11.12

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen, Kollegen und Zuseher zu Hause vor den Bild­schirmen! Ich habe mir „Kampf gegen das Artensterben“ aufgeschrieben – es ist schon viel gesagt worden. Wenn man das Ganze betrachtet: Es hat Millionen von Jahren gedauert, bis die biologische Vielfalt an Arten von Tieren und Pflanzen auf unserem Planeten so entstanden ist, wie wir sie heute vorfinden, und diese beeindruckende Bio­diversität ist eigentlich der wahre Reichtum unseres Planeten. Ich glaube, ich als Bürger­meister einer Nationalparkgemeinde in den Hohen Tauern, Mallnitz, kann beurteilen, wie das Thema Biodiversität behandelt wird.

Man muss natürlich dazusagen, dass im Laufe der Jahrmillionen in dieser Evolution viele Arten wieder verschwunden sind und dass es natürlich auch bei normalen Prozessen ein massives Massensterben gab, ausgelöst durch gewaltige Naturkatastrophen. Ein solches Massensterben scheint auch jetzt wieder voll im Gang zu sein. Der Unterschied ist jedoch das rasante Tempo, mit dem es geschieht, und vor allem die Ursache, die nicht in Katastrophen begründet ist, sondern vor allem in uns, dem Menschen, der dafür verantwortlich ist.

In der Gegenwart sterben hundertmal mehr Arten, als bei einer natürlichen evolu­tions­bedingten Rate zu erwarten wären. Es verschwinden – das wurde auch schon gesagt – pro Tag etwa 150 Arten für immer vom Planeten. Noch nie, seit Menschen auf der Erde existieren, befand sich die Natur in einem derart schlechten Zustand wie heute. Das Artensterben ist neben der Klimakrise wohl die größte Bedrohung weltweit. Auf der aktuellen Roten Liste erfasst die Weltnaturschutzunion IUCN nun fast 37 500 Tier- und Pflanzenarten als bedroht – das sind mehr als je zuvor.

Ich glaube – und vielleicht ist das auch ein Anstoß für die Frau Bundesministerin –, es braucht einen wirklich funktionierenden Masterplan für die nächsten Jahre, langfristig gesehen. Ich glaube aber auch, dass es einen kurzfristigen Plan braucht, der unter Umständen jährlich evaluiert wird, wo Ergebnisse veröffentlicht und eventuell auch Sanktionen für die Zukunft verhängt werden. Österreich könnte da eine Vorreiterrolle spielen.

Zu den weltweit wichtigsten Bedrohungsfaktoren für die Artenvielfalt zählen vor allem der Lebensraumverlust und die massive Übernutzung der natürlichen Ressourcen. Dazu kommen noch die Umweltverschmutzung, die Klimakrise und die Verdrängung der heimischen Flora und Fauna durch eingeschleppte Arten. Auf dieser Roten Liste stehen auch Tiere unserer Heimat, wie schon gesagt worden ist.

Es hat aber auch – das muss man der Landwirtschaft auch sagen – die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung seit den Sechzigerjahren einen erheblichen Anteil am Rückgang von Pflanzen- und Tierarten auf Wiesen, Weiden und Äckern. Die Gründe hierfür sind vielfältig, zum Beispiel eine starke Zufuhr von Mineraldüngern und Gülle, Anwendung von Unkrautbekämpfungsmitteln, Herbiziden, eine frühe Mahd, Entwäs­serun­gen von Feuchtwiesen und Umbruch von Grünland. Die Folgen sind artenarmes Intensivgrünland und Äcker, auf denen wilde Pflanzenarten kaum noch zu finden sind. In Kärnten versucht die Frau Landesrätin für Umwelt, Sara Schaar, immer wieder, Blumenwiesen in verschiedenen Gemeinden zu machen und Menschen zu finden, die das in dieser Art und Weise umsetzen.

Auch der Mensch verursacht den Klimawandel und macht der Artenvielfalt zu schaffen – auch der Mensch verursacht das. In Österreich sind vor allem Ökosysteme mit langer Entwicklungsdauer und Lebensräume in den Alpen, also dort, wo ich wohne, oberhalb der Waldgrenze betroffen. Moore und Wälder mit viel Altholz können sich nur langsam an den Klimawandel anpassen. Durch den klimabedingten Anstieg der Waldgrenze im Gebirge wird ein großer Anteil der heutigen Lebensräume verloren gehen.

