12.53

Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher! Ja, die Debatte über das Sterbeverfügungsgesetz ist wohl eine der schwierigsten, sensibelsten und heikelsten Materien – das ist schon gesagt wor­den –, mit denen sich die Politik aktuell auseinandersetzen muss. Das spürt man auch während der Debatte hier im Hohen Haus, das ist einfach spürbar.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Entscheid, die Beihilfe zum Suizid straffrei zu stellen, der Politik wahrlich eine Mammutaufgabe übertragen. Aufgrund dieses Ent­scheids musste ein neuer rechtlicher Rahmen geschaffen werden, um die Beihilfe zur Selbsttötung zu ermöglichen, denn ansonsten wäre die Beihilfe zum Suizid ab Jänner völlig ungeregelt erlaubt und straffrei gestellt, was natürlich völlig unvorstellbar ist.

Ich persönlich habe auch aus meiner religiösen Überzeugung heraus keine Freude mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. Ich teile da die Meinung der ehemali­gen Nationalratsabgeordneten Elisabeth Pittermann – denn treffender kann man es nicht auf den Punkt bringen –, die sagte: Es war „immer mein Wunsch [...], eine Gesellschaft zu haben, wo das Töten eines anderen unmöglich ist“. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

In einem Rechtsstaat ist aber natürlich die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu akzeptieren. Ich begrüße auch das deutlich sichtbare Bemühen der Regierung und aller Beteiligten, zu einer verantwortungsvollen Regelung zu kommen, wie dies auch durch das vorliegende Gesetz, durch die Regierungsvorlage, weitgehend zum Ausdruck kommt.

Zum Rahmen der Regierungsvorlage haben ja die Vorredner schon Stellung genommen. Das vorliegende Sterbeverfügungsgesetz birgt aber dennoch einige Unsicherheiten, auf die ich hinweisen möchte.

Wir dürfen, denke ich, in diesem Zusammenhang nie vergessen, dass jedes einzelne Leben wertvoll ist, dass der Tod und das Sterben immer in Verbindung mit Heil und Würde stehen müssen. Menschenwürde darf nie durch Alter, Aussehen, Leistungsfä­higkeit, Gesundheitszustand oder andere Kriterien eingegrenzt oder reduziert werden. Durch die getroffene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes besteht mitunter die Gefahr, dass Druck auf Betroffene, insbesondere auf Ältere, ausgeübt wird, zum Beispiel aus wirtschaftlichen Gründen. Es darf nicht dazu kommen, dass Hochbetagte im Le­bensfinale unter Rechtfertigungsdruck kommen, weil sie möglicherweise als Last für die Gesellschaft gesehen werden könnten. Daher steht für mich auch ganz klar fest: In un­serer Gesellschaft muss es selbstverständlich sein, dass für alle Menschen weiterhin trotz Alter, Krankheit, Demenz oder Behinderung beste medizinische Therapien und Be­gleitung gewährleistet sind, ohne dass man sich rechtfertigen muss. Es darf nie zu einer Unterteilung in wertes und unwertes Leben kommen. Das lehrt uns auch ein Blick in die Geschichtsbücher.

Ich bin davon überzeugt, dass wir als Gesellschaft weiterhin alles im Sinne der Devise von Kardinal Franz König tun müssen – Kollegin Eder-Gitschthaler hat das Zitat bereits erwähnt, aber weil es so wichtig ist, möchte ich es wiederholen. Er hat formuliert: „Der Mensch soll nicht durch die Hand eines Menschen sterben, sondern an der Hand eines Menschen.“ – Das sollte für uns als Gesellschaft das oberste Ziel sein und bleiben. Dazu trägt vor allem die Hospiz- und Palliativbewegung schon jetzt einen Löwenanteil bei, oft abseits öffentlicher Aufmerksamkeit, im Hintergrund, aber mit großem Herz und Engage­ment.

Hospiz- und Palliativversorgung stehen für ein würdevolles und lebenswertes Leben bis zum Lebensende durch aktive und umfassende Betreuung. Oder anders gesagt: Die Hospiz- und Palliativversorgung begleitet am Lebensende bestmöglich und ermöglicht ein Sterben in Würde.

Die Landesvorsitzende der Hospiz Oberösterreich, Dr.in Christina Grebe, hat mir die Mo­tive vieler Menschen folgendermaßen geschildert, sie sagte:

Die allermeisten Menschen, die den Wunsch haben, zu sterben, sagen nicht kategorisch: Ich will nicht mehr leben. Wenn sie das sagen, meinen sie meistens: Ich will so nicht mehr leben!, weil sie schwer unheilbar krank sind und große Leiden ertragen müssen.

Da kommt aber eben der Hospiz- und Palliativbewegung große Bedeutung zu. Sie lindert Leiden, begleitet Betroffene und auch Angehörige und leistet einen unschätzbaren Dienst an der Gesellschaft, wie gesagt, oft im Hintergrund, dafür aber umso wertvoller.

So schwierig, sensibel und heikel die notwendige Neuregelung des assistierten Suizides auch ist, so positiv ist die damit verbundene Zusage zu bewerten, in den nächsten drei Jahren 108 Millionen Euro in den Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung zu inves­tieren, um somit zu einer möglichst flächendeckenden und auch niederschwelligen Ver­sorgung zu kommen.

In Oberösterreich, in meinem Heimatbundesland, werden in den kommenden Jahren bis zu 42 Plätze in fünf Hospizen neu geschaffen. Der Ausbau der Hospiz- und Palliativbe­treuung ist wohl der einzig zielführende Ansatz, um möglichst viele Menschen am Le­bensende aktiv und gut begleiten zu können und um dafür zu sorgen, dass die Inan­spruchnahme des assistierten Suizides die Ultima Ratio bleibt.

Sehr geehrte Damen und Herren, abschließend ist es mir wichtig, festzuhalten, dass auch ich eine Evaluierung des Gesetzes nach einer gewissen Zeit für unbedingt notwen­dig halte, um sicherzustellen, dass kein Druck auf Betroffene entsteht, dass Missbrauch verhindert wird und es zu keiner Kommerzialisierung kommt. Gleichzeitig gilt aber auch da das Motto: Vorsorgen ist besser als heilen. – Daher plädiere ich dafür, auch bei der Suizidprävention anzusetzen. Es ist schon erwähnt worden, dafür sind zusätzliche 2,5 Millionen Euro vorgesehen. Damit wird die Ursache bekämpft und nicht nur das Pro­blem.

Weiters sollte das Verbot der Tötung auf Verlangen in den Verfassungsrang gehoben werden. Mit der Erlaubnis zum assistierten Suizid ist die Tür zur aktiven Sterbehilfe geöff­net; achten wir gemeinsam mit allen Mitteln darauf, dass diese Tür nicht noch weiter aufgerissen wird! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.02