12.02

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn man meinen Vorrednerinnen und Vorrednern zugehört hat, würde man meinen, dass wir in der Sache eine sehr hohe Übereinstimmung haben. Das orte ich in vielen – ich nenne es jetzt polemisch – Sonntagsreden immer wieder, nämlich dass es da eine große Übereinstimmung gibt, wie wichtig dieser Bereich ist, dass die KollegInnen gute Bezahlung brauchen, und wir bedanken uns mehrfach bei ihnen – nur kommt es bei den KollegInnen vor Ort und bei den Kindern derzeit nicht an. Das ist unsere Haupt­kritik.

Wir beschließen mit dem vorliegenden Gesetz Maßnahmen zur Ausbildung von Personal in den Kindergärten, in den elementarpädagogischen Einrichtungen, und das ist so weit einmal so gut, das ist wichtig. In dieser Vorlage zeigen sich aber zwei Phänomene, die für diese ganze Elementarbildungslandschaft in Österreich bedeutend sind. Das eine ist die Zerstückelung des Systems, nämlich diese mindestens neun verschiedenen Syste­me im Bereich der Elementarbildung. Das hat auch mit neun verschiedenen Öffnungs­zeiten zu tun, mit neun verschiedenen Jahresschließzeiten, mit diesen unterschiedlichen Bedingungen, die Eltern in den neun Bundesländern vorfinden.

Auch an den, wie schon erwähnt, verschiedenen Bezeichnungen der KollegInnen, die dort arbeiten, wird klar, wie verschieden und divers diese Landschaft ist. Wir haben uns zum Glück vom Begriff der Tanten, wie wir diese Kolleginnen in unserer Zeit vielleicht noch genannt haben, verabschiedet. Das wird den Anforderungen und ihrer Qualifizie­rung bei Weitem nicht gerecht, davon haben wir uns hoffentlich verabschiedet. Wir nennen sie jetzt KindergärtnerInnen oder, mit dem Beschluss dieser Vorlage, ganz zu Recht ab jetzt ElementarpädagogInnen.

Schlimmer ist es allerdings bei den KollegInnen, die in diesem Bereich zuarbeiten. Da gibt es keine Einheitlichkeit, und jeder von uns im Saal würde sie wahrscheinlich anders nennen. Die einen nennen sie HelferInnen, die anderen AssistentInnen, die dritten Be­treuerInnen. Das zeigt auch, wie wenig Aufmerksamkeit diese Berufsgruppe bisher hat­te, und das muss sich dringend ändern. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht nur die Bezeichnungen sind unterschiedlich – das ist vielleicht ein sehr sichtbares Zeichen dafür, wie es um diesen Bereich steht –, sondern auch die Arbeitsbedingungen sind sehr unterschiedlich. Das Einzige, das durchgängig ist, ist die durchgängig schlech­te Bezahlung dieser Assistentinnen/Helferinnen/Betreuerinnen – es sind zu 90 Prozent Frauen. Und beides kommt nicht von ungefähr, auch das muss man einmal so benen­nen.

Das nächste Phänomen, das in dieser Vorlage behandelt wird, meiner Meinung nach aber nicht ausreichend, ist das Thema Personalknappheit. Wir haben es vorhin schon gehört: Nur ungefähr 20 bis 25 Prozent der jungen Menschen, die diese Bafeps absol­vieren, also die Matura mit diesem Schwerpunkt ablegen, treten tatsächlich in den Beruf ein. Und das ist kein Vorwurf  ich finde, diese jungen Menschen, diese vor allem jungen Frauen, haben das gute Recht, mit 18 oder 19 Jahren zu sagen: Ich will jetzt noch nicht täglich meinen Alltag mit 25 Kindern verbringen, ich möchte mich weiterqualifizieren, ich möchte zuerst noch andere Dinge in der Welt erleben.  Es ist aber nicht nur dem geschuldet, dass sie noch jung sind und etwas anderes ausprobieren wollen. Sie wissen, dass das ein Knochenjob ist und dass die Bedingungen nicht so sind, dass man sagt: Ich mache das mit meinen 18, 19 Jahren, es wird mir leicht fallen.

Darum: Es ist wichtig und gut, neue Möglichkeiten der Ausbildung zu schaffen, neue Personengruppen anzusprechen. Wir machen als Trägereinrichtung sehr gute Erfah­rungen mit QuereinsteigerInnen, auch mit spät berufenen EinsteigerInnen. Sie steigen nämlich mit einer noch einmal anderen Motivation in den Beruf ein. Sie sind dann oft sehr stabil und bleiben. Wir finden es also notwendig, solche Lehrgänge anzubieten, auch über die PHs; nur helfen uns diese 130 pro Jahrgang, die da ausgebildet werden, aktuell nur wenig. Wir bräuchten wahrscheinlich zehn von diesen Lehrgängen, und zwar jetzt! Wir brauchen diese Menschen jetzt, wir können nicht warten, bis sich das entwi­ckelt, wir brauchen dringend mehr Menschen, die in diesem Bereich ausgebildet werden.

Die Tatsache, dass es derzeit viele offene Stellen gibt, die nicht mit dem adäquaten Personal besetzt werden können, hat mehrfach Konsequenzen. Das ist einerseits schädlich für das bestehende Personal. Diese Menschen müssen die Ausfälle nämlich abfangen. Sie sind eh schon belastet und müssen mit weniger qualifiziertem Personal auskommen. Die andere Konsequenz ist, dass sich das natürlich auch auf die Betreu­ungs- und die Bildungssituation der Kinder auswirkt. Beides ist nicht akzeptabel.

