14.48

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her! Heute fällt der Startschuss für das neue Homeofficepaket. Mit der heutigen Rege­lung schaffen wir es – endlich, möchte ich sagen –, eine lang angekündigte Homeoffice­regelung gesetzlich zu verankern. Es hat ein Jahr Pandemie gebraucht, um eine Lösung für das Homeoffice zustande zu bringen, und jetzt wird diese mit der Abstimmung im Bundesrat endlich Realität.

Es ist uns noch gut in Erinnerung: Bereits letztes Jahr nach dem Sommer und auch hier im Bundesrat hat Frau Bundesministerin Aschbacher bekannt gegeben, dass es eine Regelung geben wird. Am 18. September begannen dann die ersten Gespräche mit den Sozialpartnern. Im Vorfeld haben sich die Sozialpartner erfolgreich auf die neuen Rah­menbedingungen geeinigt – wieder, wie so oft in dieser Pandemie, ein großer Erfolg der Sozialpartnerschaft. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grü­nen.)

Obwohl die Einigung schon vor Weihnachten erfolgte, stand das Finanzministerium sehr lange auf der Bremse. Das Paket der Sozialpartner drohte noch einmal aufgeschnürt zu werden. Erst nach einem Aufschrei der Gewerkschaften und der Arbeiterkammern gab das Finanzministerium die Blockadepolitik auf. Am Ende des Tages konnte ein wirklich gutes Paket für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch für die Arbeitgeber erreicht werden.

Ich brauche die einzelnen Punkte jetzt wirklich nicht mehr aufzuführen. Frau Bundesrätin Eder, Sie haben das so wunderbar beschrieben – ersparen wir uns die Zeit. Trotzdem würde ich ganz gerne noch auf ein paar Punkte eingehen, die im Zusammenhang mit dem Thema Homeoffice ganz wesentlich sind.

Ich darf mit dem Schlagwort beginnen: Mit Betriebsrat fahren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch im Homeoffice besser. Es ist ein riesengroßer Vorteil für Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer, in Unternehmen mit Betriebsrat zu arbeiten, denn Home­office kann in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden – auch was zum Beispiel die Themen Geräte- und Netzwerksicherheit, Kontrolle und so weiter anbelangt. Das bringt zusätzliche Vorteile. Hintergrund ist, dass es in Betrieben mit Betriebsrat bessere und transparentere Lösungen für alle gibt. Das hat sich in der Coronapandemie nicht nur beim Thema Homeoffice, sondern auch bei anderen Themen ganz klar gezeigt. Damit zeigt sich einmal mehr: Auch im Homeoffice fahren Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer mit Betriebsrat eindeutig besser. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Mustervereinbarung wird von den Sozialpartnern zur Verfügung gestellt. Wichtig ist jetzt, dass wir klare Regelungen haben, denn Homeoffice – auch das hat Bundesrätin Eder schon ganz richtig gesagt – ist gekommen, um zu bleiben. Vier von zehn Beschäf­tigten in Österreich haben seit Ausbruch der Coronapandemie immer wieder im Home­office gearbeitet. Galt Homeoffice vor der Krise oft noch als Ausnahme, ist es klar, dass viele Unternehmen auch in Zukunft auf das Büro zu Hause setzen werden.

So erfreulich es ist, dass dieses Homeofficepaket jetzt kommt, so hat Homeoffice doch auch seine Schattenseiten. Auch wenn derzeit, gerade in der Krisensituation, natürlich viele Menschen mit Homeoffice zufrieden sind, gibt es Gefahren – und oft sehr unter­schätzte Gefahren. Die Gefahr kann sein, dass es mit der Zeit zu einer schleichenden Aushöhlung von Regelungen kommt. Der Druck auf die Arbeitnehmer und Arbeitnehme­rinnen wird größer werden, weil Unternehmen – und auch das merken wir bereits – na­türlich die Kosten senken wollen.

Weitere Problemfelder sind die wirkliche Abtrennung von Arbeitszeit und Freizeit, die Erreichbarkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Rufbereitschaft, die Einhaltung von Mindestruhezeiten von zumindest 11 Stunden zwischen der Arbeitsniederlegung und der Arbeitsaufnahme, Arbeitszeitaufzeichnungen – 40 Prozent erklärten, dass sie im Homeoffice jetzt mehr gearbeitet haben als davor –, die ergonomische Gestaltung von Tischen und Stühlen, die Einhaltung von Bildschirmpausen. Wir wissen es alle – ich glaube, Sie alle haben es auch erlebt –: Im Homeoffice neigt man dazu, Pausen nicht einzuhalten.

Es gibt viele offene Fragen, und es stellen sich, ganz wertfrei, beim Thema Homeoffice auch Fragen, auf die es aktuell noch keine abschließenden Antworten gibt. Wir sind dabei, zu beobachten, und sie müssen dann beantwortet werden, aus unserer sozialde­mokratischen Sicht im Sinne der ArbeitnehmerInnen:

Wie können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer richtig digitalisierungsfit werden? Das heißt, man muss sich nicht nur in der digitalen Welt zurechtfinden können, sondern auch auf seine Gesundheit schauen. Warum? Im Homeoffice sitzt man nämlich länger und durchgehender ohne Pause vor seinem Bildschirm als im Büro, und das schlägt sich noch stärker auf die Gesundheit nieder. Schlagworte wie beispielsweise Officeeyesyn­drom, digitale Lähmung, digitaler Stress, digitale Balance oder Fear of missing out ma­chen vor Homeoffice nicht halt, sondern im Gegenteil.

