20.01

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Schwarz-Fuchs hat wie immer die vorliegenden Gesetzesmaterien sehr präzise erklärt, sodass ich mir sehr viel Arbeit und Wiederholungen erspare.

Insgesamt ist zu sagen, dass die Reformen im Exekutionsrecht großteils begrüßenswert sind. Da Sie schon eingehend geschildert haben, was drinnen steht, komme ich jetzt eher auf die Kritikpunkte zu sprechen.

Ein Wermutstropfen ist schon die Gebührenerhöhung, die hier auch beschlossen werden soll. Ich habe schon öfters darauf hingewiesen, dass die Gerichtsgebühren in Österreich übermäßig hoch sind und wir überall dort, wo die Gebühren höher als der Kosten­deckungsbeitrag sind, in Wahrheit Steuern einheben. Das ist nun schon etwas unsauber, und diese Vermischung ist verfassungsrechtlich einfach bedenklich. Ich möchte einmal mehr darauf hinweisen, dass wir wirklich eine ganz saubere, exakte Trennung zwischen Steuern und Gebühren vornehmen müssen. Gerade im Justizwesen besteht diesbe­züglich einfach eine ganz große Schwachstelle, und das muss man sich näher ansehen.

Begrüßenswert ist aber auch, dass das von meiner Vorrednerin angesprochene sozu­sagen bisher coronabedingte Provisorium, wonach eben Opferschutzeinrichtungen bei sexueller Gewalt und in diesem Zusammenhang stehenden Deliktsgruppen auch Ver­tretungshandlungen vor Gericht vornehmen dürfen, nun ins Dauerrecht übernommen wird. Das ist begrüßenswert, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt viele Bereiche, die jetzt lockdownbedingt, pandemiebedingt als Provisorien eingeführt und zum Teil verlängert wurden, andere aber nicht.

Was bis jetzt noch nicht verlängert wurde, ist dieses vereinfachte Unterhaltsverfahren. Vielleicht, Frau Ministerin, sagen Sie dann auch noch etwas dazu, ob Sie eh vorhaben, zu verlängern, dass nämlich Unterhaltsvorschüsse auch dann geleistet werden, wenn noch nicht erfolgreich Exekution geführt worden ist, wobei insgesamt – und darauf weise ich auch noch einmal mehr hin – ein System der Unterhaltssicherung noch besser wäre. Kollegin Gerdenitsch hat heute diesbezüglich ja auch schon einen Antrag eingebracht. Auch da besteht also akuter Handlungsbedarf, weil es Kinderarmut in Österreich eigent­lich nicht mehr geben darf und diese der Vergangenheit angehören sollte. Und dazu könnten wir auch im Justizwesen einen Beitrag leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun aber zur Causa prima in diesen Tagen. Sehr viele Rednerinnen und Redner haben schon darauf Bezug genommen, weil es uns einfach allen unter die Haut geht, was hier in Österreich passiert, nicht erst in diesem Jahr, muss man sagen, aber in diesem Jahr ganz besonders: elf schreckliche Frauenmorde allein in diesem Jahr in Österreich, allesamt im engsten Familien- und Bekanntenkreis verübt, mutmaßlich durch ehemalige Lebenspartner; mutmaßlich muss man sagen, weil naturgemäß die Verfahren ja noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind.

Alle Taten haben aber gemeinsam, dass sie unmittelbar nach oder im Zusammenhang mit Trennungen begangen wurden. Wenn sich also eine Frau entschließt, sich von ihrem Partner zu trennen, eine Scheidung einreicht, Anzeige erstattet, aus dem gemeinsamen Haushalt auszieht, Hilfe sucht – in all diesen Situationen beginnt für sie die gefährlichste Zeit. Psychologinnen und Psychologen sagen uns, dass hinter diesem gestiegenen Gewaltpotenzial oftmals patriarchale Einstellungen und Denkmuster stehen. Besitz­denken, Eifersucht, Angst vor Verlust von Macht und Kontrolle sind einfach der Nähr­boden für Aggressionen und Gewalt gegen Frauen, die letztendlich allzu oft in Morden enden.

