12.30

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Es ist natürlich ein bisschen bedauerlich, wenn Sie ein bisschen Buntheit auf Straßen oder in der Gesellschaft nicht so mögen – ich mag das. Aber sei’s drum! Ich fand das auch ganz lustig, Herr Kollege Leinfellner, Andreas Gabalier hat nämlich genau dasselbe gesagt. Sie haben wortwörtlich Andreas Gabalier zitiert, das, was er bei der Amadeusverleihung gesagt hat. Mittlerweile ist es ihm auch unangenehm, und er macht jetzt einen eigentlich ziemlich coolen Song zum Thema. Aber sei’s drum!

Ich möchte natürlich trotzdem über den Antrag sprechen. Ich bin für den Antrag auch durchaus dankbar und dafür, dass dieses Thema hier behandelt wird – wir haben ja auch im Vorfeld darüber gesprochen –; ich bin sehr froh darüber, und ich finde das auch sehr gut. (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Ich finde das sehr gut – Herr Kollege Steiner, ich werde das jetzt ausführen, Sie brauchen nur zuzuhören –, und den Grund dafür möchte ich hier auch abfeiern, wenn das möglich ist: Ich habe hier das Stenographische Protokoll der Bundesratssitzung von vor ziemlich genau 50 Jahren, vom 21. und 22. Juli 1971. Da wurde hier im Bundesrat die sogenannte kleine Strafrechtsreform diskutiert, die wir dem damaligen Justizminister Broda zu verdanken haben, der für diese Republik tatsächlich sehr Großes geleistet hat. Er hat die Homosexualität aus dem Verbot herausgeholt, und dafür sollten wir ihm 50 Jahre später immer noch sehr dankbar sein.

50 Jahre später kann man natürlich auch sehen, dass die Diskussionen sehr andere geworden sind. Ich habe mir tatsächlich gestern Abend das Stenographische Protokoll von 1971 noch einmal zu Gemüte geführt, und es ist nicht so toll, das jetzt zu lesen. Man freut sich, dass die Homosexualität grundsätzlich legalisiert wurde, wenn man dann aller­dings liest, welche Prägungstheorien, die wissenschaftlich längst widerlegt sind, da bei allen Fraktionen noch üblich waren, dann sieht man auch, welche Entwicklung wir in 50 Jahren hatten.

Ich bin ja nun der einzige offen schwule Mann – zumindest von dem ich es weiß – in diesem Haus, der selber in seiner Jugend ein Coming-out hatte, und das auch noch in einer sehr religiösen Familie; meine Familie waren ja Zeugen Jehovas. Wer in solchen Verhältnissen aufgewachsen ist, kennt natürlich auch die Schwierigkeiten, was es be­deutet, wenn man als Jugendlicher draufkommt, dass man nicht den Erwartungen der Gesellschaft entspricht, dass man halt ein bisschen anders ist, als Familie, Verwandte und Freunde erwarten.

Frau Kollegin, da kommt auch meine Kritik am Antrag, die eine rein inhaltliche ist. Ich glaube aber, dass wir uns da zusammenraufen könnten und eine tolle Lösung finden können. Ich glaube – das ist meine Erfahrung als Politiker seit 20 Jahren –, wenn man will, dass es ein Beratungsangebot in ganz Österreich geben soll, dann braucht man auch eine Institution, die das leisten kann. Das ist wirklich ganz wichtig. Es gibt eine Institution, die wir auch unterstützen, das ist die Courage-Beratung. Die gibt es in vier Städten in Österreich, und die macht wirklich ganz hervorragende Arbeit. Wir müssen uns wirklich einmal beim Leiter der Courage-Beratung, Johannes Wahala, für seine großartige Arbeit bedanken. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.) Das heißt, es gibt ein Beratungsangebot.

Außerdem haben wir auch das Thema, das Herr Kollege Leinfellner angesprochen hat, und er hat in dieser Frage ja sogar recht, wenn auch nicht inhaltlich: Man stellt mittler­weile LGBTIQ oft ein bisschen als eine Community dar. Man hat diesen Sammelbegriff für verschiedenste Minderheiten gefunden, um gemeinsame Positionen zu entwickeln, was auch sehr wichtig ist. Die Bedürfnisse sind allerdings, wenn es tatsächlich um Be­ratung geht, extrem unterschiedlich, und keine Beratungsstelle könnte gewährleisten, dass alle erfüllt werden, denn intersexuelle oder Transgenderpersonen brauchen eine ganz andere Form von Beratung als ein schwuler junger Mann im Coming-out. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Eine intersexuelle Person, die mit beiden Geschlechtern geboren wurde, braucht eine ganz andere Beratung und auch ein ganz anderes medizinisches, psychologisches, so­ziales Know-how als Menschen, die man in einer Coming-out-Beratung empowern will; deswegen bin ich mir auch nicht sicher, ob eine Beratungsstelle sozusagen klug ist. Dazu kommt, und das möchte ich auch sagen: Die Beratung für die LGBTIQ-Community hat sich – und das hat sich in der Coronakrise noch verstärkt – sehr stark in Richtung online entwickelt. Unsere Treffen finden inzwischen viel häufiger online statt als offline. Ich glaube daher, wenn man ein vernünftiges Beratungsangebot flächendeckend in ganz Österreich anbieten möchte, dann braucht man das auf jeden Fall auch auf einer Online­ebene, und das ist keine Zuständigkeit der Bundesländer, wenn ich ganz ehrlich bin.

