17.21

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, was die meisten Menschen in diesem Land jetzt gerade, während wir eine Pandemie zu bekämpfen haben, nicht mehr hören wollen, ist, dass wir in einem parteipolitischen Hickhack hin- und herargumentieren (Bundesrat Steiner: Ja, das glaub ich schon!) und uns nieder­argumentieren, während wir einen wirklich schweren Kampf führen, einen globalen Kampf, den wir hier in Europa führen müssen, den wir in Österreich führen müssen, den wir international führen müssen. Und der Gegner ist nicht eine andere Partei, sondern ein Virus, und ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir uns das immer vergegenwärtigen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wenn ich das vielleicht auch ein bisschen in einer Sprache, die überhaupt nicht die meine ist, verpacken darf, die vielleicht eher so die Sprache der Freiheitlichen Partei wäre: Jetzt Vaterlandsliebe zu haben bedeutet, gegen das Virus zu agieren und nicht gegen andere Parteien, denn wir müssen gegen dieses Virus zusammenstehen. Das wäre Patriotismus aus meiner Perspektive. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Das ist, weil ihr Patriotismus nicht versteht! Das ist das Problem!)

Das darf ich vielleicht jetzt auch sagen, als jemand, der schon zwei Pandemien erleben musste: Gestern, am 1. Dezember, war ja wie jedes Jahr der Welt-Aids-Tag. Nun komme ich aus einer Community, die in den Achtziger- und Neunzigerjahren diese Pandemie in einer sehr dramatischen Art und Weise erleben musste. Ich komme aus einer Commu­nity, Herr Kollege Bernard, die Sie heute erniedrigt haben (Ruf bei der FPÖ: Ah geh!), die Sie mit homophoben Ausführungen, für die Sie sich noch immer nicht entschuldigt haben – ich warte noch immer darauf –, erniedrigt haben. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Jetzt lassen wir mal die Kirche im Dorf!) Ich komme aus dieser Community, habe in meiner Studentenzeit auch in einem Lokal gearbeitet (neuerlicher Zwischenruf der Bun­desrätin Steiner-Wieser), und es war ziemlich selbstverständlich und leider fast alltäg­lich, dass Menschen einfach verschwunden sind, einfach gestorben sind. Dieses Ster­ben – sie sind wirklich wie die Fliegen gestorben, Freunde von mir, oh, da könnte ich viele, viele Namen nennen, viele, viele Freunde von mir.

Plötzlich hörte dieses Sterben auf, und zwar 1996. 1996 haben Pharmaunternehmen – die, ja, auch Geld damit verdienen wollten, überhaupt keine Frage – ein Medikament entwickelt, eine Therapie, eine Kombinationstherapie. Diese Kombinationstherapie hat von einem Tag auf den anderen das Sterben beendet – mit ein paar Ausnahmen. Es gab auch damals Menschen, ich kann mich noch an diese Menschen erinnern, die durch die Community gegangen sind und behauptet haben, dieses Virus gebe es gar nicht, Viren seien eine Erfindung. Ich kann mich erinnern, dass es auch damals Menschen gab, die sich selbst als Wunderheiler oder anderes bezeichneten und sagten: Ich weiß, ihr seid eigentlich gesund!

Wir hatten auch das Problem, dass Menschen sich als gesund bezeichneten und sich weigerten, sich testen zu lassen. Das war wirklich ein Riesenproblem damals: Leute, die sich weigerten, sich testen zu lassen. (Bundesrat Leinfellner: ... die Geimpften heutzu­tage besser!) Es gab Menschen, die sich geweigert haben, die lebensrettenden Medika­mente zu nehmen, weil sie diese Verschwörungserzählungen geglaubt haben. Sie haben sich geweigert, diese Medikamente zu nehmen, und sind einen völlig sinnlosen Tod ge­storben.

Ich sage es ganz ehrlich, ich empfinde mit jedem Menschen, der jetzt auf der Intensiv­station liegt, der um sein Leben röchelt und der leider auch vorher diese Erzählung, dass Impfen gefährlich sei, dass Impfungen nicht helfen würden, geglaubt hat und der jetzt um sein Leben ringen muss. Ich bedauere jede Person, die das jetzt erleben muss, und ich finde es unglaublich traurig, dass Angehörige das erleben müssen und dass wir trotzdem immer noch eine Partei und Kräfte haben, die so tun, als wäre die Impfung gefährlicher als das Virus. Das tut mir wirklich weh. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Bundesrätin Hahn. – Bundesrat Steiner: Das hat niemand gesagt!)

