10.34

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Auch von mir und meiner Fraktion noch einmal alles Gute und viel Erfolg im Rahmen Ihrer Vorsitzführung hier! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sie kennen ja den Bundesrat sehr gut aus Ihrer Zeit als Verteidigungsminister, als Sie aufgrund der Abfangjäger bei uns ja fast Dauergast waren, und angesichts dessen ist mir auch aufgefallen, dass der Stil Ihrer Rede heute ein ganz anderer war als der Ihres Vorgängers van Staa, der hier dem Bundesrat gedroht hat: Wenn ihr mich kritisiert, dann werden wir andere Saiten aufziehen! (Heiterkeit des Landeshauptmannes Platter.)

Das Ganze hat dann in der Antwort eines Tiroler Bundesrates der ÖVP geendet, nämlich des Bundesrates Ager, der herausgegangen ist und gesagt hat: Herr Landeshauptmann, du „hast einmal mein Herz gehabt; du bekommst heute nicht einmal mehr meine Hand!“ – Ein solches Schweigen habe ich im Bundesrat selten mitbekommen, das war aber eine Tatsache, und ich wollte damit nur sagen: Es hat im Verhältnis zwischen Lan­deshauptleuten aus Tirol und dem Bundesrat auch schwierigere Zeiten gegeben. (Heiter­keit bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Himmer: ... anderer Zusammen­hang!)

Unser neuer Präsident hat bei Ihrer Begrüßung gesagt, dass Sie heute auch in der Europakammer des Parlaments zu Gast sind. Ich würde jetzt gerne ein Thema auf­greifen, das im Original nicht auf mich zurückgeht, sondern auf den allseits geschätzten, beliebten ehemaligen EU-Kommissar Franz Fischler. Er hat ja in diesen Tagen das Land Tirol gerügt und sein Bedauern darüber ausgedrückt, dass Tirol – eine Region, die das ganz besonders notwendig hat: Nordtirol, Südtirol und das Trentino – eigentlich keine aktive Europapolitik mehr macht und dass die Niederlagen, die Tirol in der letzten Zeit einstecken musste, wie zum Beispiel die Wegekostenrichtlinie mit der Eurovignette, die bei der Lkw-Maut keine Kostenwahrheit darstellt und einen Vorteil der Straße gegenüber der Schiene bedeutet, unter anderem auch dadurch zustande kommen, dass das gemeinsame Büro Nordtirol-Südtirol-Trentino seine Aufgabe in Brüssel im Grunde nicht erfüllt.

Fischler hat gesagt: Was es braucht, ist, neue Kanäle zu öffnen, die Kontaktpflege und so weiter und so fort. Die „Tiroler Tageszeitung“ meinte (erheitert), die Tiroler Vertretung in Brüssel sei phlegmatisch. Phlegmatisch können wir aber in der Zeit des wachsenden Transits und der Bekämpfung des Klimawandels nicht sein, und ich hoffe sehr, Herr Landeshauptmann, dass Sie da wiederum zu einer neuen Form des europapolitischen Auftretens Tirols kommen.

Nun zu den Wölfen, die Kollege Steiner angesprochen hat – das Thema ist heute mehrmals angesprochen worden –: Diese gehen nicht so einfach dadurch weg, dass man im Nationalrat irgendwo zustimmt. (Bundesrat Steiner: Na ja, man muss ... ab­schießen!) Da geht es nämlich um die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU, und die steht über nationalem Recht.

Schauen Sie doch einmal nach Frankreich! Die Europäische Kommission ist nicht gewillt, da nachzugeben. Und, Herr Landeshauptmann, in Südtirol hat man Frieden mit den Wölfen geschlossen. Es gibt darüber sogar Dokumentationen und Berichte. (Bundesrat Steiner: Na, na!) – Du kannst dir im Fernsehen – im deutschen zum Beispiel – anschauen, wie Südtirol das macht. (Bundesrat Steiner: Ja, aber das ist weit weg von Südtirol!) Nur à la Silvester Gfrerer den harten Hund zu spielen und mit dem Gewehr durch den Wald zu rennen, wird nicht funktionieren! Das wird nicht funktionieren, und deshalb wird man da mit der Europäischen Union in einen wichtigen Dialog eintreten müssen, ohne zu glauben, dass irgendein nationales Recht diese Richtlinie overrulet. Nein! (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Bundesrat Steiner: Ja sicher! Ja logisch! Ja, was passiert da?)

Kommen wir jetzt noch zur Außenpolitik Tirols zurück. Natürlich, da hat Kollege Steiner ausnahmsweise recht gehabt: Ich würde sagen, Ihr Verhältnis zum bayerischen Ministerpräsidenten ist insgesamt etwas abgenützt, nicht nur durch die Pandemie, sondern auch durch andere Bereiche. (Bundesrat Spanring: Das war nett ausgedrückt!)

