9.37

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Außenminister! Lieber Kollege Köck! Man sollte vielleicht manchmal das Kalb im Stall lassen und nicht irgendwo hinaustreiben, denn selbst im Ausschuss haben uns die Beamten erklärt: Die erste Idee des grünen Passes kam nicht aus Österreich, sondern aus Griechenland, gefolgt von Kroatien!

Ich weiß schon, Kurz erfindet in eurer Welt alles, vielleicht sogar das Kreuz – ich weiß es nicht –, aber der grüne Pass kommt nicht aus seiner Gedankenwelt, sondern den haben andere europäische Staaten vorgeschlagen. Österreich ist aufgesprungen, hat weitergemacht und hat dann versucht, ihn vor einer gemeinsamen EU-Regelung vorzuziehen. Es ist aber so dann nicht eingetreten.

Kommen wir aber zum eigentlichen Thema dieser Aktuellen Stunde. Der zweite Teil des Titels ist richtig: Wir sind erst dann sicher, wenn alle in der Welt sicher sind. Dass Impfdiplomatie wichtig ist, hat man schon lange erkannt. Vor allem verweise ich hier auf einige Regelungen, die wir in Europa uns gegeben haben, nämlich: Wer ist zuständig, damit es zu einer Verteilung, zu einer Hilfe für die ärmsten Staaten kommt? – Das ist die Covax-Facility, geleitet von der zuständigen Organisation der WHO.

Zweitens gibt es die Vaccine Alliance, Gavi genannt, und die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations, Cepi. Was liegt dem zugrunde? Dem liegt zugrunde, dass man hilft, ohne – ich zitiere jetzt die scheidende deutsche Kanzlerin – irgendwelche Bedingungen zu setzen, und man kein politisches Wohlverhalten einfordert. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.)

Da stimmt eben etwas nicht in Österreich. Ich denke, die österreichische Bundes­regie­rung oder Bundeskanzler Kurz hat da von Erdoğan gelernt. Der spielt dann immer mit ein paar Flüchtlingen, um ein paar Milliarden aus der Europäischen Union zu bekommen, er treibt Flüchtlinge in Richtung Griechenland, zum Teil werden sie auch transportiert, um dann entsprechendes Wohlverhalten und entsprechendes Geld zu bekommen.

Was aber haben wir getan? – Wir haben die Staaten des Balkan eingeladen und haben gesagt: Wollt ihr Impfdosen? Ja, da gibt es aber eine Bedingung – weil sich Kurz ja aufgrund schlechter Umfragewerte wieder einmal an die Balkanroute erinnert hat –, nämlich, dass ihr jetzt Rückschiebeabkommen mit anderen Staaten macht, damit Kurz Lieblingsprojekt, die Balkanroute, wieder dicht wird. Das sind politisch unanständige Bedingungen, und das ist damit nicht gemeint. (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen wir es uns an: Die Covax-Facility braucht 38 Milliarden Euro, um in der Welt ausreichend Impfstoff zur Verfügung zu stellen und die Gesundheit zu heben. Deutschland hat 2,1 Milliarden Euro eingezahlt. Wir hätten das Geld, mit dem wir jetzt mit den Balkanstaaten spielen, einfach jener Stelle geben sollen, die dafür zuständig ist – das ist Covax in der Welt –, und dann hätten wir nicht diese Schande so eines schäbigen Deals auf uns laden müssen.

Diese Impfdiplomatie kennen wir bereits aus Russland und aus China. Die wollen auch Wohlverhalten von jenen Staaten, denen sie Impfdosen geben, und irgendwann werden sie es auf der UNO-Ebene dann auch einfordern. Das ist völlig klar. Was wir brauchen, ist nicht, dass eine Bundesregierung eine Bedarfsanalyse macht – Bedarfsanalysen macht die zuständige WHO. Die zuständige WHO sagt: Dort haben wir einen Bedarf und dort müssen wir vorab - - (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Das ist ja keine Frage. Wir haben nichts dagegen gehabt, dass Rumänien dem ärmsten Staat Europas, nämlich Moldawien, aufgrund der Nähe geholfen hat, aber ich kann mich erinnern, dass Kurz einmal ein Riesentamtam über ungerechte Impfdosenverteilungen gemacht hat und dann gesagt hat: Wir geben den Tschechen etwas! Die Tschechen haben aber von der Sonderzuteilung, die Österreich bekommen hat, nie etwas bekommen. Das war nur Blabla. Jetzt treiben wir dieses Spiel woanders.