Tiere und Pflanzen können mit dem raschen Temperatur- und Klimawandel ganz einfach nicht mehr umgehen – man bedenke den Temperaturanstieg, in etwa eineinhalb Grad und unter Umständen in der Zukunft noch mehr. Wir haben in den letzten Jahren in unserer Gegend eine Menge an Unwettern gehabt, und nicht nur in unserer Gegend, weil es einfach so ist, dass diese Streams, die normalerweise durchziehen, stehen bleiben und unter Umständen irrsinnig viel Trockenheit erzeugen, wenn es heiß ist, oder, wenn viel Dampf aufsteigt, gewaltige Regengüsse, sodass dann Muren abgehen – wobei das bei uns dann in höheren Lagen halt Lawinen sind –, und Hunderttausende Kubikmeter Holz – das muss man dazusagen – von uns aus gesehen bis nach Südtirol liegen dann am Boden, das wieder aufgearbeitet werden muss. Wenn durch die Erderwärmung beispielsweise Pflanzen schon früher im Jahr zu blühen beginnen, aber die Bestäuber wie Bienen und Schmetterlinge und so weiter ihren Rhythmus nicht im gleichen Tempo anpassen können, dann finden die aufeinander angewiesenen Lebe­wesen nicht mehr zueinander. Das gebe ich auch zu bedenken.

Es gibt viele Bereiche, in welchen dringender Handlungsbedarf besteht. Natürlich sind die Anstrengungen im Kampf gegen die Klimakrise ein globales Thema, das ist keine Frage.

Die exzessive Verbauung der Böden – auch das wurde schon genannt –, welche in Österreich erschreckend hoch ist, ist allerdings ein Problem, das auch nur hier gelöst werden kann. Wenn wir 100 Quadratmeter wertvollen Boden pro Minute in unserem Land zubetonieren, dann wird irgendetwas passieren, von dem wir nun die ganze Zeit reden.

Etwas ist mir auch aufgefallen – das ist auch öfter genannt worden –, nämlich dass diese Tausenden Althäuser leer stehen. Das vollmundige Bekenntnis zur Reparaturge­sell­schaft in dieser Hinsicht ist ein weiteres Kennzeichen – ja, da müsste man doch schon viel mehr tun! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

Der bewusste Umgang mit dem wertvollen Boden muss in jeder Stadt, muss bei uns in den Gemeinden neu überlegt werden und muss in einer sensiblen, nachhaltigen Raum­planung seinen Widerhall finden. Jede Ressource, die wir der Erde entnehmen, sollte eigentlich wieder zurückgeführt werden. Das wäre wünschenswert.

Ich wäre jetzt nicht hier, wenn ich nicht noch einen Satz zu Pestiziden und Glyphosat sagen wollte: Das im Privatbereich nicht mehr zu verwenden, haben wir zwar im Bundes­rat beschlossen, aber in der Landwirtschaft wird es noch immer sehr stark verwendet, und es steht wieder vor der Zulassung in der EU – und die Lobbyisten werden sich dort anstellen, weil es da ja um Milliarden Euro geht. Ich hoffe nur, dass Österreich mit Ihnen, Frau Bundesminister, vielleicht auch mit der Landwirtschaftsministerin dort Gehör findet, sodass das nicht mehr in die Umwelt gebracht wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Schererbauer.)

Die Auswirkung menschlicher Aktivitäten auf ein erträgliches Maß zu begrenzen muss ebenso ein globales Zukunftsprojekt sein. Es braucht aber auch Anstrengungen auf allen Ebenen. Wir müssen die Natur und die Wildnis schützen. Wir müssen dabei sowohl großflächige Naturlandschaften wirkungsvoll schützen, wie dies bei uns im Nationalpark der Fall ist, als auch naturnahe Lebensräume erhalten oder diese wieder schaffen, weg von der industrialisierten Landwirtschaft, weg von der Bauwut – mehr Raum dem Leben, den Arten und der biologischen Vielfalt in unserem Land!

Es werden seit 20 Jahren – und die Frau Bundesministerin wird das wissen – bei uns im Nationalpark jährlich Verbreitungsdaten von Flora und Fauna aus der gesamten Natio­nalparkregion erhoben. Diese Datenbank umfasst jetzt schon 490 000 Datensätze, also man kann sich vorstellen, wie viel da schon erhoben worden ist.

Frau Bundesministerin, Sie haben anlässlich einer Nationalparkratssitzung mit den Ver­tretern der Bundesländer des Nationalparks Hohe Tauern einmal gesagt: „Artenvielfalt ist unsere Lebensversicherung. Sie sichert uns gesunde Lebensmittel und saubere Luft, schützt uns vor Naturgefahren und hilft uns bei der Anpassung an den Klimawandel.“ – Ihr Wort, bitte, in Gottes Ohr!

Nur: Wir werden in Zukunft mehr dazu beitragen müssen, das alles umzusetzen, was wir uns alle vorstellen. Sonst werden wir ein böses Erwachen haben. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der Grünen.)

11.22

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Schererbauer. Ich erteile ihm dieses.