Diese Ausbildungen sind daher nicht, wie meine Vorrednerin gesagt hat, die Lösung des Problems, weil sie das ursprüngliche Problem nicht an der Wurzel packen. Es ist eine Maßnahme, um mehr Personen in diesen Bereich zu bekommen. Notwendig aber wäre ein wirklich großer Wurf: dass man die Arbeitsbedingungen in diesem Bereich so auf­stellt, dass Menschen den Beruf gern ergreifen, ihn gern ausüben und in diesem Beruf bleiben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Lackner.)

Ich möchte noch eine Möglichkeit einbringen, Menschen, die bereits in diesem Bereich Fuß gefasst haben, auch zu behalten, und zwar geht es mir noch einmal um die Assis­tentInnen und HelferInnen. Es wäre aus meiner Sicht enorm wichtig, ihnen leichtere Auf­stiegsmöglichkeiten anzubieten. Es gibt nämlich viele AssistentInnen, HelferInnen, Be­treuerInnen – wie auch immer wir sie nennen –, die große pädagogische Talente sind, die trotz dieser Bedingungen seit Jahren in diesem Job arbeiten. Es wäre dringend not­wendig, ihnen zu ermöglichen, sich auf leichte Art und Weise zur Pädagogin ausbilden zu lassen, sich weiterzubilden.

Die Hürden, die sie mir nennen, warum sie es nicht machen, sind die Mathematik- und Englischmatura, die sie nachmachen müssen. Da muss man, glaube ich, wirklich gut darüber nachdenken, ob das notwendig ist, wenn eine Person in diesem Bereich gute Arbeit macht und sich qualifizieren möchte  was dann wirklich die Hürden sein sollten oder was die Anforderungen an sie sind.

Noch ein Wort zu den SonderkindergärtnerInnen, die ab jetzt zu Recht Inklusive Elemen­tarpädagogInnen heißen sollen – eine gute Bezeichnung –: Diese fehlen uns im ganzen Land noch viel mehr als die normalen PädagogInnen, weil die Anforderungen an sie noch einmal spezieller sind. Man muss sich bewusst für so eine Ausbildung entscheiden.

Es wird mit diesen vielen, vielen Baustellen einfach sichtbar, dass die Arbeitsbedin­gungen, die Rahmenbedingungen in diesem Job nicht reichen, und das wirkt sich auf unsere Kinder aus. Ich sage es noch einmal, manches ist schon genannt worden: Es braucht mehr Anerkennung. Es braucht nicht mehr Dank. Das Danke alleine genügt nicht mehr, es braucht jetzt Maßnahmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Es braucht mehr erwachsene Köpfe in den Einrichtungen. Wien geht dabei jetzt einen Zwischenschritt und versucht, die aktuelle Personalnot zu lindern, indem jetzt wirklich viel mehr AssistentInnen angestellt werden. Das bringt kurzzeitig Entlastung, ist aber keine nachhaltige Lösung. Es braucht mehr Zeit für Vorbereitung und Elternarbeit, und es braucht vor allem AssistentInnen mit einer besseren Bezahlung.

Dass diese Tausenden KollegInnen in der letzten Woche auf der Straße waren, muss für uns ein Weckruf sein, die derzeitigen Bedingungen zu verbessern. Dabei muss der Bund die Länder und Gemeinden unterstützen. Wir kommen nicht darum herum, hier Geld und Ressourcen in die Hand zu nehmen.

Umso mehr empört es uns, dass eine Milliarde Euro – oder sogar mehr als eine Mil­liarde –, die schon vorgesehen gewesen wäre und mit der wir heute im Ausbau und im Schaffen guter Rahmenbedingungen schon wesentlich weiter sein könnten, rein aus Machttaktik, rein aus Machtrausch verhindert worden ist. Das ist unverzeihlich, denn das ist auf dem Rücken der Eltern und Kinder ausgetragen worden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Auch im vorliegenden Budget sehen wir nicht, dass ein großer Wurf und eine große Anstrengung in diesem Bereich vorgesehen sind. Das ist wieder versäumt worden, und darum bringe ich einen Entschließungsantrag ein. Wir wollen, dass es dezidiert, ausge­wiesener- und ausgesprochenerweise, dieses Mehrgeld, diese Milliarde für Kinderbe­treuung gibt.

Deshalb stelle ich folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gerechtigkeit für die Kinder in Österreich“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend im Bundesfinanzrahmen zusätzliche 1,2 Milliarden Euro für den Ausbau für Kinderbetreuung, sowie den Ausbau von Nach­mittagsbetreuung und ganztägigen Schulformen bereitzustellen, um so rasch einen Rechtsanspruch auf ganztägige, kostenfreie Kinderbildungseinrichtungen ab dem ersten Geburtstag umzusetzen.“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister, noch ein letztes Wort an Sie: Heute war schon Ihr Kollege Arbeitsminister Kocher hier, der auch betont hat, wie wichtig ihm das Anliegen des Ausbaus der Kinder­betreuung, Kinderbildung und Elementarbildung ist. Damit das keine Sonntagsreden bleiben, erwarten wir uns wirklich jetzt oder ganz bald Maßnahmen, die ankommen. Es braucht jetzt Taten, und die erwarten wir uns! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.14

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Der von den Bundesräten Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen ein­gebrachte Entschließungsantrag betreffend „Gerechtigkeit für die Kinder in Österreich“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Wir begrüßen unseren ehemaligen Bundesrat, Staatssekretär Dr. Magnus Brunner. (All­gemeiner Beifall.)

Herr Bundesminister Dr. Faßmann hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.