12.34

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin, alles Gute für das nächste halbe Jahr – auch für Präsidentin Schwarz-Fuchs! Liebe Frau Minister! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen hier und vor den Bildschirmen! Vor allem liebe KollegInnen von der SPÖ und der FPÖ! Ich bitte Sie, hören Sie auf mit Ihrer Kritik, dass diese Steuerreform nicht sozial und nicht ökologisch ist. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Hübner: Mit der Kritik aufhören ...!) Sie wissen es ganz genau – und vielleicht schreien Sie deswegen so laut –: Es ist die erste Steuerreform, die genau das ist: ökologisch und sozial. (Beifall bei BundesrätInnen von Grünen und ÖVP. – BundesrätInnen Steiner-Wieser und Steiner: Asozial!)

Ich bin stolz darauf, dass ich heute darüber reden und diese Steuerreform auch mit in Umsetzung bringen kann, denn sie ist, Herr Bader hat es schon gesagt, nachhaltig, ver­teilungsgerecht und ökonomisch vernünftig, und es ist eine Steuerreform, die aufgrund der Klimakrise schon lange überfällig ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Weder unter blauer Regierungsbeteiligung noch in den unendlich vielen Jahren der Re­gierung mit der SPÖ oder im Rahmen der letzten großen Steuerreform 2015/16 (Zwi­schenruf des Bundesrates Steiner) unter einem roten Bundeskanzler ist so etwas ge­lungen. Sie haben damals weder die kalte Progression abgeschafft noch mit dem ver­bleibenden Spielraum, den die Nichtabschaffung der kalten Progression zulässt, den Klimaschutz gefördert und gleichzeitig eine sozial tragfähige und verteilungsgerechte Steuerreform geschaffen; sie war auch nicht gendergerecht.

Noch zwei wichtige Punkte zur kalten Progression, erstens: Die heutigen Entlastungen machen weit mehr aus, als die Abschaffung der kalten Progression ausmachen wür­de. Und zweitens: Von der Abschaffung der kalten Progression haben die untersten Ein­kommen gar nichts, denn sie sind von ihr gar nicht betroffen. (Zwischenruf der Bundesrä­tin Hahn.)

Und noch ein Letztes: Genauso wenig hat die SPÖ in der Zeit ihrer Regierung einen Finger gerührt, ein wichtiges Umverteilungsinstrument auf gesetzlich einwandfreie Beine zu stellen, nämlich die Erbschafts- und Schenkungssteuer. Ja, bis vor Kurzem haben Sie sich sogar gescheut, die Einführung einer Vermögenssteuer zu fördern – gar nicht zu reden von der FPÖ, die eine solche nie wollte.

Zurück zur ökosozialen Steuerreform – lassen Sie mich noch einmal erklären, warum sie die ökologische Wende einläutet und warum sie für alle Menschen in Österreich gerecht ist –: Mit dieser Steuerreform schlagen wir einen Weg ein, der den Klimaschutz ernst nimmt und ihn als Prämisse in der Budgetpolitik einführt. Kollegin Schwarz-Fuchs hat es in ihrer Eingangsrede schon treffend gesagt, die Bekämpfung der Klimakrise ist der poli­tische Imperativ. Wir fangen also endlich an, den Klima- und Umweltschutz als Basis unseres politischen Handelns zu sehen. Endlich integrieren wir umweltfreundliches Ver­halten in das Alltagsleben und in das wirtschaftliche Handeln – schrittweise und damit leichter akzeptierbar und vorhersehbar und damit besser einplanbar.

Mein Kollege Adi Gross wird später noch über das Ökologische reden, ich konzentriere mich auf die sozialen Aspekte, denn ein wesentlicher Punkt der Steuerreform ist die An­regung zu klimafreundlichem Verhalten, ohne soziale Benachteiligung zu schaffen, ganz im Gegenteil.

Immer wieder wird betont, es profitiere vor allem die Mittelschicht. – Ja, sie erhält große Entlastungen durch die Senkung der Einkommensteuer, einen erhöhten steuerlichen Ab­setzbetrag, den Familienbonus für Menschen mit Kindern. Die sogenannte Mittelschicht sind aber auch EinzelunternehmerInnen, und sie werden zum Beispiel mit einem erhöh­ten Gewinnfreibetrag und einem Freibetrag für ökologische Investitionen sowie anderen steuerlichen Maßnahmen entlastet.

Die Mittelschicht wird deswegen auch entlastet, weil sie den größten Beitrag zum Steuer­aufkommen leistet, genauso wie die Unternehmen, die mit der Senkung der Körper­schaftsteuer entlastet werden, die – nebenbei – keinen großen Anteil an den Gesamtent­lastungen ausmacht.

Beide, Mittelschicht und Unternehmen, sind, wir haben es schon gehört, ein großer Kauf­kraft- und Investitionsfaktor und wichtig für die Wirtschaft. Wir wissen: Geht es den Be­trieben und Unternehmen gut, schaffen sie auch Arbeitsplätze, und so haben auch diese Steuerentlastungen für die Mittelschicht Auswirkungen auf alle Einkommensverhältnisse.

Diese Steuerreform legt aber zusätzlich großes Augenmerk auf Menschen mit niedrigem Einkommen, egal ob diese angestellt oder selbstständig sind, auf Menschen, die oft ar­mutsgefährdet sind, die so wenig verdienen, dass sie keine Einkommensteuer bezahlen und daher auch nicht von einer Verringerung der Einkommensteuer durch geringere Ta­rifsätze oder durch Absetzbeträge profitieren können, und auf Menschen, die hauptsäch­lich von Transferleistungen leben.

