Antrittsansprache der Präsidentin

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher sowohl hier im Saal wie zu Hause vor den Bildschirmen! Es ist mir eine große Freude und vor allem auch eine große Ehre, den heutigen Sitzungstag mit meiner Antrittsrede als Präsidentin des Bundesrates zu beginnen.

Vorweg möchte ich mich bei Dr. Peter Raggl für seine Präsidentschaft im letzten Halb­jahr bedanken. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Peter Raggl war mit vielen Gesprächsterminen ein sehr aktiver Präsident und somit ein überaus erfolgreicher Botschafter unserer Länderkammer. Gerade in internationalen An­gelegenheiten hat er das Ansehen des Bundesrates als Zukunfts- und Europakammer gestärkt und gefestigt. Lieber Peter, ich darf dir zu deiner Amtszeit gratulieren und dir ein herzliches Dankeschön für deinen Einsatz für den Bundesrat aussprechen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Danken möchte ich auch dir, lieber Herr Landeshauptmann Markus Wallner, und dem Vorarlberger Landtag, dass ich die Präsidentschaft im Bundesrat für das kommende Halbjahr übernehmen darf. Ich sehe diese Aufgabe in politisch abwechslungsreichen Zeiten als Ehre und Herausforderung.

Mein weiterer Dank gilt aber vor allem auch meiner Familie, die immer hinter mir steht und mich unterstützt. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Es freut mich auch sehr, dass sie heute anwesend sind.

Großen Dank möchte ich auch meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Dru­ckerei – die ich leite –, auf die ich mich stets verlassen kann, aussprechen.

Mit der Präsidentschaft Vorarlbergs wird fortgesetzt, was 2019 mit dem Masterplan für den ländlichen Raum begonnen wurde. Deswegen liegt auch der Schwerpunkt dieses Halbjahres auf der Zukunft dezentraler Lebensräume. In einer Enquete mit diesem Titel werden wir die spezifischen Stärken und Schwächen unserer Region eruieren und eva­luieren. Unser ehemaliger EU-Kommissar Franz Fischler wird dabei aufzeigen, wie peri­phere Regionen gestärkt werden können. Zudem werden wir uns Initiativen österreichi­scher Bundesländer, unter anderem von Vorarlberg, für stärkere Regionen ansehen. Auch die verschiedenen Wege hin zu einer Scientific Open Region und die Herausfor­derungen der digitalen Transformation sollen von verschiedenen Experten beleuchtet werden.

Unsere Regionen, nicht nur die peripheren, sondern auch die städtischen Gebiete, brau­chen eine Perspektive für die Zukunft, denn sie haben nun schon zwei Jahre lang in unterschiedlichem Ausmaß unter der Pandemie gelitten. Corona hat die Ausübung vieler wirtschaftlicher Tätigkeiten massiv erschwert. In vielen Sparten musste der Staat als Nothelfer einspringen. Die gesetzten Maßnahmen haben die Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Arbeit während der letzten zwei Jahre geprägt.

Auch die Art und Weise, wie unsere Arbeit verrichtet wird, hat sich in dieser Zeit verän­dert – nicht nur, dass viele Beschäftigte nun öfters von zu Hause aus arbeiten, stellen sich auch inzwischen mehr und mehr Menschen die Frage, ob die Zufriedenheit mit ih­rem Job auch im richtigen Verhältnis zum persönlichen Einsatz steht. Gerade im Tou­rismus und in der Gastronomie sehen wir, dass viele Beschäftigte der Branche den Rü­cken gekehrt haben. Diese Arbeitskräfte fehlen uns aber. Wir können schlicht nicht auf sie verzichten. Auf der Agenda des Vorarlberger Vorsitzes der Landeshauptleutekonfe­renz steht deswegen nicht umsonst eine Arbeitsmarktreform. Vorgeschlagen wird darin eine verstärkte Regionalisierung der Programme, um konkreter auf lokale – ortsgebun­dene – Bedürfnisse eingehen zu können.

