14.57

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kollege Hübner, eines lassen wir jetzt nicht so stehen: Ich habe nicht gesagt, Österreich ist ein Zwergenstaat, sondern ich habe anlässlich Ihrer Ablehnung einer Europäischen Staatsanwaltschaft gesagt, Sie haben trotz Ihrer beachtlichen Körpergröße eine Gartenzwergperspektive. (Bundesrat Span­ring: Zwergenrepublik Österreich haben Sie gesagt! – Heiterkeit der Bundesministerin Edtstadler.) Stellen wir das jetzt einmal fest, damit wir das Kalb im Stall lassen.

Zweitens: Wenn ich Arzt bin und wider meinen ärztlichen Eid und wider mein ärztliches Wissen handle, nennt man das strafrechtlich, glaube ich, Kurpfuscher. Wenn ich Anwalt bin und wider meine Ausbildung handle, können wir das, glaube ich, seit dem 19. Jahr­hundert als Winkeladvokat bezeichnen.

Herr Hübner, Sie wissen genau, dass die Europäische Union keine Schuldenunion ist. (Bundesrat Spanring: ... am besten Weg dorthin!) Und Sie wissen auch – ich hoffe, Sie wissen es – kraft Ihrer Ausbildung, dass die Eigenmittelbeschlüsse in der EU seit den Siebzigerjahren existieren und bei der Volksabstimmung von 1994 mit abgestimmt wur­den.

Damit nicht genug: Mit Artikel 23i Bundes-Verfassungsgesetz wurde 2011 eine eigene ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage für Eigenmittelbeschlüsse der EU ge­schaffen. (Bundesrat Hübner: ... aber nicht für ...! ... Unterschied!) Damit sind sie auch nicht verfassungswidrig, da sie in den Verträgen der EU geregelt sind. So weit, glaube ich, geht auch Herr Hübner nicht, zu sagen, dass die EU-Verträge verfassungswidrig sind, denn sie wurden durch eine Volksabstimmung akzeptiert und sind damit im Verfas­sungsrang. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Aber es geht ja um diesen Recoveryfund, und wir begrüßen ausdrücklich diesen Schritt der Europäischen Kommission, aufgrund der Wirtschaftskrise, die eine Folge der Pan­demie war, 672 Milliarden Euro in den Jahren 2021 bis 2023 in den Regionen und in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen zu investieren, um wieder ein Motor zu sein. Das ist ein enormes Projekt, und da kann man nur sagen: das richtige Projekt zur richtigen Zeit.

Nur hat sich die Europäische Union die Ideenfindung ein bisschen anders vorgestellt, als diese in Österreich passiert ist. Ich erinnere mich an einen Satz der Kommissionsprä­sidentin Ursula von der Leyen, die sagte: „Wir finden, dass Städte und Regionen von Beginn an in die Konzeption der nationalen Aufbaupläne einbezogen werden sollten.“ Später sagte sie auch: und die Sozialpartner. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Span­ring: Wenn sie Sozialpartner hören, müssen sie sofort klatschen! Egal, welcher Zusam­menhang, Hauptsache, Sozialpartner! – Heiterkeit des Bundesministers Blümel.)

Die Bundesregierung hat sich an das Panschen von Weinen erinnert, sie hat alten Wein in neue Schläuche gegossen – nicht viel mehr. Wir wissen, in anderen Staaten haben nationale Konsultationen stattgefunden, in Griechenland hat man einen Nobelpreisträger für diese Konsultationen engagiert, in Portugal hat man in einer unglaublichen Art die Bevölkerung und Interessenverbände, NGOs und die Sozialpartner eingebunden, um Ideen zu finden: Was stellen wir uns denn vor, was können wir mit so viel Geld machen? Wie können wir den Arbeitsmarkt beleben? Wie können wir die Wirtschaft beleben? – In Österreich hingegen ist gar nichts passiert. Der Koralmtunnel ist uns eingefallen – der ist aber schon sehr lang geplant – und ein paar andere Dinge. Das ist eine vertane Chance, das muss man einfach sagen! Ich bin ja neugierig, ob die Europäische Union das nicht irgendwann ein bisschen durchschauen wird, obwohl das so beweihräuchert worden ist.

Ich möchte nur erinnern: Die Stadt Wien hat alleine aufgrund dessen ihre Investitionen auf 2,6 Milliarden Euro hochgeschraubt und 31 Projekte im Bundesland Wien, in der Stadt Wien eingemeldet. Es hätte ja auch sein sollen, dass mit den Bundesländern ge­sprochen wird, was ja dann nur auf Druck der Bundesländer und in einer sehr verkürzten Art und Weise geschehen ist, und das ist schade. Ich sage es noch einmal: Das ist schade.

