11.22

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Ge­schätzte Mitglieder des Bundesrates! „Der Mensch ist die dümmste Spezies! Er verehrt einen unsichtbaren Gott und tötet eine sichtbare Natur, ohne zu wissen, dass diese Natur, die er vernichtet, der unsichtbare Gott ist, den er verehrt.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befinden uns mitten im größten Arten­sterben in der Geschichte der Menschheit. Der Bestand wild lebender Arten ist weltweit um 40 Prozent zurückgegangen. In Österreich ist fast jede dritte heimische Tier- und Pflanzenart gefährdet. Täglich sterben global 150 Arten aus, mit katastrophalen Folgen für ganze Ökosysteme und schlussendlich auch für den Menschen. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Der Rückgang der Artenvielfalt ist leider Gottes auch bei uns in Österreich erschreckend, und die Klimakrise spielt dabei eine zunehmende Rolle. Für bereits gefährdete Tier- und Pflanzenarten werden sich die Bedingungen durch Wetterextreme, zunehmende Hitze und eingewanderte Arten empfindlich verschlechtern. Etwa die Hälfte unserer Tagfalter ist bedroht, das Rebhuhn gilt in Vorarlberg und Kärnten bereits als ausgestorben, und etwa die Hälfte unserer einheimischen Fischarten, wie zum Beispiel der Huchen, steht auf der Roten Liste.

Österreich ist eines der artenreichsten Länder Mitteleuropas. Fast 3 000 Pflanzenarten und 54 000 Tierarten, davon alleine 40 000 Insektenarten, bevölkern unser Land. Doch die Biodiversität schwindet dramatisch. In 20 Jahren sind beispielsweise 42 Prozent der Brutvögel in der heimischen Kulturlandschaft verloren gegangen. Jede dritte Art steht auf der Roten Liste.

Weltweit sind etwa eine Million Arten vom Aussterben bedroht, wobei die meisten Tier- und Pflanzengruppen betroffen sind. Schuld daran sind keine Vulkanausbrüche oder Asteroideneinschläge, sondern schuld ist der Mensch selbst.

Das Insektensterben in unseren Breiten ist in erster Linie synonym mit dem Sterben his­torisch gewachsener Lebensräume in der Kulturlandschaft, vor allem infolge intensiver Landwirtschaft, Flächenfraßes und chemischer Emission. Außerdem schlägt im Hoch­gebirge die globale Erderwärmung gnadenlos zu.

Ja, der Mensch ist nicht nur Verursacher des Artensterbens, sondern er ist auch unmit­telbar davon betroffen. Intakte Ökosysteme sind lebenserhaltend für die menschliche Gesellschaft. Wir leben von Biodiversität, nicht nur in Form von Nahrung und Heiz­material. Die Ökosysteme sind etwa auch die Grundlage von sauberem Trinkwasser und haben auch eine Erholungsfunktion. Diese Ökosystemdienstleistungen sind ursächlich mit der Erhaltung der Biodiversität verbunden. Biologische Vielfalt, das Verschiedensein und die unterschiedlichen Toleranzen der Arten sind nicht etwa eine unbedeutende Spielerei der Natur, sondern Grundlage für alles Leben und sein weiteres Bestehen in der Zukunft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt jedoch auch im Kampf gegen diese Krise sogenannte CO2-Wunderwaffen. Eine davon sind unsere Moore. Obwohl sie nur 3 Prozent unserer Erde bedecken, speichert schon dieser kleine Teil fast 30 Prozent des weltweit im Boden vorhandenen Kohlenstoffs. Sie sind wahre Hotspots der Biodiversität, seltene Tiere und Pflanzen wie der Balkanmoorfrosch oder der fleischfressende Sonnentau kommen nur in Mooren vor.

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Moore entwässert, mit schwerwiegenden Folgen: Wenn Moore trocknen, entweicht das gespeicherte CO2.

Seit einigen Jahren gibt es aber Gott sei Dank auch ein großes Umdenken. Rund 15 Pro­zent der heimischen Moore sind heute geschützt und werden im Rahmen von Natur­schutzprojekten revitalisiert. Erfolgreiche Beispiele sind die Karwendelmoore in Tirol oder die Renaturierung des Pürgschachenmoors in der Steiermark, nicht zu vergessen das Ibmer Moor, mit rund 2 000 Hektar die größte zusammenhängende Moorlandschaft Österreichs, und das Tannermoor in meinem Heimatbundesland Oberösterreich.