Auch der Bundesrat wird sich des Arbeitsmarktes der Zukunft annehmen. Im Zuge eines parlamentarischen Fachgespräches werden Experten aus der Wirtschaft und dem Ar­beitsmarkt dazu eingeladen, zukünftige Herausforderungen und Rahmenbedingungen zu besprechen und zu beurteilen: Wie wird etwa die Klimakrise Wirtschaft und Arbeit in den Regionen verändern? Wie umweltfreundlich produziert unsere Industrie in Zukunft und welche Rahmenbedingungen braucht sie dafür? Welche Produkte werden in Sa­chen Klimaneutralität künftig gefragt sein? Wer wird diese Produkte wo unter welchen Bedingungen erzeugen? – Für all diese Fragen brauchen wir einen Plan für den Tag nach der Krise, wann auch immer dieser kommen mag.

Die Bekämpfung der Klimakrise ist aber nicht nur ein politischer Imperativ, der als Bürde gesehen werden muss, diese Generationenaufgabe birgt jede Menge Chancen, die wir für uns nützen müssen. Mit Themen wie Klimaschutz und Energieeffizienz steht und fällt zukünftig die Qualität unserer Wirtschaftsstandorte. Grüne Technologien sollen uns nicht nur vor der drohenden Klimakatastrophe bewahren, sie können auch neue, nachhaltige Jobs schaffen. Wenn wir das richtig angehen, werden Wirtschaft und Arbeitsmarkt davon profitieren.

Das daraus generierte Wachstum ist auch notwendig, gerade im Hinblick auf die im­mensen Summen, die in Form von Wirtschaftshilfen in den vergangenen zwei Jahren ausgeschüttet wurden. Klimaschutz und Wachstum müssen Hand in Hand gehen, um den anstehenden Herausforderungen gerecht zu werden.

Eine weitere Herausforderung birgt die Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, die es ohne Wenn und Aber zu verbessern gilt. Hierbei steht das oft unzureichende Angebot an Kinderbetreuung nicht nur dem Wunsch vieler junger Frauen, Familie und Beruf zu vereinbaren, im Wege, es führt auch dazu, dass sich viele junge Familien gezwungen sehen, aus den ländlichen in die städtischen Gebiete abzuwandern. Diese Entwicklung ist weder im Interesse der ländlichen Regionen noch in jenem junger Familien. Wir brau­chen daher mehr Angebote für die Betreuung auch der Jüngsten unserer Kinder sowie längere Öffnungszeiten solcher Kinderbetreuungseinrichtungen, damit sowohl Mütter als auch Väter ihre Berufe ausüben können. Auch wenn sich der Mangel solcher Angebote mehr auf dem Land bemerkbar macht, schließt das die Städte natürlich nicht aus.

Dies bewahrheitet sich insbesondere im Hinblick auf so viele Konsequenzen, die sich oftmals erst Jahre später bemerkbar machen. Hier sticht vor allem die in Österreich ver­gleichsweise hohe Altersarmut unter Frauen, besonders unter Witwen und Geschiede­nen, ins Auge. Es steht völlig außer Zweifel, dass durch die unzureichende Integration von Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht nur die Frauen selbst benachteiligt werden, son­dern unsere gesamte Wirtschaft und Gesellschaft sehr viel an Erfahrung, Engagement und Expertise verliert. Wir haben nämlich einerseits sehr viele gut ausgebildete Frauen und andererseits in zahlreichen Branchen einen eklatanten Fachkräfte- und Arbeitskräf­temangel.

Und sollten diese Argumente noch nicht schwer genug wiegen, bitte ich, Folgendes zu beachten: Denken Sie an all die Chancen, die wir den heranwachsenden Generationen bieten, wenn sie frühkindliche Bildung genießen dürfen, während ihre Eltern gleichzeitig einer Arbeit nachgehen können. Es gibt Studien, die zeigen, dass jeder Euro, der heute richtig in Elementarpädagogik investiert wird, in Zukunft mehrfach wieder zurückkommt. Diese Kinder von heute haben später durch eine bessere Grundausbildung bessere Chancen am Arbeitsmarkt, laufen weniger Gefahr, arbeitslos zu werden, und belasten auch nachweislich weniger unser Gesundheitssystem.

