14.00

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär! Einsicht eines Fehlverhaltens ist definitiv nicht die Stärke (in Richtung FPÖ) Ihrer Fraktion und auch nicht die des Fraktionsobmannes. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Zu einem wichtigen Thema, zur AWG-Novelle, eine große Sache: Wer von uns kennt das nicht: achtlos oder auch bewusst weggeworfener Müll, vor allem Verpackungen, hauptsächlich Plastikflaschen und Dosen? Wer hat sich nicht schon darüber geärgert? – Überall, sogar auf abgelegenen Wanderwegen, entdeckt man es immer wieder: Müll liegt herum. Ich persönlich kann es definitiv nicht nachvollziehen, denn der Aufwand, ihn ein­fach mitzunehmen und irgendwo zu entsorgen, wäre ja nicht so groß.

Es geht aber – das ist schon wichtig – nicht nur um eine ästhetische Frage – bei Weitem nicht! –, es geht dabei zum Beispiel um langfristige Verunreinigungen und Umweltbelas­tungen. Es dauert Jahrzehnte, Jahrhunderte, wenn es überhaupt möglich ist, bis solche Materialien wieder abgebaut und unschädlich sind. Weil es ganz oft um Plastik geht, verschärft der Müll das Mikroplastikproblem, das immer größer wird. Die Produkte ver­schwinden ja nicht, wenn man sie liegen lässt, sie werden auch nicht abgebaut, sondern sie zerfallen in immer kleinere Teile, bis zum Mikrometerbereich, und diese gelangen dann zunehmend in die gesamte Nahrungskette und sogar in den Blutkreislauf.

Es geht zum Beispiel auch um Gefahren für Tiere: Aludosen werden in die Wiesen geworfen – alle haben das schon gesehen –, der Landwirt sieht sie im hohen Gras nicht mehr, fährt mit seiner Maschine darüber, zerstückelt sie, und das gerät ins Futter. Immer wieder verenden Rinder qualvoll an diesen Aluschnitzeln.

Es geht dabei um die Vergeudung wertvoller Materialien, denn Plastikflaschen und Do­sen sind keine Wegwerfprodukte, auch wenn sie als Einweg deklariert sind. Sie sind Rohstoffe – wichtige Rohstoffe sogar! – für weitere Nutzungen, was aber eben nur möglich ist, wenn man die Wiederverwertung steigert und die Sammelquoten erhöht.

Nicht zuletzt geht es um vermeidbare Kosten. Nur ein Beispiel: Die Gemeinden haben sehr viel Arbeit damit, all die Abfälle, die weggeworfen werden, das ganze Littering­prob­lem zu behandeln. Sie sammeln sie ein, entsorgen sie, und das kostet alle Gemeinden über Österreich hinweg viele, viele Millionen Euro. Das ist Geld, das wir über Steuern aufbringen müssen, das ist Geld, das den Gemeinden woanders wieder fehlt. Das ver­meiden wir mit dieser Novelle in Zukunft – von wegen Belastung für die KonsumentIn­nen.

Ziel des AWGs muss es natürlich sein – und ist es auch –, diese Flut an Plastikmüll und Dosenmüll einzudämmen. 2,5 Milliarden Dosen und Flaschen werden jährlich in Öster­reich verkauft, und viele, allzu viele landen dort, wo sie nicht hingehören. Ziel muss es also sein, systematisch eine Kreislaufwirtschaft zu entwickeln, um überhaupt von Ab­fällen wegzukommen, auf eine abfallfreie Wirtschaft hinzuarbeiten. Das ist eine wunder­bare Vision, die übrigens auch im europäischen Strategiepapier so abgelegt ist. Die EU definiert auch mit umzusetzenden Richtlinien wichtige Rahmenbedingungen genau in diese Richtung.

