17.28

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Herr Finanzminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherIn­nen zu Hause! Wissen Sie, Herr Minister, ich traue mich zu behaupten, dass in allen Kindergärten dieses Landes, unserer Gemeinden, unserer Städte den Kindern vermittelt wird, wie man zuhört, wie man miteinander umgeht, wie man Konflikte löst, dass nicht wenige über alle bestimmen können, dass man sorgfältig mit Dingen umgeht, die allen gehören, dass man vor anderen Respekt hat, dass man nicht schlecht über andere redet, einfach dass man anständig miteinander umgeht und vieles mehr.

Kindern werden diese Grundkompetenzen in unseren Einrichtungen vermittelt, dieses anständige Verhalten, weil das, und davon sind wir überzeugt, die Grundlagen unseres menschlichen Zusammenlebens sind.

Manche Erwachsene und leider sogar EntscheidungsträgerInnen, Politiker sind in diesen Zeiten den Kindern ein denkbar schlechtes Vorbild, und so wollen wir – wobei ich mir eigentlich nichts vorzuwerfen habe – nicht sein, so sollten PolitikerInnen, so sollten Ent­scheidungsträger, so sollten Sie und Ihre Freunde nicht sein.

Diejenigen, die diese Arbeit mit den Kindern machen – das sind hauptsächlich Frauen ‑, vor Ort in unseren Gemeinden, in unseren Städten, sind hochgradig unzufrieden – ich habe das heute schon einmal bei Ihrem Kollegen Kocher deponiert, ich muss es jetzt noch einmal deponieren. Sie sind so unzufrieden, dass sie auf der Straße waren. Sie machen ihren Job nämlich unter Bedingungen, die für die Arbeit, die sie machen bezie­hungsweise die sie in unser aller Interesse machen sollen, nicht angemessen sind. Sie arbeiten mit zu vielen Kindern auf einmal, sie dürfen sich nicht ausreichend auf ihre Ar­beit vorbereiten, sie haben zu wenig Zeit für die Arbeit mit den Eltern. Und es fehlt ihnen an KollegInnen: Überall im ganzen Land fehlt das Personal, und wir merken es in unseren Gemeinden, dass wir oft kein qualifiziertes Personal mehr finden, keine weiteren Gruppen aufmachen können, obwohl es notwendig wäre – und jetzt manchmal sogar schon Gruppen schließen müssen, weil das qualifizierte Personal nicht vorhanden ist.

Warum ist das so? Warum kommt es zu so einem Zustand? – Weil die finanzielle Aus­stattung für die Gemeinden und auch für die Länder durch den Bund in diesem Fall nicht stimmt und weil die Rahmenbedingungen, um diese Arbeit sinnvoll und gut machen zu können, nicht stimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Beispiel – man stelle sich das vor –: Eine Elementarpädagogin, die mit bis zu 25 Kin­dern gleichzeitig Bildungsarbeit machen muss, ist nicht einmal einer Volksschulpäda­gogin gleichgestellt. Diese Rahmenbedingungen sind am Ende des Tages eine Frage des Budgets, also der Finanzen, nämlich wie viel an Ressourcen in diesem Bereich zur Verfügung steht, wie viel Geld der Bund den Gemeinden, den Ländern dafür zur Verfü­gung stellt. – Und jetzt kommt der Wahnsinn, der eigentlich auch bei mir das Fass zum Überlaufen bringt, denn Eltern wünschen sich klarerweise, dass diese Einrichtungen, dieses Bildungsangebot für ihre Kinder dann offen hat, wenn sie in der Arbeit sind – inklusive Fahrzeit, und das ist am Land oft eine lange Distanz, die man da einrechnen muss.

Schlaue Politiker, schlaue Politikerinnen erkennen, dass die Frage der Öffnungszeiten dieser Bildungseinrichtungen nicht nur eine Frage der Bildungschancen der Kinder ist, sondern dass ausreichende Öffnungszeiten auch wirtschaftlich sinnvoll wären, damit Männer und Frauen ihrem Beruf nachgehen können. Daher haben sich schlaue Politiker vor geraumer Zeit, vor ein paar Jahren ausgedacht, diese Kinderbetreuung bundesweit ganztägig auszubauen, damit alle Familien dieses Angebot haben, wenn sie es brau­chen und wenn sie es wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Hand aufs Herz. Wir wissen, dass dort, wo man Kindergärten und Schulen ganztägig anbietet, das auch angenommen wird. Das ist keine Frage der Bedarfserhebung, son­dern wenn das Angebot da ist, dann nehmen das die Eltern und die Kinder sehr gerne an. Das wissen wir aus der Praxis in den Gemeinden.

Es gab eben diesen Plan, 1,2 Milliarden Euro für diesen Ausbau – genau für dieses An­gebot! – zur Verfügung zu stellen. Welch tolle Initiative wäre das gewesen! Wie viele Familien hätten dadurch ein leichteres Leben bekommen? Wie vielen Kindern hätte man ein qualitativ hochwertiges Angebot zur Verfügung stellen können? Wie vielen Gemein­den hätte man damit einen Spielraum eröffnen können?