Welche Beratungsangebote wären das? – Was die sexuelle Gesundheit betrifft, gibt es gerade in Wien zum Beispiel sehr intensive Bestrebungen, die Aidshilfe umzufunktionieren, denn das Thema Aids hat sich ja auch sehr stark entwickelt. Es gibt in allen Bundes­ländern Aidshilfen, und die sind mittlerweile nicht mehr nur für Aids zuständig, sondern richtigerweise für die sexuelle Gesundheit an sich. Das heißt, wenn man Fragen zur sexuellen Gesundheit hat, dann sind die Aidshilfen die richtigen Beratungsstellen dafür.

Bei Fragen zum Coming-out oder bei psychischen Problemen gibt es die Courage-Be­ratung. Sollte die Courage-Beratung in der Lage sein, auch in anderen Bundesländern solche Beratungsstellen aufzubauen – ja wunderbar! Derzeit machen sie es in vier Hauptstädten, und das ist gut so, und wir unterstützen das auch finanziell.

Bei Rechtsfragen sind wieder ganz andere Kompetenzen gefordert. Wie ist das, wenn ich im Ausland verheiratet bin und wenn ich in dieses Land ziehe, welchen Diskriminie­rungsschutz habe ich, und was habe ich nicht? Ich verliere meine Arbeit aufgrund meiner sexuellen Orientierung, wie wehre ich mich dagegen? – Das sind wieder ganz andere Fragen als die psychologischen Fragen. Geschlechtsfragen bei Transsexualität oder Intersexualität sind wieder ganz andere Themen. Da braucht man wieder ein ganz ande­res Know-how und ganz anderes Wissen. Das kann man nicht in nur einer Beratungs­stelle machen, das geht nicht.

Dann gibt es natürlich die klassische Coming-out-Hilfe und die Vernetzungsmöglichkei­ten, die auch sehr wichtig sind. Da kann ich nur alle Schulen und Universitäten – die Universitäten und die ÖH machen da wirklich hervorragende Arbeit – einladen: Macht das, unterstützt das, dass es auch da Vernetzungsmöglichkeiten gibt. Das kann man im Rahmen der Schulautonomie in allen Schulen machen, und ich kann hier nur empowern, das auch wirklich zu tun.

Wir haben vor 50 Jahren in Österreich die Homosexualität legalisiert, mittlerweile dürfen wir heiraten, dafür haben wir auch lange gekämpft. Leider haben in diesem Land vor allem Gerichte dafür gesorgt, dass es eine Gleichstellung gibt. Das war für die Politik tatsächlich kein besonderes Ruhmesblatt, da sind wir uns, glaube ich, einig. Aber was mit Justizminister Christian Broda begann und mit der Entschuldigung von Alma Zadić bei allen Opfern von Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung vor einigen Wo­chen fortgeführt wurde, das ist ein erfreulicher Weg.

Ich als offen schwuler Mann kann nur sagen, ich bin ziemlich stolz darauf, was diese Community jetzt in diesem Land vorfindet, dass wir hier offen und, im Unterschied zum Beispiel zu Ungarn, ziemlich schön angstfrei leben können.

Auf einen Punkt möchte ich auch noch hinweisen, weil von Hass und Übergriffen die Rede war. Da bin ich Mario Lindner übrigens auch sehr, sehr dankbar dafür, dass er das aufgreift. Da haben wir als Bundesregierung auch etwas geschafft. Diese Hatecrimes werden jetzt zum allerersten Mal vom Innenministerium auch erfasst und somit in der Kriminalstatistik sichtbar werden, und das hilft uns natürlich irrsinnig, Genaueres zu wis­sen. Ich bin Innenminister Nehammer und der Kollegin, die früher bei uns war, Ewa Ernst-Dziedzic, wirklich sehr dankbar, dass sie das gemeinsam vereinbaren konnten, denn das hilft uns ja dann auch beim Bearbeiten dieser Hassverbrechen.

In diesem Sinne bin ich froh über diesen Antrag; wie gesagt, ich halte ihn inhaltlich für nicht besonders durchdacht. Ich glaube, dass wir da gemeinsam wirklich noch etwas voranbringen können. (Rufe bei der SPÖ: Oh! Genau!) – Nein, in der sexuellen Gesund­heit sind andere Fragen relevant als in Transgenderfragen oder bei der Coming-out-Sache – ich habe das jetzt, glaube ich, erklärt – oder bei Rechtsfragen. Da braucht man einfach unterschiedliche Kompetenzen, das kann eine einzige Beratungsstelle nicht leis­ten. Ich bin froh, dass wir das heute diskutieren konnten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

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