17.44

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die noch via Livestream zugeschaltet sind! (Ruf bei der ÖVP: Die das aushalten!) Ich muss sagen, Herr Kollege Bernard, das lässt mich wirklich sprachlos zurück – er schaut jetzt bewusst weg, ich verstehe ihn; ich würde mich an seiner Stelle auch genieren –: Am Vormittag schon so eine Entgleisung, die ich nur als widerlich bezeichnen kann, für die er sich nicht entschuldigt, und dann noch einmal nachzulegen und noch tiefer in die Schublade zu greifen, das lässt mich wirklich sprachlos zurück. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn die Lage nicht derart ernst wäre, müsste ich ja fast schmunzeln. Ein bisschen erinnern mich dieses Szenario und jenes von letzter Woche und die vielen Plenarsitzungen davor an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Da werden Regierungsmitglieder hereinzitiert, werden auf das Wüsteste beschimpft. Vertre­ter der Freiheitlichen Partei stellen sich heraus, behaupten mit Inbrunst irgendwelche Fakenews und werfen mit Falschmeldungen und Unwahrheiten um sich (Bundesrat Spanring: Dann widerlegen Sie sie! Dann widerlegen Sie sie, Herr Kollege!), werfen Zahlen in den Raum, die so nicht stimmen (Zwischenruf des Bundesrates Ofner) und die ich jetzt auf ein Neues zu widerlegen versuche.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich bin selber schon müde geworden. Ich bin selber schon müde geworden, weil – auch das erinnert mich an „Und täglich grüßt das Murmeltier“ – ich jedes Mal herauskomme, versuche, Sie mit Fakten zu überzeugen (Bundesrat Steiner: Seit wann?), es hilft nur nichts. Da pralle ich tatsächlich auf taube Ohren. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Dass die freiheitlichen Mandatarinnen und Mandatare – und das ist das letzte Mal ja schon bewiesen worden – keine mathematischen Riesen sind, das ist mittlerweile, glaube ich, jedem hier in diesem Plenum klar (Ruf bei der FPÖ: Da bin ich froh, dass die ganzen Kapazunder bei euch sind!); das ist mittlerweile jedem klar. (Ruf bei der FPÖ: Mit Nullen könnt ihr besser umgehen, das habt ihr unter Beweis gestellt!) Mit absoluten Zahlen geht es noch einigermaßen, aber sobald es dann um Prozente und Verhältnismäßigkeiten geht, beginnen sie auszurutschen. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Spanring: ... klatschen! ... blöd!)

Ich habe vorhin gesagt, dass ich schon langsam müde werde, aber es gibt den Spruch: Wenn die Guten nicht fechten, gewinnen die Schlechten. – Ich werde versuchen, es Ihnen noch einmal zu erklären. Sie behaupten ein ums andere Mal, dass die Impfung nicht wirkt, und ich darf dem entgegenhalten: Die Impfung wirkt sehr gut, und sie schützt Geimpfte in dem Sinn (Bundesrat Steiner: Ah so! Sie schützt Geimpfte! – Bundesrat Ofner: ... Experten ...!), dass die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 schwer zu erkranken, um 90 Prozent geringer ist als bei Ungeimpften – um 90 Prozent!

Da Sie es mit Zahlen nicht so haben, versuche ich ein weiteres Mal, es anschaulich zu erklären: Vor einer Woche bin ich dagestanden, und wir haben uns das Beispiel einer Intensivstation angeschaut, das Herr Ofner gebracht hat, auf der zwei Geimpfte und zwei Ungeimpfte liegen – er hat behauptet, das bringt alles nichts. Heute nehmen wir eine fiktive Gegend her. Stellen Sie sich eine Gegend vor, in der 20 von 1 000 Menschen an Covid-19 erkranken! Dann geht man her und impft die Menschen dort in dieser Gegend. Was passiert dann? – Von den Ungeimpften werden weiterhin 20 von 1 000 erkranken, aber mit einer Wirksamkeit von 90 Prozent werden von den Geimpften nur zwei von 1 000 erkranken. (Bundesrat Spanring: ... 86 Prozent ... Pfizer! 86 Prozent ...! Du kennst deine eigenen Studien nicht, aber sich herausstellen ...!) Das ist die Realität, was die Impfung betrifft, und das ist nicht meine Rechnung, das sagt das Robert-Koch-Institut, das sagt die WHO – nur die Herren Professoren von der Freiheitlichen Partei akzeptieren das nicht.

