine persönliche Katastrophe sind, weil Kosten anfallen, weil man nicht weiß, wie das Ganze ausgeht, und weil sich das Ganze über Monate oder Jahre hinzieht: Was ist eigentlich mit den Gewerbemietern? – Da gibt es Regelungen im ABGB, Sie kennen sie alle, § 1096 ABGB, § 1104, § 1105 ABGB. Frau Justizminister, Sie haben, glaube ich, schon einmal selber gesagt, dass Sie da die Rechtsansicht ver­treten: Ja, darauf kann man sich als Mieter ja durchaus berufen, das kann man auch nicht vertraglich abbedingen, und dann kann man ja seinen Mietzins mindern. Das ist im Gesetz auch ganz schön geregelt, das ehrwürdige ABGB sieht das ja schon vor.

Jetzt haben wir aber keine Judikatur zu diesen Regelungen in der Pandemie, wenn es nicht um Betriebsschließungen geht, bei denen der Mieter ganz genau weiß, dass er den Raum überhaupt nicht verwenden kann. Wir haben ja jetzt die Situation, dass man den Raum dann vielleicht teilweise nutzen kann. Man kann sein Restaurant oder seine Gast­stätte vielleicht nicht gar nicht nutzen, sondern man kann Take-away anbieten, man kann den Leuten das Essen quasi aus dem Fenster reichen. Man wird also vielleicht die Küche verwenden können, aber für den riesigen Gastwirtssaal mit vielleicht 200 Sitzplätzen, wo die Menschen üblicherweise sitzen, hat man überhaupt keine Verwendung mehr. Was ist denn dann die angemessene Mietzinsreduktion, meine Damen und Herren? Wissen Sie es? Es gibt keine Judikatur dazu. Woher denn auch? Solch eine Situation, solche Regelungen hat es noch nie gegeben.

Unternehmer haben also die Wahl, sich mit dem Vermieter über eine Mietzinsreduktion zu einigen. Das ist sicher die bevorzugte Lösung, das möchte jeder, denken Sie aber doch einmal einen Schritt weiter: In sehr vielen Fällen wird es nämlich so sein, dass diese Einigung einfach nicht erzielt werden kann, weil der Vermieter natürlich sagt: Nein, du kannst ja dein Lokal weiter nutzen! – Vereinfacht gesagt. Ich habe jetzt als Beispiel die Gastwirte angeführt, aber das betrifft ja fast jede Branche. Das betrifft das Handels­gewerbe genauso wie Tourismusbetriebe, Dienstleistungsbetriebe, ja fast jeden Betrieb, den Sie schon seit Monaten mit Ihren Maßnahmenverordnungen gängeln. Und all diese Branchen stehen vor ihrem persönlichen Problem: Na ja, wie viel kann ich denn jetzt an Mietzins mindern? Was ist denn die korrekte Mietzinsminderung? – Wissen Sie es? Sa­gen Sie es den Leuten? – Nein, Sie sagen es ihnen nicht. Sie sagen: Na ja, da wird es dann halt irgendwann einmal Entscheidungen geben. Das ist Ihr Zugang.

Jetzt wird es aber noch besser: Ich habe als Mieter dann zwei Optionen: Ich finde keine Einigung mit meinem Vermieter, dann kann ich die Krot schlucken, zahle einfach weiter meine Miete und akzeptiere das. Und die zweite Option ist: Ich nehme eben das teure Gerichtsverfahren in Kauf. Die erste Option wird den Unternehmen aber sogar noch genommen. Viele Unternehmer haben überhaupt nicht die Möglichkeit, zu sagen: Ich schlucke die Krot und zahle meine Miete weiter. Warum nicht? – Weil Ihre Cofag, diese Förderagentur, auf Grundlage der Richtlinien Ihrer Bundesregierung den Menschen ge­radezu aufträgt: Du musst als Mieter Maßnahmen setzen, um deine Mietlast zu verrin­gern. Warum? – Weil das sonst eben als Fixkostenzuschuss mitgefördert werden muss. Das sind Ihre Richtlinien. Sie treiben also die Leute bewusst in teure Gerichtsverfahren hinein. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man dann die Vertreter Ihres Ressorts im Ausschuss fragt – die können ja nichts dafür, ich frage ja nur die Experten, die Sektionschefs, die dafür verantwortlich sind –: Haben Sie sich dazu etwas überlegt? – Überlegt haben wir uns schon etwas dazu, aber das bräuchte natürlich irgendwelche breite politische Mehrheiten und überhaupt einmal den Willen dazu. Das ist alles so furchtbar kompliziert, und es wird ja ohnehin einmal Entscheidungen der Gerichte geben. Das ist, vereinfacht gesagt, die Linie des Ressorts: Da machen wir nichts. Da müsste es, nach Ansicht des Ressorts, auch eine Gesetzesan­passung oder eine Regelung geben, das könnte man nicht mit Verordnung machen. – Das bezweifle ich zwar, weil Durchführungsverordnungen ja auch immer möglich sind, durchaus auch zum ABGB. Warum nicht? Sie wollen es nicht, Sie sagen, das wird einmal die Judikatur klären.

Dann gibt es vielleicht in ein paar Monaten einmal eine Entscheidung des Obersten Ge­richtshofes, aber hilft die wirklich weiter? Das gilt ja dann wieder nur für eine Branche und für diese spezielle Situation dieses einen Unternehmers, der die Geschäftsmiete reduziert hat. In diesem einen Fall wissen wir dann, ob das korrekt war und welcher Richtsatz gilt. Es wäre Aufgabe des Justizressorts, für alle Branchen, die Sie mit den Maßnahmen monatelang gequält haben, auch entsprechende Begleitregelungen zu er­lassen und klar zu sagen: Eine Mietzinsreduktion von 30, 40, 50, 60, 70 – was auch immer – Prozent ist angebracht.

Aus Ihrem Hause hört man nichts, und daher, meine Damen und Herren, kann ich wieder nur wie zu Beginn schon sagen: Der Berg kreißte, ein Mäuslein ward geboren. „Auf halben Wegen und zu halber Tat / Mit halben Mitteln zauderhaft zu streben.“ – Das ist das Motto Ihres Justizressorts. Mit einem kleinen Pflasterchen versorgen Sie hier die klaffenden Messerstichwunden, die die Politik dieser Bundesregierung den Mietern zu­gefügt hat. (Beifall bei der FPÖ.)

12.36

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl-Arthur Arla­movsky. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.