Die AWG-Novelle setzt aber nicht nur viele Akzente, sondern wirklich Meilensteine. Bis 2029 müssen 90 Prozent der Kunststoffverpackungen getrennt gesammelt werden; wir liegen bei 70 Prozent, das haben wir gehört. Die Einführung eines Einwegpfands erhöht die Recyclingquote, und Österreich muss damit auch weniger Plastiksteuer zahlen. Auch das spart Steuergelder, und Steuergelder werden von uns allen aufgebracht. Das Budget fällt ja auch nicht vom Himmel.

Ab 2025 muss ein Viertel Recyclatanteil an PET-Flaschen enthalten sein. Das heißt, das geht nur, wenn sortenrein sortiert, gesammelt und wiederverarbeitet wird. Aus einer Flasche soll nämlich wieder eine Flasche werden können, und ausnahmsweise kann man da einmal sagen: einmal Flasche, immer Flasche.

Bis 2035 soll das Recycling von Siedlungsabfällen auf mindestens 65 Prozent erhöht werden.

Jedenfalls ist der größte und meistdiskutierte Meilenstein des AWGs – die zitierten Ziele dienen ja dazu – natürlich die Regelung von verbindlichen Mehrwegquoten und die Ein­führung eines Einwegpfands. Sie wissen, dass es politisch keine einfache Übung war, das einzuführen. Die Widerstände waren teils enorm und auch prominent, aber es ist gelungen – und es ist nicht nur gelungen, sondern es ist gelungen, das Gesetz vor­zulegen, ohne irgendwo wesentlich an Substanz zu verlieren.

Konkret soll die Mehrwegquote von Getränkeverpackungen von derzeit 20 auf 25 Pro­zent beziehungsweise auf 30 Prozent bis 2030 angehoben werden. Die Händler, die da betroffen sind, können sich ihr System, wie sie das machen, aussuchen. Variante eins ist: Sie garantieren bei jedem Angebot eine Mindestquote an Mehrweg; diese Quote liegt dann zwischen 10 und 15 Prozent. Variante zwei ist: Ein Händler entscheidet sich, insge­samt eine bestimmte Menge an Mehrweggetränken bereitzustellen, aus einer Kategorie heraus – das sind dann 25 Prozent. Sie können sich also entscheiden, wie sie das hand­haben wollen.

Damit wird wieder etwas Wichtiges hergestellt, nämlich Wahlfreiheit für die Konsu­mentInnen. Ich kann jetzt, wenn ich das möchte, wieder ein Mehrweggebinde kaufen – und natürlich auch wieder zurückbringen –, und zwar überall. Damit auch hochwertig sortiert wird – da ist in Österreich übrigens noch einiges zu tun –, stellt das Ministerium für die Nachrüstung von Sortieranlagen 60 Millionen Euro zur Verfügung.

Pfand ist ja nichts Neues, im Mehrwegbereich kennen wir das – das bekannteste Bei­spiel dafür sind Bierflaschen –, und das brauchen wir jetzt eben auch für Einweggebinde. Das ist ab 2025 – die Übergangsfrist ist also auch lang genug – flächendeckend einzu­führen und einzuheben, sodass möglichst keine Plastikflasche und keine Dose mehr in der Landschaft landet. Die Pfandhöhen werden selbstverständlich entsprechend zu bemessen sein: Das muss ein Anreiz sein, das ist gar keine Frage!

Eines möchte ich schon anmerken: Herr Bernard, Ihr Rechenbeispiel kann ich nicht nachvollziehen. Das kostet den Konsumenten nichts! Er erhält das Geld selbstver­ständlich zurück, er muss das Leergut halt zurückbringen, aber das ist eben der Beitrag, den der Einzelne und die Einzelne leisten muss, um dafür zu sorgen, dass Ziele einge­halten werden und die Umwelt sauberer bleibt. Der Pfandschlupf verschwindet übrigens nicht im Budget, sondern geht ins System hinein, um das Mehrwegquoten- und Rück­nahmesystem zu finanzieren.

