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Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen! Selbstverständlich, Herr Minister, unterstützen wir das aktuelle Gesetzesvorhaben – ich beziehe mich auf das betreffend Armutsbekämpfung. Es geht bei diesem darum, wie Sie schon ausgeführt haben, 24 Millionen Euro für die Vermeidung von Delogierungen und damit von Wohnungslosigkeit bereitzustellen.

Seit Beginn der Pandemie machen wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen darauf aufmerksam, dass Kurzarbeit über Monate hinweg zu Einkommensverlusten führt und dass der Verlust des Arbeitsplatzes von einem Tag auf den anderen auch Existenz­bedrohung bedeutet, vor allem wenn man oft unverschuldet mit der Hälfte des bisherigen Einkommens auskommen muss. In diesem Zusammenhang fordere ich erneut die Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des vorherigen Gehalts. (Beifall bei der SPÖ.)

Und ja, in so einer Situation steht dann auch die Wohnung oder das Eigenheim auf dem Spiel, wenn dann die Stundungen, die es zum Glück gegeben hat, das heißt das Aus­setzen dieser Forderungen, auslaufen und die Forderungen irgendwann schlagend wer­den. Das war ja vorhersehbar. Von Anfang an habe ich mich gefragt, wo am Ende der Pandemie plötzlich so viel Geld da sein soll, um die gestundeten Forderungen erfüllen zu können. Das ist eben das Verflixte an diesen Stundungen, dass es dann doch irgend­wann aus ist und die Forderungen schlagend werden. Jedenfalls werden jetzt viele, viele Menschen, die sich bisher vielleicht niemals vorstellen konnten, dass ihnen das pas­sieren wird, darauf angewiesen sein, dass man sie in dieser Situation unterstützt.

Apropos Unterstützung: Heute haben wir in den Nachrichten gehört, dass 160 000 Fa­milien in Österreich beim Familienhärtefonds um eine Unterstützung angesucht haben, aber davon – das muss man sich vorstellen! – 40 000 Anträge abgelehnt und zusätzlich 18 000 Anträge nicht abgeschlossen wurden. Das ist eine enorme Zahl und bereitet mir schon sehr großes Kopfzerbrechen, dass doch so viele Menschen nichts bekommen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nicht nur eine Mildtätigkeit, dass der Staat bei drohender Delogierung einspringt, es ist im Gesamtinteresse der Gesellschaft – das haben Sie, Herr Minister, auch gerade gesagt –, denn was Wohnungslosigkeit mit Menschen macht, ist katastrophal. Es hat verheerende gesundheitliche, psychische und soziale Folgen, und das wirkt sich meis­tens – auch da schließe ich mich an – auch auf die Lebensdauer aus.

Die Bawo, das ist die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, hat ja bereits so einen Härtefallfonds zur Wohnungssicherung gefordert. Sie fordert aber auch, dass unbefristete Mietverhältnisse wieder die Regel werden müssen und dass man auch dauerhaft die Miethöhe begrenzt. Ein neues Mietrecht fordern wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen seit vielen Jahren, weil langfristig ein Handlungsbedarf besteht. Diese Bawo, diese Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, Herr Minister, for­dert auch, dass die Mindestsicherung, die Sozialhilfe, auf ein armutsfestes Niveau ange­hoben wird, und auch das fordern wir schon lange. In dem Fall fordern wir gemeinsam mit den NEOS und übrigens auch mit den neun Soziallandesreferenten und –referen­tinnen eine Evaluierung dieses Systems und auch eine Behebung der Schwächen durch eine Reform dieser Sozialhilfegesetzgebung. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Zusammenhang bringe ich daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Sozialhilfe-Grundsatzgesetz reparieren, Armut wirksam be­kämpfen!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, umgehend mit den Ländern in Verhandlungen einzutreten mit dem Ziel, dass dem Nationalrat und dem Bundesrat bis längstens 30. Juni 2022 ein Gesetz vorgelegt wird, mit dem die Sozialhilfe wieder als armutsvermeidende und -bekämpfende Leistung verankert wird. Festzulegen ist unter anderem eine Mindestleistung, die allen Bezieher*innen ein Leben ohne Armuts­gefähr­dung sichert. Insbesondere bedarf es in der Sozialhilfe einer Kindergrundsicherung, damit alle Kinder in unserem Land gleiche Chancen auf eine gute Zukunft erhalten.“

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So weit unser Entschließungsantrag.

Herr Minister, ich habe es auch schon bei Ihrem Vorgänger deponiert und auch eine entsprechende Anfrage dazu gestellt: Im Regierungsübereinkommen ist ein nationaler Aktionsplan zur Armutsbekämpfung angekündigt, in dem festgeschrieben wird – was wirklich begrüßenswert ist –, dass Armut um die Hälfte reduziert werden soll. Wir finden, jetzt wäre es höchste Zeit, das zu tun, das wahr zu machen. Wir fragen uns, worauf gewartet wird. Dieser Aktionsplan ist längst überfällig. Die Zivilgesellschaft wie beispiels­weise die Volkshilfe springen ein und erarbeiten wirksame Modelle zur Kindergrund­siche­rung und damit zur Armutsbeseitigung. Wir als SozialdemokratInnen finden aber, dass das schon eine staatliche Anstrengung sein muss und nicht auf die Zivilgesellschaft abgewälzt werden darf. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Hoffnung habe ich (Bundesrat Steiner: Redet und redet und redet!), nämlich auf­grund der kürzlich beschlossenen Europäischen Kindergarantie, denn diese verpflichtet die Nationalstaaten, binnen neun Monaten solche nationalen Aktionspläne vorzulegen. Da hoffe ich wirklich, dass das auch in Österreich einen Turbo in Sachen Bekämpfung der Armut, nämlich der nachhaltigen Bekämpfung von Armut, bringen wird, denn – das ist meine tiefste Überzeugung –: Armut ist kein bemitleidenswerter Zustand, Armut ist eine politische Entscheidung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

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