9.32

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Werte Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Alle sinnvollen Maßnahmen zum präventiven Gewaltschutz sind begrüßens­wert, und solche werden wir Freiheitliche auch jederzeit mittragen, ganz egal, gegen wen sich diese Gewalt richtet. Traurig ist nur, dass es immer wieder Anlassfälle braucht, damit über Gewaltschutz gesprochen wird, und traurig stimmt mich auch, dass Öster­reich im internationalen Vergleich, wenn es um das Thema Gewalt an Frauen geht, tat­sächlich sehr schlecht abschneidet.

Natürlich war es die aktuelle Serie an Frauenmorden, die Diskussionen zum Thema Ge­waltschutz aufflammen ließ. Frau Minister Zadić, ich glaube Ihnen sogar, dass es für Sie persönlich ein ernstes Anliegen ist, im Bereich der Gewaltprävention etwas weiterzubrin­gen. Allerdings gibt es da auch noch Ihren Koalitionspartner, die ÖVP, und bei dieser ÖVP frage ich mich, wie ernst sie es tatsächlich meint. Oder ist das wieder nur ein, weil es gerade hineinpasst, weiterer Versuch, von negativen ÖVP-Schlagzeilen abzulenken? Ich habe es schon einmal gesagt und ich sage es wieder: Leider ist dieser ÖVP jedes Mittel recht, um von den ÖVP-Korruptionsvorwürfen, von unzähligen ÖVP-Anklagen, von ÖVP-Plagiatsvorwürfen, ÖVP-Freunderl- und Misswirtschaft und vielen weiteren ÖVP-Skandalen abzulenken – und das, meine Damen und Herren von der ÖVP, ist eine Schande, denn dieses Thema ist zu ernst, um es nur als Ablenkungsmanöver zu miss­brauchen. (Beifall bei der FPÖ.)

In den letzten Jahren waren es Frauenmorde, bei denen Österreich im Ländervergleich leider die Nase ganz vorne hatte. Unser aller Ziel muss es sein, solche Morde an Frauen zu verhindern. Ja, im Nachhinein ist man immer klüger, nur weiß man ja auch, dass einige Morde an Frauen tatsächlich hätten verhindert werden können, vielleicht sogar hätten verhindert werden müssen. Oftmals sind die Täter nämlich Partner, Ex-Partner oder Bekannte, die zuvor schon auffällig geworden waren.

Während Männermorde meist in kriminellen Subkulturen bei eskalierenden Streitereien oder unter Alkoholeinfluss passieren, werden die meisten Frauenmorde im Kontext von Beziehungen begangen – und, auch das darf man nicht verschweigen, dem Großteil dieser Morde geht psychische und physische Gewalt voraus. Es gibt hier oftmals ein Missverhältnis zwischen Tatauslöser und Schwere der Gewalt, denn während früher bei Frauenmorden oftmals Sexualmorde oder Affektdelikte im Vordergrund standen, sind es heutzutage Kränkungen von Männern, Machtverlust, Angst vor Liebesentzug, nicht zu­gegebene Verletzlichkeit et cetera, in deren Folge Morde dann tatsächlich geplant – ge­plant! – und aus Rache ausgeführt werden.

Ja, es ist ein schwieriges Thema (Bundesministerin Zadić nickt), schwierig auch des­halb, weil man da schon auch Tabus brechen dürfen muss. Es muss erlaubt sein, alles anzusprechen. Es muss erlaubt sein, alle Fakten vorzubringen, ohne gleich wieder von der vereinten Union der GutmenschInnen in ein Schmuddeleck gestellt zu werden. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Denn: Nur wenn wir ganz ehrlich mit allen Fakten umgehen, haben wir eine Chance, etwas zu verändern, etwas zu verbessern und Gewalttaten auch tatsächlich zu verhin­dern. Wenn Morde die letzte Konsequenz in einer mit Gewalt erfüllten Beziehung sind, dann ist es vor allem unsere Aufgabe in der Politik, da viel früher lenkend, helfend und schützend eingreifen zu können. Gewalt, meine Damen und Herren, ist niemals tole­rierbar, und für davon Betroffene muss es einen ganz, ganz niederschwelligen Zugang zu Hilfe und zu Unterstützung geben.

Ich will die heutige Debatte auch dazu nutzen, Gewalt anzusprechen, die oftmals ver­gessen wird. Ich will ganz bewusst das Bewusstsein schärfen, dass es viele unterschied­liche Formen von Gewalt gibt, und ich will einige der von mir zuvor genannten Tabuthe­men ansprechen, die gerne ausgespart werden. Ich erwarte mir auch von allen hier ver­tretenen Parteien, dass sie diese Themen ernst nehmen, auch wenn, wie es scheint, die FPÖ die einzige Partei ist, die den Mut hat, so manche Probleme anzusprechen.

Zum einen geht es mir um das Thema Zwangsheirat und Zwangsehe und da vor allem um die Kinderehe. Ja, es ist ganz klar, in Österreich ist das natürlich verboten, wir wissen aber auch, dass es diese Fälle in Österreich gibt.

Ein weiteres Thema: Laut Unicef leben weltweit etwa 150 Millionen Mädchen und Frau­en, die an ihren Genitalien verstümmelt wurden. Jeden Tag werden circa 8 000 Mädchen Opfer solcher Verstümmelungen. In Europa wird die Zahl der Opfer auf etwa 500 000 geschätzt, in Österreich leben circa 6 000 bis 8 000 betroffene Mädchen und Frauen. Diese Genitalverstümmelungen bei Mädchen passieren in Form von Beschneidungen in der Regel im Alter von fünf bis zwölf Jahren. Manchmal werden diese Mädchen dann zum Beispiel in den Schulferien in die Heimat geschickt und dort verstümmelt. In Wien gibt es übrigens eine eigene Ambulanz für Betroffene, und mehr als 100 Mädchen jähr­lich kommen dorthin – die Dunkelziffer ist entsprechend höher.

Die Verstümmelung der weiblichen Geschlechtsorgane wird mit Tradition, religiösen Ver­pflichtungen und kultureller Identität gerechtfertigt – wie übrigens auch die Kinderehen –, und solche Traditionen, meine Damen und Herren, haben im 21. Jahrhundert keinen Platz. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrätinnen Grimling und Grossmann.)

Ich erspare Ihnen jetzt ganz bewusst, was zum Beispiel bei solchen Beschneidungen genau passiert und wie die drei Verstümmelungsgrade definiert sind. Nur so viel dazu: Circa 10 Prozent der Beschneidungen enden tödlich durch Verbluten oder massive In­fektionen.

Der Mord an einer Frau ist meist nur das Ende einer langen Reihe vorausgegangener Gewaltdelikte. Das beginnt oft ganz harmlos, steigert sich von Tag zu Tag bis zum ersten Mal Zuschlagen und endet dann eben leider oft mit schwersten Übergriffen bis hin zum Mord. Ich versuche nun, Ihnen in aller Kürze näherzubringen, was gleichermaßen un­glaublich wie auch unfassbar ist – und lediglich wenige Zeitungen hatten den Mut, einen Artikel darüber zu verfassen –:

Eine Frage an Sie: Was haben die islamistische Millî-Görüş-Gemeinschaft, ein deutscher Salafisten-Shop, Amazon und Thalia gemeinsam? – Die Herausgabe eines Buches, das Gewalt gegen Frauen und Mord im Namen des Islams legitimiert; ein Buch, das verse­hentlich in den Handel gekommen ist, dann gesperrt wurde und kurz darauf wieder in einschlägigen Shops käuflich erhältlich war und bis heute ist. Im Buch „Ilmihal für Frau­en – Islamisches Grundwissen für Frauen“ steht: „Jemand der den Propheten be­schimpft, beleidigt oder seine Religion in irgendeiner Weise schlecht macht, muss getö­tet werden.“

Zum islamischen Grundwissen für Frauen zählt laut diesem Buch, dass eine Ehefrau häusliche Gewalt über sich ergehen lassen müsse, wenn sie sich dem Mann widersetzt: „Sollte sich eine Frau gegen ihren Mann auflehnen, erlaubt der Koran dem Ehemann als letzte Maßnahme, seine Frau zu züchtigen.“ – 2021 in Österreich und in Deutschland käuflich erhältlich! Das ist keine Ironie, sondern das ist ein tatsächlich ernst gemeintes Buch.

Ja, meine Damen und Herren, es macht für Opfer definitiv keinen Unterschied, ob der Täter Ausländer oder Österreicher ist oder ob der Täter Migrationshintergrund hat oder nicht. Das ist nicht der Punkt, das ist definitiv nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass wir so ehrlich sein und eingestehen müssen, dass jahrelang, zusätzlich zu all den Problemen, die wir in unserem Land sowieso schon haben, auch ein frauenfeindliches Rollenbild importiert wurde, ein Frauenbild, das mit unserer aufgeschlossenen Gesellschaft ganz und gar nicht vereinbar ist.

Präsident Mag. Christian Buchmann: Herr Bundesrat, die Redezeit ist konsumiert. Bitte um das Schlusswort!

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Frau Minister Zadić, seien Sie bitte so mutig und beleuchten Sie alle Bereiche, alle Ursachen, alle Hintergründe von Gewalt ehrlich, offen und unvoreingenommen! Dann haben wir eine echte Chance, Frauen in Österreich besser vor Übergriffen zu schützen. (Beifall bei der FPÖ.)

9.42

Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemel­det hat sich die Frau Bundesministerin für Justiz. Ich erteile es ihr. Auch ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Bundesministerin.