Ein weiterer Eckpfeiler für adäquate Bedingungen unserer Wirtschaft ist die konstruktive Zusammenarbeit von Bund und Ländern. In der Pressekonferenz zur Übernahme des Ländervorsitzes wurde von gleichberechtigten Partnern gesprochen, die auf Augenhöhe einzubinden sind. Die Partnerschaft von Bund und Ländern, von Städten und ländlichen Regionen ist nicht nur ein Grundpfeiler dieser zweiten Kammer des Parlaments und somit unser Staatswesen, sie ist auch Ausdruck eines gelebten Subsidiaritätsprinzips, des Wissens, dass viele Herausforderungen auf lokaler Ebene effizienter und zielgerich­teter bewältigt werden können.

Das gilt nicht nur für den Bereich Arbeit und Wirtschaft, sondern insbesondere für einen ganz wichtigen Bereich, der in den letzten Jahren mehr und mehr in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt ist und nun angegangen wird. Die Rede ist von der Pflege, die uns wirklich alle betrifft – entweder direkt oder indirekt, entweder jetzt oder später irgend­wann einmal. So schwierig auch die Umsetzung ist, so einfach ist das Ziel: Die Pflegever­sorgung wie auch die Finanzierung müssen sichergestellt sein.

Auch da hat die Zukunftskammer Bundesrat Vorarbeit geleistet und bereits 2017 in einer Enquete die Zukunft der Pflege diskutiert. Damals wurden die Zunahme der Singlehaus­halte, die Abwanderung aus dem ländlichen Raum, der Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten und der Anstieg chronischer Krankheiten in Kombination mit der steigenden Lebenserwartung als größte Herausforderungen in der Pflege genannt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Es bedarf gerade bei diesem Thema einer reibungslosen Zu­sammenarbeit von Bund und Ländern, um die Finanzierung der Pflege zu sichern und den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Ich denke, gerade mitten in der Pandemie sollte jeder die Notwendigkeit sehen, dass es wichtig ist, mehr Menschen dazu zu motivieren, einem solch schwierigen, aber überaus wichtigen und ehrenvollen Beruf nachzugehen, und zugleich jene zu entlasten, die bereits seit Jahren dieses System stützen.

Hier schließt sich der Kreis, der die Themen Frauen am Arbeitsmarkt und Zukunft der Pflege miteinander verbindet. Nach wie vor sind es nämlich die Frauen, die die Hauptlast der Pflege tragen, sowohl im privaten beziehungsweise familiären Bereich als auch im öffentlichen Bereich. Auch wenn es mittlerweile ein Umdenken dahin gehend gibt, dass der Pflegebereich zunehmend auch bei Männern auf Interesse stößt, werden wir in der nahen Zukunft nur dann eine Entlastung in diesem Bereich schaffen, wenn wir den darin tätigen Frauen bessere Arbeitsbedingungen bieten können.

Neben den bereits erwähnten Themengebieten sollen aber auch andere Schwerpunkte des Bundesrates für die kommenden sechs Monate nicht unerwähnt bleiben. Mit der Gestaltung unserer digitalen Zukunft und der Chancengleichheit städtischer und länd­licher Regionen haben wir, verehrte Mitglieder des Bundesrates, auf jeden Fall weitere wichtige Themen zu behandeln.

Sie sehen also, der Bundesrat wird seiner Rolle als Zukunftskammer des Parlaments gerecht. Wir als Mitglieder dieser Kammer werden weiterhin unsere Expertise und Erfah­rung aus unseren Berufen und Bundesländern in die Gesetzgebung einbringen. Wir werden uns weiterhin der für die Zukunft Österreichs wichtigen Themen annehmen, und wir werden auch weiterhin unser Möglichstes dafür tun, die Interessen Österreichs und seiner Bürgerinnen und Bürger in der EU zu wahren. Subsidiarität darf nicht zu einem Schlagwort verkommen, sie muss das Prinzip allen künftigen Handelns der EU sein.

Ich lade Sie alle herzlich dazu ein, in den nächsten Monaten weiter mitanzupacken, sei es in den Ausschüssen, sei es hier im Plenum oder in Ihren Heimatbundesländern. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung ganz gemäß dem Motto des Vorarlberger Vorsitzes „Ge­meinsam in Verantwortung“. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen, bei Bun­desrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)