Revitalisierte Moore können wieder CO2 speichern. Die Erhaltung der Moore kommt also dem Klimaschutz und der Artenvielfalt zugute.

Die Wunderwaffe Nummer eins jedoch sind unsere Wälder. Am Amazonas und am Kongo schreitet die Zerstörung dieser einzigartigen Natur ungebremst voran, und seit längerer Zeit wird auch noch die letzte grüne Lunge Europas zerstört: Ich spreche von den Karpaten mit den letzten Urwäldern unseres Kontinents. Sie werden in der Klimakrise unersetzlich, denn sie speichern unglaubliche 250 Milliarden Tonnen CO2. Dabei ist das, was in den Karpaten auf dem Spiel steht, ein einzigartiges Naturparadies. Dort haben Bären, Luchse und Wölfe ebenso eine Heimat wie viele anderswo längst ausgestorbene Pflanzen.

Während Klimaaktivisten seit längerer Zeit Fahrverbote in Städten fordern oder zum Flugshaming aufrufen, damit der CO2-Ausstoß gesenkt werden könne, absorbiert eine einzige 150 Jahre alte Buche unglaubliche 9 Tonnen CO2. Das ist ungefähr so viel, wie ein Auto auf 56 000 Kilometern Fahrt ausstößt. Doch solche und noch viel ältere Bäume werden rücksichtslos abgeholzt. Die Wunderwelt Wald wird mehr und mehr aus reiner Gier und Rücksichtslosigkeit zerstört.

Jeder umgefallene Baum, jeder Ast und jeder Pilz erfüllt eine Funktion in einem kom­plexen Ökosystem. Die uralten, wuchtigen Bäume sind über Pilznetzwerke miteinander verbunden, kommunizieren und kooperieren, nehmen große Mengen an Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf, stabilisieren so unser Klima und bilden in den Karpaten die grüne Lunge Europas. Frau Bundesminister, bitte setzen Sie sich mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür ein, dass diese einzigartige Naturlandschaft auch in Zukunft erhalten bleibt! (Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und Grünen.)

Was aber können wir, was kann jeder Einzelne von uns dazu beitragen, das Arten­sterben zu stoppen? – Wie wäre es zum Beispiel damit, den eigenen Garten nachhaltig zu gestalten statt als grauen, leblosen, pflegeleichten Garten, wo jede Biene oder jeder Schmetterling beim Darüberfliegen mit Selbstmordgedanken zu kämpfen hat? (Allge­meine Heiterkeit.) Diese Gärten sind nämlich ebenfalls schuld am Artensterben. Wie wäre es mit dem Pflanzen von bienenfreundlichen Sträuchern, von Obstbäumen, dem Anlegen von Blumenwiesen oder Streuobstwiesen und vielem mehr, einer Art Mekka der Artenvielfalt?

Übrigens: In Dänemark sind Landwirte gesetzlich dazu verpflichtet, Feldblumen für die Bienen auf 5 Prozent ihres Landes einzubauen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das halte ich für eine Topidee, das finde ich wirklich lobenswert. (Beifall bei der FPÖ.)

Man kann zum Beispiel auch biologisch oder regional einkaufen. Die moderne Land­wirtschaft setzt oft Pestizide ein, um Unkraut und Schädlinge zu bekämpfen und somit höhere Erträge zu erwirtschaften. Langfristig schadet das jedoch den Erträgen, da auch Nützlinge wie Wildbienen verschwinden und die Bodenfruchtbarkeit abnimmt. Wenn man etwas für mehr Biodiversität tun möchte, sollte man bevorzugt auf Lebensmittel aus ökologischem Anbau setzen und zum Beispiel am Wochen- oder Bauernmarkt regionale Produkte kaufen.

Man sollte auch verstärkt sein eigenes Konsumverhalten hinterfragen und da richtig an­setzen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!) Wir produzieren beispiels­weise jede Menge Plastikmüll, der in die Umwelt gelangt und jedes Jahr Millionen von Meerestieren das Leben kostet. Ob Becher aus Plastik oder andere Konsumgüter, bei jedem Kauf sollte man sich fragen: Brauche ich das wirklich?

Grundsätzlich ist es gar nicht so schwer, etwas gegen das Artensterben zu tun. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, welche Folgen das eigene Verhalten für Tier- und Pflan­zenarten hat und was man selbst ändern kann. Wir alle können und müssen zu einer nachhaltigen Lebensweise unserer globalen Gesellschaft beitragen. Noch ist es nicht zu spät. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

11.31

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesrat.

Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. – Ich erteile es Ihnen. Auch Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten.