1945/J-BR BR


Eingelangt am: 27.06.2002

DRINGLICHE ANFRAGE

gem. § 61 Abs. 3 GO-BR


der Bundesräte Rosenmaier, Gasteiger, Gruber
und GenossInnen
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend Österreichische Postbus-AG

Während auf der einen Seite die Belegschaft der Postbus-AG in einem
zweiten Streik auf den drohenden Abbau von Arbeitsplätzen aufmerksam
macht und die Mehrheit der ÖsterreicherInnen diesem Streik gegenüber
solidarisch ist, haben auf der anderen Seite die Vertreter dieser
Bundesregierung nur Zynismus und Häme hinsichtlich der Forderungen der
Postbus-Gewerkschaft über. Bundesminister Grasser sieht überhaupt
keinen Gesprächsbedarf mehr, denn der Verkauf sei beschlossene Sache.
Welche Auswirkungen der Verkauf auf die Beschäftigten des Unternehmens
habe, dürfte ihm völlig gleichgültig sein.

Der Bundesminister für Finanzen geht in seinem Vortrag an den Ministerrat
vom 14. Mai 2002 davon aus, dass die ÖIAG beabsichtigt, mit den ÖBB
Verhandlungen über die Abgabe sämtlicher Anteile der ÖIAG an der
Österreichischen Postbus-AG aufzunehmen und diese Anteile bei
zufriedenstellenden Verhandlungsergebnissen abzugeben. Voraussetzung
hiefür sei auch, dass sich die ÖBB verpflichten, bei dieser Lösung private
Verkehrsunternehmen zur Verbesserung der Wettbewerbssituation so rasch
wie möglich einzubinden. Entsprechende Interessensbekundungen einzelner
privater Unternehmen betreffend die Übernahme von Marktanteilen samt
anteiligen Overheadbelastungen gegen einen anteiligen Kaufpreis liegen
bereits vor und es wären auch schon Arbeitsgruppen zwischen den ÖBB und
privaten Unternehmen eingerichtet.

Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie werde
gemeinsam mit dem Bundesminister für Finanzen die Einbindung der
privaten Interessenten sicherstellen, wobei die dafür allenfalls erforderlichen

Eigentümermaßnahmen durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation
und Technologie zu treffen seien.

Der Ministerrat beschloss daher die Schaffung einer österreichischen
Buslösung durch Abgabe von 100 % der Aktien der Österreichischen
Postbus-AG an die Österreichischen Bundesbahnen unter der
Voraussetzung, dass eine teilweise Privatisierung des Unternehmens in
einem zweiten Schritt tatsächlich umgesetzt werde.

Mit diesem Ministerratsbeschluss wird der Bestand des Unternehmens, nur
um Mittel zur Budgetsanierung zu lukrieren, absichtlich gefährdet, da aus
der kartellrechtlichen Situation sich zwingend eine Veräußerung von
mindestens 30 Prozent an Private ergibt. Diese werden wohl kaum ein
Interesse an defizitären Streckenführungen aufbringen und lediglich das
"Unternehmenssilber" zu möglichst niedrigen Preisen übernehmen.

Dies ergibt zwei Schlussfolgerungen: Erstens wird der Bestand des
Restunternehmens durch den Verkauf der gewinnbringenden
Streckenführungen mittelfristig gefährdet. Zweitens wird durch Aufgabe des
gemeinwirtschaftlichen Prinzipes die Situation im ländlichen Raum weiters
verschlechtert, was zu massiven Nachteilen für die betroffenen Gebiete führt.

Diesen Ansatz vertritt ganz massiv auch der Landeshauptmann von Tirol
Wendelin Weingartner (ÖVP), der ausführt: "Es fehlt nach wie vor ein
schlüssiges Konzept der Bundesregierung für die Neuorganisation der
Postbusse. Die Proteste der Postbusbediensteten kann ich daher verstehen,
denn ihre berechtigten Anliegen wurden bisher zu wenig berücksichtigt."

Die damit verbundene Gefährdung des ländlichen Raums wird von einer
Reihe von Bürgermeistern, die allen im Bundesrat vertretenen Fraktionen
angehören, angesprochen. Diese fordern für ihre Gemeinden die
Aufrechterhaltung der bestehenden Busverbindungen und damit die
Aufrechterhaltung der Mobilität für viele BewohnerInnen. Um diesen
Umstand zu betonen: 729 Gemeinden werden ausschließlich vom Postbus
angefahren. Die BewohnerInnen in diesen Gemeinden sind daher von diesem
einzigen öffentlichen Verkehrsmittel völlig abhängig. (Als Beilage ist eine
Übersicht über diese Gemeinden angefügt.)

Am 29. Mai 2002 erklärte der Verkehrssprecher der FPÖ, Abg. Mag.
Firlinger, dessen Bestellung zum Vorstand der neu zu gründenden
Busgesellschaft bereits fixiert ist, im Beisein von Verkehrsminister Reichhold
der Personalvertretung das Unternehmenskonzept nach Übernahme der
Anteile der Postbus-AG durch die ÖBB. Wesentliche Inhalte des "Firlinger-
Planes" sind der Verkauf von mindestens 30 % der Konzessionslinien und
der Liegenschaften an private Busunternehmen, die vorübergehende
Übernahme einiger Lenker sowie die Konstruktion einer Poolgesellschaft,
über die alle Beamten, Angestellten und KV-Lenker angestellt und je nach
Bedarf verleast werden.

