11.40

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Geehrter Herr Präsident! Werte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Werte Zuseher und Zuseherinnen! Werte Zuseher via Livestream! Zwei Themen zum Tierschutz haben es heute über Selbstän­dige Anträge auf die Tagesordnung des Bundesrates geschafft: Vollspaltenböden in der Schweinehaltung und Kastrationspflicht für alle Katzen mit freiem Zugang zur Natur.

Zunächst zu den Vollspaltenböden: Die Förderung von Stallbauten mit Vollspaltenböden mit Steuergeldern läuft aus, und das ist auch richtig so. Es zeigt sich, dass im Umgang mit Lebewesen eine reine Orientierung auf Effizienz und Profit schnell an die Grenze zur Tierquälerei gelangt. (Beifall bei der SPÖ.)

Tierwohl hat in der industrialisierten Landwirtschaft einen geringen bis gar keinen Stel­lenwert. Da hat sich das Berufsbild des Bauern, der sorgfältig und wertschätzend mit seinen Nutztieren umgeht, stark gewandelt. Leben wurde auf etwas Abstraktes reduziert. Das tut niemandem gut und führt zu einer Verrohung im Umgang mit dem Lebendigen.

Ferkel werden am Betonboden erschlagen beziehungsweise halb erschlagen dem qual­vollen Tod im Tierkadavercontainer überlassen. Geschätzte 25 Prozent der Schweine verenden aufgrund der miserablen Lebensverhältnisse vor dem Schlachtalter. Viele von denen, die es bis zum Schlachtalter schaffen, leiden unter Gelenksentzündungen, Lungen- und Augenentzündungen, die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten ist hoch, gegenseiti­ges Ohren- und Schwanzabbeißen kommt noch dazu. Es ist ein leidvolles Dahinvege­tieren im eigenen Kot und in Ammoniakdämpfen, um am Ende in einer sterilen Fleischpa­ckung beim Konsumenten zu landen. Es ist eine triste Situation!

Im Kontrast dazu wird in der Werbung ein romantisierendes Bild gezeichnet, eine Idylle, in der vermenschlichte, glückliche Schweinchen auftauchen. Das ist Irreführung, das ist Täuschung höchsten Grades: Der Großteil des beworbenen Fleisches stammt aus er­wähnten Agrarindustrien mit Vollspaltenböden, wo Profit über Menge und Missachtung des tierischen Lebens erzielt wird. Der Konsument wird hinters Licht geführt und von ausgeklügelten Marketingstrategien manipuliert. (Beifall bei der SPÖ.)

Kommen dann hässliche Bilder von den tatsächlichen Zuständen an die Öffentlichkeit, hat man in türkiser Manier auch gleich die Schuldigen gefunden: Es sind die Konsumen­ten. Eine Geschichte wird erzählt und in leicht verständlicher Sprache gleich bis zum letzten türkisen Funktionär an die Basis transportiert, damit sich diese alternative Wahr­heit auch gründlich verfestigt.

Schaffen wir deshalb jetzt Transparenz und Sicherheit für unsere Bauern und Bäuerin­nen! Bringen wir wieder Ehrlichkeit in die Tierhaltung! Setzen wir Schritte, damit der Aus­stieg aus den Vollspaltenböden in Österreich gelingt! Orientieren wir uns an den Besten! Sich zurücklehnen und abzuwarten bis andere aktiv werden, das ist aus unserer Sicht der falsche Weg. Die Politik hat die Rahmenbedingungen anzupassen und Fehlentwick­lungen entgegenzuwirken.

Für das Gelingen gilt es, natürlich auch noch an anderen Stellschrauben zu drehen, und daran sollte auch gedreht werden. Es sollte aber nicht sein, dass die AMA, die Interes­senorganisationen, die Landwirtschaftskammern, der Bauernbund und nicht zuletzt die Türkisen und Landwirtschaftsministerin Köstinger ein Bild der österreichischen Schwei­nehaltung zeichnen, das den wahren Zuständen ferner nicht sein könnte. Frau Ministerin Köstinger wird nicht müde, immer wieder zu behaupten, dass Österreich einen der höchsten Tierschutzstandards in Europa hätte. Leider stimmt das halt nicht ganz. (Beifall bei der SPÖ.)

So funktioniert Politik, die sich vor der Verantwortung drückt. Politiker mit Verantwortung machen sich jedoch daran, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass Bauern vor der überhandnehmenden Verrohung geschützt werden, Einkommen gesichert werden und Tierwohl den dringend notwendigen Stellenwert erhält. (Bundesrat Hübner: Wie wird das Einkommen gesichert, bitte?)

Die Forderungen der Sozialdemokratie dazu sind: Eine Änderung des Tierschutzgeset­zes, die ein Ende der Haltung von Schweinen auf Vollspaltenböden beinhaltet, ist drin­gend notwendig. Agrarfördermittel sollen nicht mehr für Stallbauten mit Mindeststan­dards eingesetzt werden, Fördergelder sollten ausschließlich für hochwertige Standards vorgesehen werden.

Eine echte Schwerpunktsetzung ist bei der Investitionsförderung im Programm ländliche Entwicklung vorzusehen. Innerhalb der nächsten fünf Jahre sollen jeweils 50 Millionen Euro dafür eingesetzt werden, dass bestehende Vollspaltenbödensysteme in Stallsys­teme mit hochwertigen Tierhaltungsstandards umgebaut werden können und keinesfalls Umbauten gefördert werden, die lediglich eine geringfügige kosmetische Änderung für einen kleinen Teil des Bodens bedeuten und keine echte Verbesserung bringen würden.

Nun zu Tagesordnungspunkt 11: Dazu kam es im Rahmen des Ausschusses zu einer heftigen Diskussion. Ich sage jetzt noch einmal, dass der Fokus bei allen Freigängern liegt. Aus sozialdemokratischer Sicht ist eine Änderung des Gesetzes notwendig, da es zu lasch und ungenau formuliert ist. Es lässt zu viele Schlupflöcher offen, die Tierleid verursachen, wie Tierschützer wie der Verein Streunerkatzen OÖ, Katzenjammer, Kat­zenfreunde Salzburg und Katzenkastration Salzburg zu Recht beklagen.

Wer seine Katzen nicht kastrieren will, meldet eine Zucht an. Diese sogenannten Zucht­katzen werfen dann ihre Jungen unbeobachtet, und die problematischen Streunerkat­zenpopulationen wachsen trotz Kastrationsgebot immer weiter an. Deshalb ist es not­wendig, die Definition von Zucht zu ändern. Probleme bei der Exekution und Kontrolle der Kastrationspflicht könnten so reduziert werden. Seriöse Züchter würden niemals ihre wertvollen Zuchttiere unkontrolliert herumlaufen lassen, da eine Verpaarung mit Streu­nern im Freigang ja immer möglich ist.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Antrag

gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR der BundesrätInnen Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kol­legen betreffend den Entschließungsantrag der Bundesräte Bettina Lancaster, Kollegin­nen und Kollegen betreffend eine Kastrationspflicht für alle Katzen, die mit freiem Zu­gang zur Natur gehalten werden

Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, dem gegenständlichen Entschließungsantrag 299/A(E)-BR/2021 die Zustim­mung zu erteilen.

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.49

Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Der von den BundesrätInnen Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eingebrachte Antrag, dem gegenständlichen Ent­schließungsantrag die Zustimmung zu erteilen, ist genügend unterstützt und steht dem­nach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.