Und dann gibt es Politiker – jetzt komme ich wieder zu diesem Anstand –, die so eine Idee torpedieren, und – Kollege Bader wird mir wieder „Blutrausch“ vorwerfen (Bundes­rätin Schumann: Sowieso! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) – die so eine Idee tor­pedieren, weil Egoismus und Machtkalkül im Vordergrund stehen. (Bundesrat Spanring: Das gibt es ja in der ÖVP gar nicht!) Es ist ungeheuerlich, dass man als Entscheidungs­trägerIn die Eigeninteressen vor die gemeinsamen Interessen stellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt versuchen Sie, Herr Minister, natürlich, uns zu erklären, dass das so nicht stimmt, und man kratzt aus allen Bildungsecken ein Budget zusammen, um belegen zu können, dass diese 1,2 Milliarden Euro trotzdem geflossen sind, aber Tatsache ist, dass das ein großer, innovativer, neuer Wurf gewesen wäre – aber der ist so nicht gekommen, der ist verhindert worden.

Tatsache ist auch, dass Sie (in Richtung Bundesminister Blümel weisend) und auch Sie (in Richtung ÖVP und Grüne weisend), die KollegInnen aus den Regierungsparteien, diesen Personen, die so etwas gemacht haben, die solche Dinge anstellen, weiterhin die Stange halten, und das werfen wir Ihnen vor. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätIn­nen der FPÖ.)

Wir werfen Ihnen auch vor, dass Ihnen die Kinder in diesem Land weniger wert sind als Großunternehmer, denn durch die Senkung der Körperschaftsteuer – wir haben es heu­te schon gehört – profitieren zwar Unternehmen, aber den Gemeinden bleibt weniger zum Ausgeben, und wie soll da ein Wirtschaftswachstum, ein Wirtschaftsaufschwung, der notwendig wäre, stattfinden? – Wir haben es auch gerade gelesen: Österreich wird von der EU-Kommission das zweitschwächste Wirtschaftswachstum in der EU prognos­tiziert, und ich denke, das spricht für sich. Da könnte man ankurbeln und den Gemeinden Spielräume geben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Gemeinden bräuchten das Geld, um Personal zu finden und die Kinderbetreuung auszubauen. Ja, wir finden, jedes Kind sollte einen Rechtsanspruch auf einen Kindergar­tenplatz haben, aber die Verantwortung darf nicht alleine den Gemeinden umgehängt werden. Das muss eine gemeinsame Verantwortung von Bund, Ländern und Gemein­den sein. Genauso muss es auch eine gemeinsame Verantwortung sein, wie der Ge­meindebund kürzlich betont hat, diese Personalnot, die in diesem Bereich damit einher­geht, in den Griff zu bekommen.

Und was die konkrete finanzielle Unterstützung von Familien betrifft, Herr Minister: Wir haben in unserer letzten Bundesratssitzung den Bericht der Volksanwaltschaft diskutiert, und da wurden grobe Mängel in diesem mittlerweile recht unübersichtlichen Fördersys­tem für Familien angemerkt: in Richtung Ungerechtigkeit, in Richtung Verzögerung. Ein Zitat: Zu lange Verfahrensdauern beim Familienhärteausgleichsfonds. Ein weiteres Zitat: Die „Benachteiligung von Selbstständigen“. Ein drittes Zitat aus diesem Bericht: Die Dis­kriminierung erkrankter Eltern beim Familienkrisenfonds, und so weiter. Das alles ist in diesem sehr umfangreichen Bericht der Volksanwaltschaft speziell zur Covid-Situation nachzulesen.

65 Prozent der Personen, die derzeit in systemrelevanten Berufen arbeiten, sind Frauen, und man kann zu Recht sagen, dass sie die Bewältigerinnen der aktuellen Krise sind, aber wie kann man dann ein Fördersystem wie beim Familienbonus schaffen, der zu 80 Prozent an Männer ausgezahlt wird? – Die Arbeiterkammer hat das jüngst berechnet: 80 Prozent des Familienbonus gehen direkt an Männer und nicht an die Frauen, die diese Arbeit leisten.

Apropos Familienleistungen – bleiben wir noch dort –: Auch im Volksanwaltschaftsbe­richt wird nicht zuletzt bemängelt, dass bei einer nächsten Berufsgruppe, die für die Ge­meinden so essenziell ist, der Hut brennt, nämlich bei den Pflegern und Pflegerinnen in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht, dass man alles tut, damit sie bleiben und hoffentlich noch lange ihre Arbeit an unseren pflegebedürftigen Mitmenschen in unseren Gemeinden machen können, nein, man macht ihnen das Leben schwer. Man ist ihnen den Kinderbonus neidig und indexiert ihn, obwohl diese Frauen hier arbeiten und hier Steuern zahlen und wir sie so, so drin­gend brauchen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) – Auch das wird im Volksan­waltschaftsbericht heftig kritisiert.

Überhaupt habe ich das Gefühl, bei diesem Thema verschlafen Sie tatsächlich diesen drohenden Pflegenotstand. Auch wenn meine Vorrednerin Kollegin Kittl sagt, dass es wohl das Bewusstsein dafür gibt, bildet sich das nicht im vorhandenen Budget ab und es bildet sich nicht in den Maßnahmen, die wir sehen, ab. Wir haben das Gefühl, wir steuern auf einen Pflegenotstand zu, und es braucht da keine Reförmchen, es braucht da große Reformen, die sich in einem Budget abbilden. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister, wir bitten Sie: Sehen Sie den Tatsachen ins Auge! Erkennen Sie, wo der Hut brennt! Verschließen Sie nicht die Augen vor der Realität bei der Kinderbetreuung, bei der Pflege, bei der Kinderarmut in den Gemeinden! Sie haben es mit Ihren Mitteln weitgehend in der Hand, das Geld dort einzusetzen, wo es wirklich gebraucht wird, und eben nicht in gefälschten Studien und Umfragen oder Inseraten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

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