15.09

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherin­nen und Zuseher vor den Bildschirmen! Ich möchte vor allem auf den Eigenmittelbe­schluss der EU in Verbindung mit dem Wiederaufbaufonds eingehen, weil es sich um das größte Konjunkturpaket handelt, das Europa je gesehen hat – leider in der größten Krise, die Europa jemals gesehen hat.

Insgesamt stehen für die Erholung Europas inflationsbereinigt etwa 1 800 Milliarden Euro bereit; 1 200 Milliarden Euro für das siebenjährige Finanzrahmenbudget und 800 Milliarden Euro für den Wiederaufbaufonds. Es ist ein bisschen ein anderer Betrag, weil die 750 Milliarden Euro, die genannt werden, inflationsbereinigt heuer sozusagen 800 Milliarden Euro sind. Das Ziel ist, kurz gesagt: Europa soll grün, digital und krisenfest gemacht werden.

Ein paar Worte zum Wiederaufbaufonds: Die EU nimmt nun vertragskonform Anleihen auf dem Kapitalmarkt auf. Damit schafft sie erstmals einen gemeinsamen Fonds, be­tragsmäßig eben mit 750 Milliarden Euro – Berechnungsbasis ist 2018 –, zeitlich be­schränkt bis 2058, und daher auch zu entsprechend günstigen Konditionen.

Was von manchen als Schuldenfalle dargestellt wird, ist genau das Gegenteil, nämlich ein Motor für Österreich und seine europäischen HandelspartnerInnen, um die darnie­derliegende Wirtschaft aufzubauen. Aus dem Fonds wird zweckgebunden nach Aufbau- und Resilienzplänen – und da ist der Name Programm – eine Hälfte in Form von Dar­lehen und eine andere Hälfte an Mitgliedstaaten vergeben. Der Großteil der Mittel wird für nachhaltige Investitionen, wie zum Beispiel in erneuerbare Energie, Elektromobilität und Digitalisierung, vergeben. Österreich wird einen Teil aus dem Fonds für den Bahn­ausbau und den Breitbandausbau nutzen.

Eine dazu vom IHS erstellte Studie zeigt, dass durch die Mittel aus dem Wiederaufbau­fonds in Österreich pro Jahr 25 000 neue Arbeitsplätze entstehen und das BIP um 1,2 Prozent steigen und so das Budget langfristig entlasten wird. Hinzu kommt, und das ist wichtig zu betonen, der positive Effekt des Wirtschaftsaufschwungs unserer Nachbar­länder, Herr Schennach hat es schon gesagt, vor allem Italiens. Diese sind unsere Ex­portmärkte und Teil unserer Wertschöpfungskette. Das wird, das muss den Aufschwung noch vergrößern und wird natürlich auch ein gesicherteres und würdigeres Leben für viele Hunderttausend Menschen sowie einen besseren Schutz unseres Klimas und un­serer Umwelt ermöglichen.

Die Tilgung der aufgenommenen Mittel für den Wiederaufbaufonds wird vornehmlich aus dem EU-Haushalt geschehen, aber weitere Eigenmittel für die Rückzahlung werden aus der auch schon erwähnten sogenannten Plastiksteuer kommen, die sich schon im Eigen­mittelbeschluss befindet. Im Laufe dieses Jahres werden aber noch weitere Eigenmittel­kategorien hinzukommen. Das sind der sogenannte CO2-Zoll sowie eine Mindeststeuer für Digitalunternehmen, die spätestens 2023 eingeführt werden sollen. Des Weiteren wird über eine Finanztransaktionssteuer sowie über eine Ausweitung des Emissionshan­dels für den Luft- und Seeverkehr diskutiert. Ersteres begrüßen wir natürlich sehr.

Auf ein paar dieser zusätzlichen Kategorien möchte ich eingehen, vor allem auf die Plas­tiksteuer. Die EU hat sich das Ziel gesetzt, innerhalb der nächsten vier Jahre den Anteil von recyceltem Plastikverpackungsmüll auf 50 Prozent zu heben; derzeit ist er bei circa 25. Eine Maßnahme dafür ist, den angefallenen nicht recycelten Plastikverpackungsmüll mit 80 Cent pro Kilo als neue Eigenmittelkategorie zu bemessen. Die EU rechnet mit 7 Milliarden Euro Einnahmen pro Jahr, das wären 50 Milliarden Euro bis 2027.

Wie schaut es in Österreich aus? – In Österreich fallen pro Jahr etwa 330 Millionen Kilo Plastikverpackungsmüll an. Drei Viertel davon sind nicht-recycelbarer Plastikverpa­ckungsmüll, der verbrannt wird. Das wären dann für Österreich 200 Millionen Euro an Plastiksteuer. Diese Plastiksteuer könnte aber reduziert werden, was dann zusätzlich auch unseren Beitrag zum EU-Budget reduzieren würde. Darüber hinaus hätte es den Effekt, lokale Strukturen zu stärken.

