1772/J-BR BR
Eingelangt am: 15.2.2001
 

DRINGLICHE ANFRAGE

gem. § 61 Abs. 3 GO - BR


 
der Bundesräte Mag. Hoscher, Anna Elisabeth Haselbach, Brunhilde Fuchs, Prof. Konecny
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend die Defizite im Verkehrsinfrastrukturausbau in Österreich, die Demolierung des
öffentlichen Nahverkehrs und Verschlechterungen in der Postzustellung
Der Ausbau der Verkehrs - und Telekominfrastruktur sowie die Bereitstellung moderner
Verkehrsdienstleistungen ist entscheidend für den Wirtschaftsstandort Österreich.
Umso erschreckender ist das chaotische Vorgehen der derzeitigen FP/VP - Bundesregierung.
Während ihr Amtsvorgänger Bundesminister Schmid während seiner neunmonatigen
Amtszeit nur punktuell, und da wiederum eher der Tageslaune verpflichtet, zu einzelnen
Projekte Stellung nahm (Lainzer Tunnel, Transitroute in Tirol, Westbahnausbau....) und dort
die laufenden Arbeiten unterbrach, haben Sie bisher nur eine wesentliche Entscheidung
hinsichtlich der Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur getroffen: Kärnten erhält umgehend
3,5 Mrd. Schilling für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur.
Da davon auszugehen ist, dass keine zusätzlichen Bundesmittel zur Verfügung gestellt
werden können, müssen auf Grund der zugesagten Infrastrukturmittel für Kärnten andere
Infrastrukturprojekte in anderen Bundesländern zurückgestellt werden. Dabei wurde die
Zusage der Bundesmittel für Kärnten nicht etwa auf Grund eines längst überfälligen
Bundesverkehrswegeplans für Österreich getroffen, sondern nur aus dem Umstand heraus,
dass der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider am 16.1.2001 öffentlich an Sie ein
Ultimatum gerichtet hat.
Kein Wunder, dass sich auf Grund der absehbaren Benachteiligung, Widerstand bei allen
anderen Bundesländern gegenüber der von Ihnen getroffenen Entscheidung regt. So meint der
Tiroler Landeshauptmann Wendelin Weingartner im Wirtschaftsblatt vom 8. Februar: "Es
kann nicht für die einen gravierende Benachteiligungen geben und für die anderen massive
Bevorzugungen."
Diese Kritik ist umso mehr deswegen berechtigt, weil dringend zusätzliche Mittel für den
Ausbau der umweltfreundlichen Bahn - und Schifffahrtswege, für den Lückenschluss auf den
Autobahnen und für den Ausbau der notwendigen Verkehrswege in der Ostregion im Zuge
der Osterweiterung erforderlich sind. Ein Vernachlässigen der Verkehrsinfrastruktur bedeutet
eine eklatante Schwächung des Wirtschaftsstandortes Österreichs und lässt ein Absinken der
internationalen Konkurrenzfähigkeit befürchten.
Gleichzeitig bedeutet fehlende Verkehrsinfrastruktur Dauerstau in Spitzenverkehrszeiten in
den Ballungsräumen für tausende Pendler, die auf das Auto zur Erreichung ihrer Arbeitsstätte
angewiesen sind, sowie für den Werksverkehr. Zusätzliche Verkehrsinfrastruktur in den
Ballungsgebieten ist ebenso erforderlich wie die weitere Attraktivierung des öffentlichen
Nahverkehrs.
Demgegenüber haben Sie als zuständige Verkehrsministerin sich als Bremserin des
öffentlichen Verkehrs erwiesen. So haben Sie die Mittel für die jahrelang vorbereitete
Bahnhofsoffensive drastisch gekürzt, wobei gerade diesem Projekt für die weitere
Attraktivierung des Nahverkehrs und für die Schaffung von Wirtschaftszentren in den Städten
besondere Bedeutung zukommt. Gleichzeitig wurde durch mehrere Tariferhöhungen, zuletzt
am 1.1.2001 bei den Österreichischen Bundesbahnen, der öffentliche Nahverkehr verteuert.
Darüber hinaus ist durch die kürzlich im Nationalrat beschlossene Poststrukturgesetznovelle
und die Übertragung der Österreichischen Postbus - AG in die ÖIAG zur Privatisierung eine
massive Ausdünnung des öffentlichen Verkehrsangebots gerade in den ländlichen Regionen
zu erwarten. So wird ein neuer gewinnorientierter Eigentümer eine dem Kaufpreis angepasste