Da ist akuter Handlungsbedarf gegeben und an allen Hebeln zu drehen, unmittelbar im Justizwesen selbst, aber auch darüber hinaus auf der Ebene des Bewusstseins in allen Lebensphasen, beginnend schon bei den Jüngsten, wenn friedliche Konfliktlösungs­mechanismen vermittelt werden sollen und insbesondere Burschen durch positive Rollenvorbilder gezeigt wird, wie man gewaltfrei durchs Leben kommt. Hier haben alle die Verantwortung, als positive Rollenvorbilder zu dienen, vor allem die Männer, die gerade den Burschen ein positives Rollenvorbild geben sollten. Und darum ersuche ich Sie auch. Es geht darum, überholte Rollenklischees hinter sich zu lassen, zu zeigen, wie man Aggressionen abbaut, wie man Konflikte friedlich und eben ohne Gewalt löst.

Und all diese Taten – hier komme ich jetzt schon wieder auf das Justizwesen zurück – haben eine Vorgeschichte, sehr oft eine amtsbekannte Vorgeschichte, woraus auch die Schwachstellen im System sichtbar werden: Warnungen, Hinweise von Frauen, die nicht ernst genommen werden, mangelnde Weiterleitung von Informationen oder lückenhafte Kommunikation. Gerade bei Wegweisungen beziehungsweise Annäherungsverboten, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss Opferschutz die allerhöchste Priorität haben.

Dafür fehlen aber sehr oft die Ressourcen. Es müssen in ganz Österreich genügend Plätze in Frauenhäusern und Notwohnungen angeboten werden. So wie zum Beispiel in der Steiermark sollte es eigentlich in ganz Österreich eine Selbstverständlichkeit sein, dass Frauen und natürlich auch Kinder einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe in Gewaltsituationen haben. Das sollte wirklich gar keine Frage sein, das sollte eine Selbst­verständlichkeit sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Da müssen wir wirklich alle zusammenhelfen, denn wir wissen es, wir sehen es, es wird uns immer wieder leidvoll vor Augen geführt: Statistisch gesehen leben Frauen in Öster­reich im Kontext einer Partnerschaft europaweit am gefährlichsten. Das sollte uns schon zu denken geben, das können wir nicht mehr länger zulassen!

Deshalb stelle ich auch folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den Morden an Frauen durch Männergewalt“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt wird aufgefordert, gemeinsam mit dem Bundes­minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, dem Bundesminister für Inneres und der Bundesministerin für Justiz folgende Maßnahmen unverzüglich um­zusetzen:

- Einrichtung eines ständigen Gewaltschutz-Krisenstabes, bestehend aus Vertreter*in­nen aus dem Frauen-, Sozial-, Innen- und Justizministerium sowie im Gewaltschutz tätiger Organisationen;

- Regelmäßiger Gewaltschutzgipfel (2 x pro Jahr) zur Evaluierung der getroffenen Maßnahmen;

- 5 Mio. Euro Sofortmaßnahmenpaket für Gewaltschutz und Prävention;

- Umgehender Start einer Kampagne zu männlichen Rollenbildern und Gewaltpräven­tion;

- Sofortige Wiedereinsetzung der Hochrisikofallkonferenzen;

- Rechtsanspruch für von Gewalt betroffene Frauen auf Beratung und Hilfe sowie gegebenenfalls Unterbringung in einem Frauenhaus oder einer Notwohnung

- Umsetzung der Verpflichtungen im Rahmen der Istanbul Konvention.“

*****

Ich ersuche um Annahme. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.10

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Schluss mit den Morden an Frauen durch Männergewalt“ ist genügend unterstützt und steht dem­nach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte.