10.16

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Österreichweit wurden in den letzten Jahren im Schnitt fast drei Frauen pro Monat ermordet, und wir haben auch schon gehört, dass jede fünfte Frau in Europa ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt ist.

Durch die Coronakrise hat sich diese Situation dramatisch verschärft. Räumlich beengte Wohnsituationen, existenzielle Sorgen und Ängste führen zu Spannungen. Die Doppel­belastung durch Homeoffice und Haushalt, oft mit gleichzeitiger Betreuung von Kindern, wurde zum Nährboden für Konflikte in der Familie. Oft führt die unerträgliche Situation zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Die Gefahr, von Gewalt in den eigenen vier Wänden betroffen zu sein, nimmt täglich zu. Bereits im März 2020, zu Beginn der Pandemie, nahmen die Fälle der häuslichen Gewalt in Österreich merkbar zu. Nach einem weiteren halben Jahr und trotz des teilweisen Wiederhochfahrens des öffentlichen Lebens ab Mai 2020 meldeten sich bei der öster­reichischen Frauenhelpline gegen Gewalt 38 Prozent mehr Frauen als zuvor. Ebenso erhöhte sich bis August 2020 die Zahl der Betretungs- und Annäherungsverbote um mehr als 20 Prozent.

Wir NEOS haben jetzt konkrete Vorschläge zu zwei konkreten Themenfeldern, Problem­stellungen in dem Bereich. Der erste Punkt ist die finanzielle Abhängigkeit. Diese hält viele betroffene Frauen in der Beziehung mit einem gewalttätigen Partner gefangen. Auch wenn Ehemänner dazu verpflichtet sind, nachehelichen Unterhalt zu leisten, heißt das nicht, dass sie dieser Verpflichtung auch tatsächlich nachkommen. Viele Frauen wollen zwar, können sich aber nicht von ihrem Peiniger trennen, weil sie wissen, dass sie dann finanziell ruiniert quasi auf der Straße landen. Das verschärft die Situation zu­sätzlich.

Der Gesetzgeber hat bereits einmal auf einen ähnlich gelagerten Fall reagiert. Nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gewährt der Bund ja minderjährigen Kindern Vorschüsse auf ihren gesetzlichen Unterhalt, wenn für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch ein im In­land vollstreckbarer Exekutionstitel besteht und der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet. Unter ähnlich strengen Voraussetzungen könnte man auch Frauen Vorschuss auf ihren gesetzlichen Unterhalt gewähren, denn: Geld macht unabhängig. Ein staatlicher Unterhaltsvorschuss in diesen Konstellationen wäre der erste Schritt, Frauen eine Zukunft ohne Gewalt zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Der zweite konkrete Vorschlag: Um Gewalt gegen Frauen zu verhindern, genügen Wort­spenden, wie etwa die des Innenministers, Frauen sollten sich bei häuslicher Gewalt an die Polizei wenden, nicht, sondern dazu ist eine andere Politik nötig, nämlich ein Paradig­menwechsel, der Frauen die Möglichkeit gibt, sich effektiv zu schützen. Es braucht schnelle, unkomplizierte Hilfe schon in der Gefährdungsphase. Eine moderne Frauen­politik setzt nicht beim Opfer, sondern beim Täter an, und das lange vor einem tödlichen Angriff.

In drei Fällen mit insgesamt vier Todesopfern verwendeten die Täter eine Schusswaffe. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren, der sich auch dadurch erklären lässt, dass in den letzten Jahren Waffenkäufe rasant zugenommen haben und sich immer mehr Waffen in privatem Besitz befinden.

Das ist an sich schon gesellschaftspolitisch problematisch, die Hemmschwelle zum Ge­brauch einer Schusswaffe ist zudem deutlich niedriger als zum Einsatz anderer Waffen. Selbst jene, die ein liberales Waffenrecht unbedenklich finden, müssen anerkennen, dass die Abnahme der Schusswaffe nach einem tätlichen Angriff zu spät erfolgt. Schuss­waffen müssen schon abgenommen werden, wenn ein ernstes Risiko besteht, dass sie für Straftaten verwendet werden. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Spanring: Dann muss man aber die Autos auch alle verbieten!)

Eine Wegweisung gemäß § 38a Sicherheitspolizeigesetz ist auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der gebotene Zeitpunkt, zu dem auch zwingend eine dokumen­tierte Überprüfung nach dem Waffengesetz stattfinden und ein vorläufiges Waffenverbot geprüft werden muss. Durch die Schaffung der sicherheitspolizeilichen Befugnisse ge­mäß § 38a SPG wurde damals erstmals ein Einschreiten ohne vorangegangene Straftat und dadurch ein echter vorbeugender Schutz für potenzielle Opfer möglich.

Ein Gefährder, gegen den eine Wegweisung ausgesprochen wurde, sollte grundsätzlich keinen Zugang zu Waffen haben. Dass eine Wegweisung automatisch die Prüfung des Waffenbesitzes und ein vorläufiges Waffenverbot gemäß § 13 Waffengesetz zur Folge haben muss, sollte aufgrund der letzten Vorfälle in Österreich selbstverständlich sein. Sind weitere Gefährdungsindizien gegeben, ist im Anschluss an das vorläufige Waffen­verbot ein Verfahren zur Prüfung eines permanenten Waffenverbots geboten. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Und wenn es sich um illegale handelt, was machen Sie dann?) Diese Schritte wären gesetzlich zu verankern.

Das Tragen einer Waffe ist in Österreich kein Grundrecht, die körperliche Unversehrtheit jedoch schon, und wenn Schusswaffen vermehrt bei Straftaten Einsatz finden, muss ein Weg gefunden werden, diese Waffen rechtzeitig sicherzustellen - - (Beifall bei Bundesrä­tInnen von ÖVP und SPÖ.)

Präsident Mag. Christian Buchmann: Die Redezeit ist erschöpft. Bitte zum Schluss zu kommen, Herr Bundesrat!

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (fortsetzend): Also ich wiederhole den letzten Satz: Wenn Schusswaffen vermehrt bei Straftaten Einsatz finden, muss ein Weg gefunden werden, diese Waffen rechtzeitig sicherzustellen, bevor Straftaten gesche­hen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.21

Präsident Mag. Christian Buchmann: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnah­me hat sich die Frau Bundesministerin für Justiz zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr und verweise auf die 5-minütige Redezeit. – Bitte, Frau Bundesministerin.