Noch etwas: Die HändlerInnen, vor allem kleine, müssen beispielsweise keine Auto­ma­ten anschaffen, sie können es aber – und dazu gibt es Förderungen. Beispielsweise werden kleine Händler auf dem Land mit bis zu 100 Prozent der Kosten unterstützt, wenn sie das tun. Dass auch da jedenfalls keine Belastungen für die Regionalversorgung stattfinden, dafür ist gesorgt.

Ich möchte noch etwas Weiteres hervorheben – kurz ein paar Eckpunkte –: Es wird ein Verbot für eine Reihe von Einwegplastikprodukten wie Plastikbesteck, -geschirr, -trink­halme und so weiter geben. Auch das ist übrigens eine Maßnahme, die die regionalen Wirte und die regionalen kleinen Händler unterstützt – mit denen zusammenzuarbeiten für Mehrwegbesteck, -teller und so weiter.

In Zukunft wird Abfall vor allem auf der Schiene transportiert, in einem viel größeren Ausmaß als jetzt. Den Stufenplan haben wir gehört, den wiederhole ich nicht. Das ist wirklich eine wichtige und kluge Maßnahme, weil gerade Abfall gut geeignet ist, auf der Schiene transportiert zu werden: Meistens sind es große Mengen und zeitlich auch in aller Regel planbar – nichts ist naheliegender, als genau das zu tun. An anderer Stelle beklagen wir uns – auch die FPÖ beklagt sich darüber – über zu geringe Anteile des Güterverkehrs auf der Schiene. – Ja, das ist jetzt eine wichtige Maßnahme in einem extrem sinnvollen Produktsegment. Es gibt übrigens auch umfängliche Ausnahmen, das haben wir gehört.

Was ich sehr spannend finde – das klingt sehr sperrig, aber dahinter versteckt sich etwas sehr Interessantes –, ist die sogenannte Ausweitung der Herstellerverantwortung. Da geht es darum, dass die Hersteller jetzt in erweitertem Ausmaß mitverantwortlich für Sammlung und Behandlung von Verpackungen gemacht werden. Da wird ja ganz viel weggeworfen – es gibt ja auch Listen dazu, von welchen Herstellern welches Littering mitverursacht wird –, und die müssen jetzt vorneweg auch dafür mitaufkommen, dass das behandelt und gesammelt werden kann. Das ist wiederum eine wichtige Maßnahme für Gemeinden, weil sie durch solche Herstellerbeiträge in Zukunft dabei unterstützt werden können, ihre Kosten für die Bekämpfung von Littering abzudecken.

Da gibt es noch einen wichtigen Punkt – das klingt technisch, ist aber auch ganz wich­tig –: 5 Prozent der zu zahlenden Entgelte für Elektrogeräte werden zukünftig zur Unter­stützung von Reparaturbetrieben bereitgestellt. Auch das ist eine wichtige Maßnahme zur Stärkung der Regionalwirtschaft, übrigens auch sozialpolitisch, weil gerade diese Betriebe beispielsweise oft im Zweiten Arbeitsmarkt sind. Ob - -

Präsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesrat, ich darf Sie bitten, dass Sie die freiwillige Redezeitbeschränkung einhalten.

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (fortsetzend): Ja, ich bin gleich fertig. – Die Kon­sumentInnen werden dabei unterstützt. 140 Millionen Euro stehen zur Verfügung, um Geräte reparieren zu lassen.

Es gäbe noch mehr aus den komplexen Welten des AWGs zu erzählen. Wir sind jedenfalls überzeugt davon und sagen das mit Stolz: Diese Novelle ist wirklich ein großer Schritt, und da ist viel gelungen. Sie ist ein essenzieller Beitrag dazu, die Vermüllung der Landschaft zu beenden und einen Schritt hin zu einer umfassenden Kreislaufwirtschaft zu machen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

14.11

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Marlene Zeidler-Beck. Ich erteile ihr dieses.