Für sie wurden zusätzliche eigene Steuerinstrumente geschaffen: die Erhöhung des So­zialversicherungsbonus, also geringere Sozialversicherungsbeiträge für Angestellte, die Reduzierung des Krankenversicherungsbeitrags mittels Gutschrift für eine halbe Million Selbstständige, der Kindermehrbetrag, vor allem für Alleinerziehende, und eben die Rückverteilung der CO2-Bepreisung durch den Klimabonus an alle Menschen in Öster­reich, auch an Kinder.

Gerade der Klimabonus trägt zu einer starken Entlastung der einkommensschwachen Haushalte bei. Frau Kollegin Grossmann, hören Sie auf den Budgetdienst: Bei einkom­mensschwachen Haushalten macht der Klimabonus durchschnittlich immer mehr als die Belastung durch die CO2-Bepreisung aus. Genau umgekehrt ist es bei den höheren Einkommen: Je reicher ein Haushalt ist, desto mehr CO2 verbraucht er durchschnittlich, und damit ist auch seine CO2-Preisbelastung höher, aber nicht der Klimabonus.

Noch ein paar Feststellungen vom Budgetdienst: Die relative Entlastung durch die Steu­erreform führt zu einem Anstieg des verfügbaren Haushaltseinkommens im untersten Einkommensdezil und bis zum siebenten Dezil um durchschnittlich 3 Prozent. Damit gelingt es, die bisher übliche und wie auch von der EZB prognostizierte zukünftige Teue­rungsrate abzufedern. Auch der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit misst, sinkt um ein halbes bis 1 Prozent, was einen Rückgang in der Ungleichheit bedeutet.

Ich komme anschließend noch zu den Teuerungen im Energiebereich. Auch die Steuer­reform selbst hat Preisschwankungen nach oben und unten bei den Energiepreisen mit­bedacht, indem sie die CO2-Bepreisung eben entlang solcher Schwankungen ausrichtet: Steigen die Energiepreise, wird die CO2-Bepreisung nicht so stark angehoben, und um­gekehrt.

Was aber ebenso wichtig ist: Die ökosoziale Steuerreform muss immer in Verbindung mit anderen Maßnahmen gesehen werden, einerseits natürlich mit einer erhöhten Flug­abgabe, der Ökologisierung der Nova oder steuerlichen Anreizen zur Nutzung des öf­fentlichen Verkehrs, aber auch nicht steuerlichen Maßnahmen wie dem Umstieg auf Energiegewinnung aus Erneuerbaren mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Durch den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen wird langfristig gedacht, um die Abhängig­keit von fossilen Energieträgern zu beenden, die nicht nur unserer Umwelt, unserem Klima und unserer Gesundheit schaden, sondern auch unserem Frieden, wie wir gerade sehen. Und sie beeinflussen aus geopolitischen Überlegungen unsere Preise. Mit der Energiewende – wie Kollege Lackner es sagte: erneuerbare Energie made in Austria – können wir uns von diesen Drohszenarien befreien.

Weitere Maßnahmen, die in Verbindung mitgedacht werden müssen, sind die Förderung von thermischer Sanierung und des Heizkesseltausches. Auch da wurde wieder nach ökosozialen Maßstäben geregelt: Der Tausch wird für das unterste Einkommensfünftel zu 100 Prozent gefördert, und für die, die einen Teil selbst zahlen, ist das steuerlich absetzbar. Ja, es braucht auch noch Anreize für VermieterInnen, damit auch sie Heizsys­teme und Häuser energieeffizient und im Verbrauch günstiger machen. Das ist in Arbeit.

Wir hören ja nicht auf, an einer ökosozialen Systemänderung zu arbeiten, „nur“ – unter Anführungszeichen – weil wir heute diese einmalige Steuerreform beschließen, die einen großen, ja den wichtigsten Schritt dazu setzt. Wir hören auch nicht auf, an einer Pflegereform zu arbeiten.

Weitere Maßnahmen, die das Ökologische in den Mittelpunkt stellen und Lenkungseffek­te erzeugen, sind natürlich das Öffiticket und der Öffi- und Bahnausbau. Das Öffiticket bleibt bis 2025 zum gleichen Preis erhältlich.

Die Steuerreform steht nicht allein und nicht im regelfreien Raum, sondern ist immer auch mit allen anderen Maßnahmen zusammen zu denken. Genau das macht umsichti­ge Politik aus. Dass SPÖ und FPÖ dieser Steuerreform nicht zustimmen, ist für mich nicht nachvollziehbar, vor allem, weil sie beide behaupten, sie verträten Menschen mit geringem Einkommen. Dass sie das aber nicht tun, dass sie nicht verstehen, dass Kli­mapolitik eigentlich Sozialpolitik schlechthin ist, zeigt sich wohl am besten in Wien, auch in den vergangenen Tagen, wo sie täglich eine Politik des Autofahrens machen, wo kein Parkplatz für einen Baum oder für FußgängerInnen oder RadfahrerInnen geopfert wer­den darf, wo Straßen wichtiger sind als ein radikaler Rückbau des Autoverkehrs, als ein radikaler Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Forcierung smarter und geteilter Mo­bilität. Würden Sie diese fehlgeleitete Politik, die keine Sozialpolitik ist, endlich erkennen und umschwenken, würden Sie hier und heute zustimmen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.44

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte schön.