Worum geht es aber eigentlich? In Deutschland gibt es zum Beispiel Frau Dr. Barth. Sie ist die oberste Impfdiplomatin Deutschlands. Es ist eine spannende Sache, dass sie gemeinsam mit dem Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit Parameter vorlegt. Da geht es erstens darum, einmal Covax in die Lage zu versetzen, Impfstoffe zu kaufen, günstige Preise auszuhandeln, und zweitens um Haftungen. Ja, wer übernimmt die Haftung für Impfungen in ärmsten Ländern? – Die übernimmt Covax. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Derzeit hat Covax bereits an über 100 Länder ausgeliefert. Wenn man das jetzt vor dem Hintergrund sieht, dass Covax an sich 190 Länder bedienen will – und wir stehen bei den ärmsten Ländern ungefähr bei Impfquoten von nur 1,5 Prozent –, dann zeigt das, wie wichtig es gewesen wäre, hätte Österreich seine Versprechungen gegenüber den Balkanstaaten so gemacht, dass die Ressourcen der Covax-Facility zugewiesen worden wären. Das wäre im Sinne der globalen Solidarität und das wäre im Sinne der internationalen Kooperation, nämlich dass Ressourcen gepoolt werden, ge­rade angesichts einer so gewaltigen Krise. Wir stehen derzeit, glaube ich, bei zwei­einhalb Millionen Toten weltweit, das bedeutet, dass es einen Ressourcenpool braucht, und deshalb ist dieses Vorgehen von uns, dieser sanfte Weg der Erpressung gegenüber den Balkanstaaten, völlig absurd.

Kommen wir noch zu einem anderen Punkt, Herr Bundesminister. (Die BundesrätInnen der SPÖ stellen Fähnchen in Regenbogenfarben vor sich auf die Plätze, die auf einer Seite die Aufschrift „SPÖ“ tragen, auf der anderen Seite „SoHo“, „Stärker. Gemeinsam.“) Ich habe hier an diesem Rednerpult schon zweimal Ihre allzu große Nähe zum unga­rischen Außenminister kritisiert. Nun aber war Österreich nicht von Anfang an auf euro­päischer Ebene dabei, als klar war, es braucht hinsichtlich des diskriminierenden Gesetzes betreffend Menschen und ihre sexuelle Orientierung ein ganz klares Zeichen gegenüber Ungarn. (Die BundesrätInnen der Grünen stellen ebenfalls Fähnchen in Regenbogenfarben vor sich auf die Plätze.) 14 Staaten waren sofort bereit zu handeln, aber Österreich nicht. Die ÖVP-Ministerin Edtstadler musste offensichtlich noch Direktiven abholen oder keine Ahnung. Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit sind nicht verhandelbar! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wenn ich Kommissionspräsidentin von der Leyen richtig verstanden habe, so hat sie von einer Schande gesprochen und dass wir zum Europäischen Gerichtshof gehen. Dann endlich hat Österreich eingelenkt, endlich macht Österreich mit, nach einer – ich würde sagen: seltsamen – Nachdenkphase. Wahrscheinlich liegt die Ursache dafür, dass so lange gewartet wurde und dass man Ungarn nicht kritisieren wollte, bei den Ministern Edtstadler und Schallenberg, aufgrund ihrer besonderen Nähe – würde ich jetzt einmal vorsichtig sagen – zu Ungarn.

Die EU ist aber eine Wertegemeinschaft, und es war von Anfang an klar, dass man nicht nur einer Wirtschaftsgemeinschaft, sondern einer Wertegemeinschaft beitritt, und dem hat sich Ungarn zu beugen. Sie ist eine Wertegemeinschaft, und dieses diskriminierende Gesetz muss fallen. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

9.48

Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Johannes Hübner. – Bitte sehr.