Kommen wir zurück: Ich war die letzten Tage in Moldawien und habe dort die Wahl­beobachtungsmission geleitet, und da fing ein CDUler schon wieder mit Ischgl an. Dieser Schaden, den Ischgl für Tirol und für Österreich nach sich gezogen hat, kann weder mit vielen Millionen der Tirol-Werbung noch der Österreich-Werbung wettgemacht werden. Sie haben gesagt: Wir waren früh betroffen! – Ja, aber ihr wart auch früh informiert. Ihr habt die Informationen aus Island negiert! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Wenn das alles so super gelaufen wäre – an dem Chaos hat übrigens der Herr Bun­deskanzler einen ganz aktiven Anteil gehabt –, warum musstet ihr dann einen Unter­suchungs­ausschuss machen? Von diesem Untersuchungsausschuss hätte Europa zu­mindest erwartet, dass Sie personelle Konsequenzen ziehen, Herr Landeshaupt­mann – und nicht später eine chaotische Regierungsumbildung vornehmen –, denn dann wäre damit eine Antwort zum Ausdruck gebracht worden.

Wenn man in deutsche Medien schaut, sieht man – unglaublich! –, dass Abgeordneter Hörl mittlerweile nicht nur in Tirol, sondern auch in Deutschland eine bekannte Größe ist. Es gibt sogar einen Song, der in manchen Sendern rauf- und runtergespielt wird.

Und: Die Kommunikation in der Krise durch den Bezirkshauptmann von Landeck ist medientechnisch ein Komplettversagen. Dass so jemand wiederbestellt wird, ist unver­ständlich! (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: ... ÖVP-Freunde!)

Lieber Herr Kolland, wir alle sind sehr glücklich, dass die Biochemie Kundl als einzige Produktionsstätte für Antibiotika in Europa weiter existieren wird (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Genau!) Das war ein wichtiger Schritt des Landes Tirol und der öster­reichischen Bundesregierung, aber man soll eines nicht vergessen: Da hat die EU kräftig mitgeholfen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ohne Österreich und ohne die Länder wäre das nicht gegangen!) Man kann die Hilfe der EU nicht immer wegschieben, sie nicht erwähnen und sagen: Wir haben alles ganz alleine gemacht!, denn das ist nicht der Fall. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: ... nicht funktioniert!)

Seit gestern haben wir auch neue Helden aus Tirol: Ich kenne zwar die Firma nicht, aber der Inhaber des Spenglerbetriebs, der bis zum Verfassungsgerichtshof gegangen ist und recht bekommen hat, kann nur unsere Hochachtung verdienen. Dass außerdem in Lienz ein 13-Jähriger abgeschoben werden und jetzt mit seinem Großvater, bei dem er seit Jahren lebt, in Schubhaft kommen soll – ein 13-Jähriger, wir reden hier von Minder­jährigen! –, ist unfassbar. Ich hoffe, Herr Landeshauptmann, dass Sie sich in dieser Sache einsetzen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Im EU-Ausschuss hatten wir vor wenigen Tagen das Thema Nachhaltigkeit und die Nachhaltigkeitsberichte. Ich möchte jetzt ein Thema aufgreifen, das Tirol betrifft und bei dem ich sage: Das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun! Herr Landeshauptmann, Sie lassen das Land mit Chalets überziehen, überall entstehen Chalets. Das ist ein Flächen­verbrauch, das ist gegen die Ortsbildpflege, das ist gegen das Landschaftsbild, das ist alles in allem ein null nachhaltiges Tourismuskonzept. Dass da Häuser für Wohlhabende, Betuchte entstehen und verkauft werden, hat mit Nachhaltigkeit in keiner Weise irgend­etwas zu tun.

Ich hoffe, Sie stoppen diesen Unfug – ich weiß nicht, wie viele Chaletdörfer es mittler­weile in Tirol schon gibt, aber es werden schon sechs, sieben, acht sein –, dass sich dort irgendjemand Häuser kauft, dass Flächen dafür verwendet werden und dass das wie die Faust aufs Auge für die Ortschaften ist. Da geht es eigentlich um nichts anderes als Geldmachen. Dadurch entstehen langfristig keine Arbeitsplätze im Tourismus, dadurch entsteht gar nichts, außer dass es enorm stört und hässlich ist.

Ich glaube, im Sinne der Nachhaltigkeit wäre es gut, wenn die Tiroler Politiker über ihre Chaletpolitik noch einmal nachdenken. Ich höre, dass es ja auch in anderen Bundes­ländern der Fall ist. Hier könnte Tirol aber als positives Beispiel vorangehen und sagen: Wir denken darüber nach. – Ich glaube, das wäre wirklich kein falscher Weg.

In diesem Sinne, Herr Landeshauptmann, hoffe ich, Sie finden zu einer aktiven Euro­papolitik dieser Region zurück – Sie haben ja mit Franz Fischler einen wunderbaren Kämpfer an der Seite –, denn ich glaube, das ist notwendig. (Zwischenruf bei der ÖVP.) In diesem Sinne noch einmal alles Gute und danke, dass Sie sich anders präsentiert haben als Ihr Vorgänger van Staa. (Beifall bei der SPÖ.)

10.46

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Schilchegger. Ich erteile dieses.