Eigenkapitalrendite einfordern, was zu steigenden Tarifen für die Konsumenten sowie zu
finanziellen Belastungen der Gebietskörperschaften führt. Nicht Gewinn bringenden Kursen
droht die Einstellung.
Die peripheren Regionen werden auch im Postwesen und im Telekombereich benachteiligt.
So gefährdet ihr Entwurf einer Universaldienstverordnung die Postzustellung im ländlichen
Raum. Tausende Landbewohner, die mehr als 5 km oder eine Gehstunde von ihrem
Zustellpostamt entfernt wohnen, werden in Zukunft ihre Post gemäß diesem Entwurf selbst
abholen müssen. Auch im Hinblick auf den Ausbau von Internet und der modernen
Funktechnologien (GSM, ADSL, UMTS) wird von der derzeitigen FP/VP - Regierung der
Ausbau in den peripheren ländlichen Regionen nicht entsprechend vorangetrieben, sodass die
ländlichen Regionen als Wirtschaftsstandort immer unattraktiver werden.
Durch das Fehlen jeglicher gesamthafter verkehrspolitischer Konzepte seitens der
bestehenden Bundesregierung und der geplanten Kürzung droht deshalb ein empfindlicher
Rückgang vor allem beim Bahn - und Straßeninfrastrukturausbau sowie beim Angebot
öffentlicher Verkehrsdienstleistungen.
Der im Regierungsabkommen vereinbarte Starttermin für die LKW - Maut, vorläufig erst 2002,
wird durch die Neuausschreibung eines vollelektronischen LKW - Mautsystem jedenfalls nicht
mehr zu halten sein. Bei einem Interview in der ZIB 1 am 11. Jänner stellten Sie klar, dass am
Zeitplan für die Einführung der LKW - Maut bis 1.7.2002 festgehalten wird. Kurz davor
teilten Sie aber dem Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher in einer schriftlichen
Anfragebeantwortung mit, dass eine Inbetriebnahme des vollelektronischen Mautsystems erst
zwei Jahre nach Erteilung der Aufträge zur Implementierung des Systems erfolgen kann. Da
das vollelektronischen System jetzt ausgeschrieben werden muss und von einem Vorlauf von
über einem Jahr ausgegangen werden muss, ist daher eine Inbetriebnahme demgemäß
frühestens 2003 möglich.
Damit fehlen an die 3 Mrd. Schilling jährlich an Nettoeinnahmen, die in den weiteren Ausbau
des Straßennetzes fließen sollten. Darüber hinaus wird die umweltpolitisch erforderliche
Verkehrsverlagerung von der Straße auf die umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene und
Schiff nicht durchgeführt.
Völlig erfolglos agieren sie bisher in Fragen der Transitpolitik. So jubeln Sie am 14.12.2000
nach einem ersten Gespräch mit der EU-Verkehrskommissarin Loyola de Palacio, dass das
Ökopunktesystem bis 2003 weiterlaufen wird, während die EU - Verkehrskommissarin bereits
am 20.12.2000 öffentlichen klar macht, dass die Mengenbeschränkungen für LKW im
Transitvertrag gestrichen werden sollen. Jetzt klagen sie im Namen Österreichs vor dem
EUGH gegen die Entscheidung, um die Ökopunktekürzungen auf mehrere Jahre für nichtig
zu erklären. Darüber hinaus ist aber keinesfalls klar, wie die Ökopunkteregelung nach den
erneuten Mengenüberschreitungen im Jahr 2001 fortgesetzt wird oder wie die
Transitvertragsregelung für Österreich über das Jahr 2003 hinaus aussieht.
Zu ihrer Glaubwürdigkeit vor der Europäischen Union trägt auch keinesfalls ihr skurriler
Rechtsstreit mit Landeshauptmann Weingartner hinsichtlich der Bestrafung von
Ökopunktesündern bei. Trotz entsprechender rechtlicher Gutachten begnügen sie sich am 30.
Jänner mit einem Appell zur Bestrafung, womit Sie den Schutz der österreichischen
Bevölkerung den LKW - Lobbyinteressen opfern. Bis heute fordert Landeshauptmann
Weingartner von Ihnen Daten ein, um auch alle ausländischen Lenker strafen zu können.
Diese werden von Ihnen dem Land Tirol seit mehr als drei Wochen verweigert, sodass keine
nachträgliche Bestrafung ausländischer Lenker möglich ist und täglich begangene Straftaten
verjähren.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Verkehr,
Innovation und Technologie nachstehende
 

Dringliche Anfrage:


1. Welche Projekte mit welchen Einzelkosten sind in dem 3,5 Mrd. Schillingpaket,
welches Sie mit dem Kärntner Landeshauptmann auf dessen Druck hin vereinbart
haben, tatsächlich beinhaltet? Weshalb sind diese Projekte so dringlich?
2. Welche Bundesmittel sind dafür im Detail je Projekt, nach Budgetjahren gegliedert,
vorgesehen? Wird es dafür zu Kürzungen bei anderen Projekten in anderen
Bundesländern kommen oder werden die Mittel für den Verkehrsinfrastrukturausbau
erhöht werden?
3. Welche Pakete haben Sie bereits mit anderen Landeshauptleuten vereinbart oder
werden Sie mit diesen vereinbaren? Welche rechtliche Qualität kommt dabei
derartigen Vereinbarungen zu?
4. Werden Sie die von Ihren Amtsvorgehern bisher vereinbarten
Verkehrsinfrastrukturprojekte, insbesondere hinsichtlich Wien, Niederösterreich und
Burgenland (Ostregion), von Ihnen eingehalten werden?
5. Für welche Schienenprojekte hat Bundesminister Schmid oder Sie, Frau
Bundesministerin, einen gänzlichen oder teilweisen Projektstopp oder eine
Projektpause verfügt?
6. Welche Schienenprojekte hat Bundesminister Schmid oder Sie neue verordnet?
7. Auf welcher objektiven Basis werden sie die angekündigte Neuordnung der
Schienenprojekte vornehmen? Wann werden Sie diese Neuordnung der Projekte
vornehmen, nachdem seit Frühjahr 2000 eine Verunsicherung eingeleitet wurde?
8. Nachdem bereits andere Landeshauptleute ebenfalls Interesse an Gesprächen mit
Ihnen über Verkehrsinfrastrukturen ihres Bundeslandes geäußert haben, haben oder
werden Sie diesen ähnliche Zugeständnisse machen? Wie wollen Sie dies Erfüllung
dieser Wünsche finanziell bedecken?
9. Wie viele Mittel werden Sie für die Bahnhofsoffensive tatsächlich zur Verfügung
stellen? Mit welcher Begründung haben Sie die betreffenden Mittel gekürzt? Welche
Bahnhöfe sollen jetzt saniert werden?
10. Werden Sie die Postuniversaldienstverordnung in der Begutachtungsform tatsächlich
erlassen? In welchem Ausmaß wird es zur Schließung von Postämtern im ländlichen
Raum kommen? Können sie garantieren, dass wie bisher flächendeckend Post
zugestellt wird?
11. Auf welchen Nebenbahnen wird in Österreich der Betrieb eingestellt werden und
wird es dafür einen Ersatzverkehr in gleicher Qualität geben?
12. Wird die Post - Autobus - AG tatsächlich von der ÖIAG privatisiert werden? Wie
wollen sie verhindern, dass es im Zuge dessen zu der Einstellung von Kursen im
ländlichen Raum kommt? Welche zusätzlichen finanziellen Belastungen erwachsen
daraus den Gebietskörperschaften?
13. Werden Sie als zuständige Verkehrsministerin bald einen Bundesverkehrswegeplan
vorlegen?
14. Wann wird das LKW - Road - Pricing tatsächlich in Kraft treten?
15. Welche Projekte forcieren Sie zur Verbesserung der Verkehrssituation im
Ballungsraum Wien auf Straße und Schiene?
16. Welche Projekte sind im Zuge der EU - Ostöffnung dringend erforderlich? Ist dafür
die Finanzierung gesichert?
17. Wird es in absehbarer Zeit flächendeckend Internet und moderne Funktechnologien
(GSM, ADSL, UMTS) in Österreich geben?
18. Wann werden alle Ökopunktesünder (Inländer und Ausländer) bestraft werden? Wie
viele Fälle sind bisher bekannt?
19. Wird die erneute Überschreitung der Mengenbeschränkung für LKW im
Transitvertrag im Jahr 2000 im laufenden Jahr zu Kürzungen der Fahrkontingente
führen?
20. Was werden Sie unternehmen, damit die Mengenbeschränkungen für LKW im
Transitvertrag nicht ersatzlos gestrichen werden? Was haben Sie bisher dazu getan?
21. In welcher Form wird der Transitvertrag für Österreich über das Jahr 2003 fortgesetzt
werden? Haben Sie diesbezüglich mit der Europäischen Union bereits
Verhandlungen geführt und welche Ergebnisse brachten diese?
 
Unter einem wird gem. § 61 Abs. 3 GO - BR verlangt, diese Anfrage vor Eingang in die
Tagesordnung dringlich zu behandeln.

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