Die Mehrfachbelastung von Frauen muss angesprochen werden. (Beifall bei der SPÖ.) Wir wissen aus vielen Studien, dass Homeoffice nicht zu einer gerechteren oder besse­ren Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit geführt hat. Im Gegenteil: Wir wis­sen, dass Frauen, die in der Pandemie im Homeoffice gearbeitet haben, noch 2 Stunden mehr Haushalts- und Betreuungstätigkeiten geleistet haben. Ganz klar muss gesagt werden: Homeoffice kann nicht das Kinderbetreuungsangebot ersetzen.

Eine weitere Frage und Gefahr ist: Wie sieht es im Fall von Krankheit und Arbeitsun­fähigkeit aus? Schalte ich den Computer trotzdem ein? Die Entscheidung darüber, ob eine Krankheit und eine damit verbundene Arbeitsunfähigkeit vorliegt, trifft der Arzt, die Ärztin. Liegt Arbeitsunfähigkeit oder eine Erkrankung vor, darf der Arbeitgeber nicht er­warten, dass im Homeoffice gearbeitet wird. Was, wenn es dann doch erwartet wird? (Beifall bei der SPÖ.)

Wie schaut es mit den Kontakten zu den ArbeitskollegInnen in der Abstimmung, in der Teamarbeit aus? Das alles ist ja ein ganz wesentlicher Teil erfolgreicher Arbeit. Und: Wie schaut es am Arbeitsplatz aus? – Stichwort Desksharing oder flexibles Office. Wie schaut es denn bei den Menschen daheim in der 40-Quadratmeter-Wohnung aus: Homeoffice am Küchentisch, Kinderbetreuung, alles auf einmal?

Die Zukunft wird Homeoffice bedeuten, aber auch Präsenzarbeiten. Das heißt, wir ste­hen vor der Herausforderung des hybriden Arbeitens – die Mischvarianten werden es sein. Das bedeutet ganz große Herausforderungen auch für die Führungspersonen. Zu lernen, im Homeoffice oder in den verschiedenen Varianten, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Hause oder vor Ort im Betrieb sind, zu führen, das wird eine ganz, ganz große Herausforderung und ein Lernprozess für alle.

Mit dem Homeofficepaket wird die Möglichkeit eines möglicherweise dauerhaft veränder­ten Arbeitens vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaffen. Auch Sie haben es schon gesagt, Frau Bundesrätin Eder: Lange Wegzeiten werden wegfallen. Das kann eine Möglichkeit sein, zum Klimaschutz beizutragen. In Wahrheit aber beginnt unsere wichtigste Arbeit erst jetzt mit dem Homeofficepaket. Die Sozialpartner werden mit dem Arbeitsinspektorat Informationsmaterialien zu Gefahren und Problemfeldern entwickeln, für die verpflichtende Arbeitsplatzevaluierung soll es für das Homeoffice eine Mustereva­luierung geben. Damit sollen mögliche belastende Faktoren bei der Arbeit in der eigenen Wohnung aufgespürt und verhindert werden. Eines ist und bleibt dabei immer noch klar: Mit Betriebsrat fahren die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch im Homeoffice besser.

Jetzt freuen wir uns absolut über die Regelungen, darüber, dass wir sie heute beschlie­ßen können, und wissen gleichzeitig, dass wir am Beginn einer großen Veränderung in der Arbeitswelt stehen.

Ich möchte Ihnen noch gerne eine Kleinigkeit mitgeben, Herr Bundesminister. Sie haben in einer Aussendung geschrieben: Kocher hebt Arbeitszeitregelung auf – für das Ge­sundheitspersonal, im Zusammenhang mit Impfungen. (Bundesminister Kocher: Habe ich nicht!) Jetzt ist natürlich das Bekenntnis: Impfen, impfen, impfen, wir wollen, dass möglichst rasch geimpft wird!, aber, Herr Bundesminister, sprechen Sie mit der Gewerk­schaft, sprechen Sie mit den Arbeiterkammern! Das muss abgesprochen und geregelt werden. Und vor allen Dingen: Die KollegInnen im Gesundheitsbereich sind bereits jetzt am Limit und am Rande ihrer Möglichkeiten, sie sind schwerst und überbelastet. Wir haben für sie geklatscht – das Klatschen haben wir jetzt bereits vergessen –, aber sie haben nicht die Anerkennung erhalten, die wir für sie gefordert haben. Den Coronatau­sender gibt es bis heute nicht. Herr Bundesminister, einfach so in Schutzbestimmun­gen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzugreifen ist wahrlich kein kluger Schritt! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.57

Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Andrea Michaela Schartel. – Bitte, Frau Kollegin.