Wie geht das? – Dazu legt die Umweltministerin einen Dreipunkteplan vor. Der besteht aus erstens Mehrwegquote, zweitens Einwegpfand und drittens HerstellerInnenabgabe, was ich nun skizzieren möchte. Ein Weg, um weniger Plastikmüll zu produzieren, ist der Umstieg von wegwerfbaren PET-Flaschen auf Mehrwegglasflaschen. Diese Glasfla­schen können bis zu 50 Mal befüllt werden. Die Österreicherinnen und Österreicher lieben es aber, Plastikflaschen zu kaufen. Sie tun das in einem Ausmaß von 45 Millionen Kilo pro Jahr. Sie sind darin EU-SpitzenreiterInnen. Warum also nicht auf recycelte PET-Flaschen umsteigen? – Weil, auch wenn alle PET-Flaschen zurückgegeben werden – was nie der Fall ist – und recycelt werden, trotzdem neue PET-Flaschen produziert wer­den müssten. Das heißt, für eine PET-Flasche braucht es zwei recycelte PET-Flaschen. Für die Herstellung brauchen wir wieder Erdöl, und das wollen wir nicht.

Mehrweg hat darüber hinaus den Vorteil, dass es kleine und lokale Strukturen und kleine Betriebe, wie zum Beispiel Befüllungsbetriebe, fördern kann. Das verbessert die klein­räumigen Strukturen, verringert die Transportwege und generiert Arbeitsplätze vor Ort: eine gute Kombi.

Ein Pfand auf Wegwerfflaschen würde zusätzlich den Bequemlichkeitsvorteil der Plastik­flasche – sie ist einfach zu tragen und zu entsorgen – reduzieren und zum Kauf von Mehrwegflaschen, die keinen Müll produzieren, animieren. Ein verbindliches Mehrweg­angebot in den Neunzigerjahren brachte die ÖsterreicherInnen dazu, 80 Prozent ihrer Getränke in Mehrwegflaschen zu kaufen.

Aber es sollen natürlich, wie Kollege Schennach gesagt hat, nicht nur die KonsumentIn­nen in die Pflicht genommen werden, sondern auch die ProduzentInnen. Im Sinne des Verursacherprinzips ist es daher folgerichtig, die Herstellung von Plastikverpackungen mit 80 Cent pro Kilo – das Modell der Umweltministerin ist etwas ausgefeilter – zu be­steuern. Die EU setzt also mit der sogenannten Plastiksteuer einen wichtigen Anreiz zur Vermeidung von Plastikmüll, den unsere Umweltministerin konstruktiv nutzt und der da­rüber hinaus auch unserem Budget nutzt. Wenn wir nämlich da Vorreiterin werden, zahlen wir auch insgesamt weniger Eigenmittelanteil an die EU.

Eine weitere für den Umweltschutz besonders positive neue Eigenmittelkategorie ist der CO2-Zoll – oder wäre es. Dieser soll für in die EU eingeführte Produkte eingehoben werden, wenn bei der Produktion mehr CO2-Emissionen anfallen, als es EU-Vorschriften erlauben. Das hebt den Preisvorteil von europäischen Unternehmen, die unter umwelt­schädlichen Bedingungen produzieren lassen, auf, und die EU erhält mehr Einnahmen. Zusätzlich kann der Zoll dazu anregen, die Dekarbonisierung der Industrie in allen EU-Ländern und denjenigen Ländern voranzutreiben, die mit der EU Handel treiben wollen; eine global wirksame Maßnahme also, und Umweltschutz kann auch nur global funktio­nieren.

Noch eine geplante Eigenmittelkategorie ist der Mindeststeuersatz für Digitalunterneh­men, den wir natürlich auch sehr begrüßen. Große Konzerne wie zum Beispiel Ver­sandplattformen haben gerade in der Krise besonders profitiert. Aber nicht nur das: Sie wenden aggressive Steuertricks an und verschieben ihre Gewinne in Steueroasen. Sie entziehen sich damit einer Solidarität, die wir brauchen, um das soziale System, das wir haben, aufrechtzuerhalten. Daher sollen sie dort, wo sie Gewinne erzielen, auch besteu­ert werden.

Alle Mitgliedstaaten und auch Österreich profitieren von diesem Wiederaufbaupro­gramm: wirtschaftlich, sozial und ökologisch. Es scheint im ersten Moment so, als wür­den wir mehr einzahlen. Das stimmt aber nicht. Zwar bekommen die Mitgliedstaaten, die die Krise besonders hart getroffen hat, einen Großteil der Gelder – und ja, sie müssen diese nicht zurückzahlen –, aber, das wird dabei oft vergessen: Sie werden diese Gelder auch ausgeben. Damit steigt ihre Kaufkraft und die Nachfrage, und aufgrund der ver­schränkten europäischen Wertschöpfungsketten und dem wirtschaftlichen Austausch untereinander wird auch bei uns die Produktion angekurbelt und unsere Exporte werden steigen. Damit steigt auch unsere Wirtschaftsleistung. Für mich, die ich eigentlich keine Ökonomin bin, ist das eine Milchmädchenrechnung, und ich verstehe nicht, wie man das nicht nachvollziehen kann. (Bundesrat Spanring: Stimmt! Milchmädchenrechnung kann jeder nachvollziehen!)

Der Eigenmittelbeschluss und das Wiederaufbauinstrument fördern zudem auch die So­lidarität unter den Mitgliedstaaten. Sie lassen uns die Verflechtungen besser verstehen, und sie fordern mehr Fairness. Sie sind nach der Corona- und Wirtschaftskrise ein wirk­samer Motor zum Wiederaufbau der europäischen und damit auch unserer Wirtschaft. Sie verringern die Arbeitslosenzahlen und setzen einen großen, gemeinsamen Schritt in Richtung Klimaneutralität. Gut so. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.19

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Karoline Edtstadler. – Bitte schön.