Es ist enorm viel Geld. Kollege Hübner hat es gesagt: 4,5 Milliarden Euro von einem Gesamtpaket von 672 Milliarden, Österreich haftet für 12 Milliarden davon, aber es kommen ja 4,5 Milliarden zurück. Was für Österreich enorm wichtig ist – Kollege Seeber, du bist ja Wirtschafter, du verstehst das (Bundesrat Steiner: Das bezweifle ich!) –: Wie soll eine Wirtschaft wieder in Gang kommen, wenn zum Beispiel unser zweitwichtigster Handelspartner, nämlich Italien, darniederliegt? Wie soll das funktionieren, wenn Spa­nien darniederliegt? Wie soll das funktionieren, wenn Frankreich darniederliegt? Wir ha­ben in Europa einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, und deshalb ist es so wichtig, dass wir in diese Bereiche gemeinsam hineingehen. So wirtschaftet es sich besser, und des­halb ist dieser Wiederaufbaufonds oder Resilienzfonds wichtig und richtig. Leider sind diese Projekte in einer sehr unintelligenten Art und Weise zustande gekommen.

Wir erinnern uns: Die Vorvorgängerregierung in Italien ist genau über die Entscheidung: Was machen wir im Land?, gestürzt. Dann kam eine zweite Regierung nach, und die hat dann Projekte vorgestellt, und Regierungschef Draghi kann jetzt davon ernten. – Das ist einmal das eine.

Das andere ist, dass wir unseren Beitrag von 2,9 Milliarden Euro auf künftig 3,8 Milliar­den Euro erhöhen. Das ist dem Brexit geschuldet. Die Bundesregierung hat immer ge­sagt: keinen Euro mehr!, und wir haben immer gesagt, wenn all die Projekte funktionie­ren sollen, dann muss es auch eine Erhöhung der Mittel geben, und deshalb ist das richtig. Dieses Geld kommt aus den Eigenmitteln, von den Zöllen, von der Mehrwert­steuer, aus dem Bruttonationalprodukt und, das ist neu, aber da gibt es noch keine Ent­scheidung, aus der Plastikabgabe.

Die Plastikabgabe soll bitte nicht aus dem normalen Budget kommen. Ich weiß, Finanz­minister Blümel möchte das gerne aus dem normalen Budget machen. – Nein, wer Plas­tik verursacht, soll auch dafür zahlen, und daher sollen auch diese Mittel kommen. Was will die EU mit dieser Initiative? – Sie will lenken: Wenn ich die Mittel aus dem Budgettopf nehme, dann lenke ich die Wirtschaft nicht in eine plastikärmere Produktion, sondern lasse das einfach zu, und deshalb ist es eine wichtige Sache, dass man da nach dem Verursacherprinzip vorgeht.

Kommen wir noch zum Digitalisierungsfonds, da sind wir ja an sich mittendrin – und doch nicht, denn wir haben einfach einen enormen Rückstand, das hat uns jetzt die Pandemie gezeigt, was die Digitalisierung an den Schulen betrifft und so weiter und so fort. Der Digitalisierungsfonds ist an sich in Ordnung, wenn wir ihn fokussieren. Wir müssen auf den Bereich der Bildung fokussieren, wir müssen auf die Schnelligkeit unserer Netze, den Ausbau unserer Netze fokussieren, dann kann das funktionieren.

Deshalb noch einmal: Ja zum Eigenmittelbeschluss. Er bedeutet eine große Chance, die leider von Österreich nicht so genützt wurde, wie sie hätte genützt werden sollen. Zwei­tens: Ja zur Erhöhung unserer Beitrittsverpflichtungen, unserer Mittel an den europäi­schen Haushalt; und drittens: Versuchen wir nun aus den Bereichen Bildung, Digitalisie­rung und Green Deal mit diesem Geld, das die EU zur Verfügung stellt, das Beste zu machen, und hoffen wir, dass diese Regierung, wenn das dann bewilligt ist, doch einmal in der Lage ist, mit den Ländern und mit den Sozialpartnern endlich in einen Dialog ein­zutreten. Nützen wir dieses Geld nicht nur, um die Wirtschaft anzukurbeln, sondern auch, um das zu schaffen und zu sichern, was wir jetzt vor allem brauchen: Arbeitsplätze, Ar­beitsplätze, Arbeitsplätze. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.08

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Spanring gemeldet. – Bitte schön.