Es geschehen aber auch noch Zeichen und Wunder, auch in der Freiheitlichen Partei melden sich jetzt die Vernünftigen und Intelligenten zu Wort. Ich darf hier einige anführen (Bundesrat Steiner: Mölzer! – Zwischenruf des Bundesrates Ofner): Mölzer, so ist es! (Bundesrat Steiner: Geschichte!) Das blaue Urgestein Andreas Mölzer sagt selber im „Report“: „Ich bin [...] da nicht [...] auf Parteilinie.“ (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nein, horcht gut zu! Ich glaube euch, dass euch das unangenehm ist (Bundesrat Ofner: Überhaupt nicht ...!), das wäre mir auch unangenehm. Die werden jetzt wahrscheinlich alle aus der Partei ausgeschlossen. – Andreas Mölzer stellt sich hin und sagt: „Ich bin [...] da nicht [...] auf Parteilinie“ (Bundesrat Steiner: Ist ja sein gutes Recht!), aber wenn es hilft und wenn ein Gros der Wissenschaft sagt (Zwischenruf des Bundesrates Ofner), dass die Impfung unser einziges Mittel ist, rauszukommen, dann befürworte ich eine Impfpflicht. – Andreas Mölzer. (Beifall bei der ÖVP.)

Beate Hartinger-Klein, immerhin Gesundheitsministerin, freiheitliches Urgestein, hat ge­sagt: Den politischen Kurs von Herbert Kickl und seine Empfehlung, ein Wurmmittel ein­zunehmen, empfindet sie als „letztklassig und indiskutabel“. – Also da beginnt die Front schön langsam zu bröckeln. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundes­rätInnen der SPÖ. – Bundesrat Ofner: Wir dürfen frei denken! – Bundesrat Steiner: ...zurück­getre­tene Parteiobmann ...! Der Bundeskanzler hat bis vor 5 Minuten nicht gewusst ...!)

Brigitte Povysil, eine von mir äußerst geschätzte Kollegin aus Oberösterreich – sie war Primaria in Oberösterreich –, sagt, wenn es der Freiheit aller dient, ist sie für die Impf­pflicht, weil Impfungen „eine der größten [...]Errungenschaften der Medizin“ sind. Das sagt Brigitte Povysil, jahrelang Gesundheitssprecherin der Freiheitlichen Partei hier im Parlament. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bun­desrat Ofner: Ihr seid unglaubwürdig!)

Der Reigen geht weiter: Reinhart Waneck, ehemaliger FPÖ-Gesundheitsstaatssekretär, sagt in einem Interview: Ich bin für die Impfflicht, weil sie das einzige Mittel ist, aus der Pandemie herauszukommen. – Zitatende. Das sagt Ihr ehemaliger FPÖ-Staatssekretär Reinhart Waneck. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Sie ist nicht das einzige Mittel!)

Das Gesicht von Herrn Steiner wird immer rötlicher. (Bundesrat Steiner: Wo?) Es würde mir auch so gehen, an Ihrer Stelle wäre ich auch aufgeregt. (Bundesrat Steiner – auf das Rednerpult zugehend –: Soll ich mich in die Kamera stellen, um zu beweisen, dass mein Gesicht nicht rot ist? – Ruf bei der SPÖ: Was soll das jetzt?! – Bundesrat Steiner – auf dem Weg zurück zu seinem Sitzplatz –: Das ist eine Lüge!)

Es geht weiter: Susanne Riess, ehemalige Vizekanzlerin und Bundesparteichefin der Freiheitlichen Partei sagt, sie empfindet die Politik von Herbert Kickl und der jetzigen freiheitlichen Führung als „verantwortungslos“. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Zusätzlich haben Sie in Ihren Reihen Gott sei Dank viele Funktionärinnen und Funktio­näre, Abgeordnete, die das ähnlich sehen wie die fünf Genannten, zum Beispiel die Abgeordneten der Freiheitlichen Partei im Wiener Landtag, die dem Vernehmen nach zu 100 Prozent geimpft sind – da kann man nur gratulieren. (Zwischenruf der Bundes­rätin Steiner-Wieser. – Bundesrat Ofner: Was versteht ihr denn unter freiwillig? Freiheit und Freiwilligkeit ...!)