Sie haben in vielen Punkten ja durchaus recht, wenn Sie sagen, dass die Jugend furcht­bar unter dieser Pandemie leidet. Da haben Sie vollkommen recht. Was wir der Jugend abverlangen, ist unglaublich. Es ist geradezu eine Zumutung, einen Lockdown zu machen, Menschen nicht zu ermöglichen, ihr Geld zu verdienen, nicht zu ermöglichen, auf Urlaub zu fahren, nicht zu ermöglichen, Essen zu gehen, in die Oper zu gehen, in Konzerte zu gehen. Es ist fürchterlich! Und niemand hier – niemand hier! – will das. (Bundesrat Ofner: Ja, für die, die ... heißt das nicht viel!) Niemand will das, aber es gibt nur einen Weg, da rauszukommen: Das ist die Impfung. Es hilft nichts, und ich würde Sie wirklich bitten: Hören Sie auch auf die kritischen Stimmen in Ihren Parteien, die mittlerweile Gott sei Dank mehr werden! Es ist unser Weg raus, und würden wir alle zusammenhalten, würden wir alle auffordern, den Menschen zu sagen: Bitte geht impfen!, dann wären wir schon einen Riesenschritt weiter.

Wenn Sie, Herr Kollege Steiner, diese E-Mails von Menschen, die Angst vor der Impfung haben, bekommen, dann würde ich Sie bitten, zu antworten: Ich bin nur ein Masseur, ich bin kein Arzt (Bundesrat Ofner: Ja, aber du wohl!), bitte wenden Sie sich an Virologen und an Ärzte und Ärztinnen! (Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP.) Die können Ihnen einen besseren Rat geben als ich, der nur ein Politiker ist und kein Virologe. – Das wäre meine Bitte an Sie, so zu antworten! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Steiner: „Nur ein Masseur“ – sehr abwertend für meinen Berufsstand! Sehr abwertend für meinen Berufsstand! „Nur ein Masseur“!)

Ich kann nur alle Menschen, die jetzt zuschauen, bitten: Es gibt sehr viele Erzählungen über die Impfung, die derzeit im Umlauf sind. Ich weiß, dass das Zugeben eines eigenen Irrtums etwas sehr, sehr Schwieriges ist. Ich habe mich auch schon manchmal in meinem Leben geirrt, und ich habe lange, lange gebraucht, um das zuzugeben. In diesem Fall ist es aber lebensnotwendig, damit wir aus dieser Krise rauskommen. Ich würde Sie bitten: Prüfen Sie alle Informationen, die Sie bekommen! Reden Sie mit Ihren Ärzten und Ärztinnen! Gehen Sie wirklich zu ausgebildeten Fachkräften! Geben Sie sich einen Ruck!

Ich darf vielleicht meinen Ehemann loben: Er hat eine Arbeitskollegin, die nicht zur Imp­fung gehen wollte, weil sie einfach Angst vor Spritzen hat. Er hat zu ihr gesagt: Weißt du was? Ich gehe mit dir mit und halte dein Händchen. – Jetzt gehen sie gemeinsam zur Impfung. Wir alle müssen das mit unseren Leuten, die noch Angst haben, noch skeptisch sind, machen. Wir müssen das alle machen. Das kann nicht Aufgabe einer Regierung sein, einer Landesregierung, und da nutzt es auch nichts, zu sagen: Die Regierung ist schlecht, dieses Land ist gut, dieses Land ist schlecht! – Einmal gehen da die Zahlen hoch, einmal gehen da die Zahlen hoch; ich freue mich über jede Zahl, die runtergeht, egal in welchem Bundesland und egal wer dort regiert.

Wenn wir alle es schaffen, das zu machen – Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, Menschen in ihren Berufen, Menschen in Lokalen, an Stammtischen, die derzeit leider nicht stattfinden, ich weiß es, aber man kann sie auch virtuell einberufen –, wenn wir das alle in unserem Freundeskreis machen, dann werden wir es schaffen, dass wir die Impfquote haben, die wir brauchen. Wir haben sie noch nicht, das ist unser Problem. Am liebsten wäre es mir, wir hätten die Impfquote, bevor wir noch irgendeine Verpflichtung einführen müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.29

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.