Kommen wir jetzt zur Impfpflicht: Ich darf Ihnen hier noch einmal versichern, sehr geehrte Damen und Herren der Freiheitlichen Partei, niemand aus der Regierung, aus den Regierungsparteien hatte eine Impfflicht als Ziel, niemand. (Bundesrat Ofner: Nein! ...Mil­lionen mit Maske!) Niemand in der Bundesregierung hat sich diese Entscheidung leicht gemacht, absolut niemand. Die Situation ist aber im Augenblick so, dass wir fast dazu gezwungen sind, um aus dieser Pandemie herauszukommen. Warum? – Weil wir nicht länger hinnehmen können, dass unsere Intensivstationen am Anschlag sind – und glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche –, weil wir nicht länger hinnehmen können, dass – Kollege Appé hat das wunderschön ausgeführt – Operationen weiter verschoben werden. Gegipfelt hat das Ganze jetzt im Beispiel des vierjährigen Mädchens, dessen lebensnotwendige Herzoperation verschoben werden musste. (Bundesrat Ofner: Weil ihr dort säumig seid seit Jahrzehnten! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Diesem Mädchen nehmen Sie die Freiheit, und ich frage Sie eines: Schämen Sie sich nicht?!

Kollege Steiner ist heraußen gestanden und hat gefragt: Herr Schallenberg, was sagen Sie dieser Dame, was sagen Sie diesem Herrn? (Ruf bei der FPÖ: 35 Jahre, was habt ihr gemacht?) – Ich frage jetzt: Herr Steiner, was sagen Sie den Eltern des vierjährigen Mädchens, dessen OP verschoben werden musste (Bundesrat Spanring: Dass ihr das Gesundheitssystem ...!), weil unsere Intensivstationen überfüllt sind aufgrund der Tat­sache, dass Sie nach wie vor gegen die Impfung wettern? (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Ofner: Ihr habt es hingemacht!) Sie schlagen dieser Familie mitten ins Gesicht, Sie spucken dieser Familie vor die Füße, das ist die Realität!

Da Kollege Steiner beim letzten Mal und Kollege Ofner heute gemeint haben, wir reihen uns als Österreich mit der Impfflicht in eine Riege diktatorischer Länder ein, muss ich ganz ehrlich sagen: Da muss ich Sie enttäuschen. Da haben Ihre Redenschreiber nicht gut recherchiert. (Bundesrat Steiner: Weil? – Bundesrätin Steiner-Wieser: Wir haben keine Redenschreiber! – Allgemeine Heiterkeit.) Wenn Sie nämlich die ganze Wahrheit sagen würden, dann wären Sie auch auf das ECDC, das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, gestoßen, das ganz klar sagt, dass in Europa ein gutes Dutzend Länder Impfpflichten haben. (Ruf bei der FPÖ: Aber nicht Corona, das hat ja mit dem nichts zu tun!) Kommen wir zu Ihren diktatorischen Ländern: Belgien – Impfpflicht gegen Polio –, Deutschland – Impfpflicht gegen Masern –, Lettland, Italien, Malta, Kroatien, Tschechien – das sind laut Ihnen diktatorischen Länder. Ich muss Sie enttäuschen, da haben Sie leider schlecht recherchiert. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrätinnen der SPÖ. – Bundesrat Ofner: ... Recherchieren wär’ schon gut!)

Damit aber Ihr Blutdruck, werte Kolleginnen und Kollegen, nicht in noch lichtere Höhen steigt, darf ich zum Ende kommen. Ich möchte mit Worten von Klaus Eckel schließen, der unlängst in einer Zeitungskolumne ganz hervorragend geschrieben hat: Ich habe „vor einiger Zeit eine Fähigkeit wieder entdeckt. Vertrauen. Ich vertraue den Dach­deckern, den Brückenbauern, den Flugkapitänen und jetzt den Virologen.“ (Bundesrat Steiner: Und der Regierung!)

Ich fordere Sie auf: Tun Sie das auch! Vertrauen Sie den Expertinnen und Experten, so wie viele Ihrer freiheitlichen Kollegen das tun, und helfen Sie uns, gemeinsam aus dieser Pandemie herauszukommen! – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrätinnen der SPÖ.)

17.56

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.