Weder der Regierungsbeschluss vom 14. Mai 2002 noch der "Firlinger-Plan"
nehmen Stellung zu der massiven Gefährdung von tausenden Arbeitsplätzen
durch diese Verschleuderung des Postbus-Vermögens. Auch wird
vollkommen außer Acht gelassen, dass die öffentliche Verkehrsversorgung
vor allem gemeinwirtschaftliche Aufgaben erfüllt und in vielen Bereichen ein
buchhalterischer Gewinn nicht erzielbar sein wird.

Von Seiten des Zentralbetriebsrates der Österreichischen Postbus-AG wird
vor allem versucht, die bestehenden Arbeitsplätze innerhalb des
Unternehmens abzusichern sowie eine Zerschlagung des Unternehmens
Postbus-AG zu verhindern. Ebenso ist es ein Anliegen der Gewerkschaft, die
bestehenden Verkehrsleistungen zu garantieren.

Trotz eines tobenden Arbeitskampfes wurden von Seiten der betroffenen
Minister keine weiteren Verhandlungen mit den Personalvertretern der
Österreichischen Postbus-AG geführt und gipfelt die Ignoranz der
Regierungsfraktionen gegenüber diesem volkswirtschaftlichen und sozialen
Problem in der Forderung des zweiten Nationalratspräsidenten Prinzhorn
nach einer sofortigen Totalprivatisierung der Österreichischen Postbus-AG.
Dies verwundert nicht, da der Genannte auch die argentinische
Wirtschaftspolitik als Vorbild für Österreich bezeichnet hat.

Die unterzeichneten Bundesräte richten daher an den Bundesminister für
Verkehr, Innovation und Technologie nachstehende


Anfrage:

1. Inwieweit können Sie dafür garantieren, dass nach Privatisierung
eines Teiles der Buslinien deren Erhalt gewährleistet bleibt?

2. Wie können Sie garantieren, dass der Bestand des Unternehmens
durch den Verkauf von rentablen Linien an Private nicht gefährdet
wird?


3. Ist es richtig, dass auch geplant ist, die Liegenschaften der

Österreichischen Postbus-AG im Rahmen der 30 %-Privatisierung zu
verkaufen?


4. In welcher Form sollen die zu privatisierenden 30 % der

Gesellschaftsanteile an der neu zu gründenden Bus-Gesellschaft an
private Unternehmen vergeben werden?

5. Zu welchem Prozentsatz werden die Linien der Österreichischen
Postbus-AG kostendeckend geführt?

6. Welcher Prozentsatz der Linien deckt nicht einmal die Betriebskosten
ab?

7. Welcher Prozentsatz der von der Österreichischen Postbus-AG
geführten Linien arbeitet voll kostendeckend?

8. Wurden die gemeinwirtschaftlichen Auswirkungen des geplanten
Verkaufes evaluiert und wie sind die Ergebnisse diese Evaluierung?


9. Wurden bei dieser Evaluierung auch die Auswirkungen auf die

MitarbeiterInnen berücksichtigt und welche Ergebnisse sind dabei
festgestellt worden?

10. Haben Sie diesbezüglich Gespräche mit den Belegschaftsvertretern
geführt?


11. Welche Zusagen haben Sie dabei getätigt?

12. Aufgrund welcher persönlichen Voraussetzungen ist geplant, Herrn
Abg. Mag. Firlinger zum Vorstand der neu zu gründenden Bus-
Gesellschaft zu bestellen?

13. Wurde diesbezüglich ein Ausschreibungsverfahren durchgeführt oder
ist geplant, ein solches durchzuführen?

14. Mit welchen Gehältern kann der neu zu bestellende Vorstand (also
eventuell der nunmehrige FPÖ-Abgeordnete und Abgeordnete des
Liberalen Forums a.D. Firlinger) rechnen?

15. Wird für die Vorbereitung der Entscheidung wieder ein
Personalberater bestellt?


16. Welches Honorar mit diesem Personalberater vereinbart werden?

17. Aus welchen Gründen erklärte am 29. Mai 2002 der Verkehrs-
sprecher der FPÖ, Abg. Firlinger, der Personalvertretung die Schritte
zur Verlagerung der Postbus-AG zu den ÖBB?

18. Seit welchem Zeitpunkt bekleidet Mag. Firlinger eine offizielle Position
im Unternehmen Österreichische Postbus-AG?


19. Welche Bemühungen werden von Ihnen angestellt, um den

momentan stattfindenden Arbeitskampf innerhalb des Unternehmens
Österreichisehe Postbus-AG beizulegen?

Unter einem wird gem. § 61 Abs. 3 GO-BR verlangt, diese Anfrage vor
Eingang in die Tagesordnung dringlich zu behandeln.


729 Gemeinden mit ausschließlicher Postbus-Bedienung

Stand: 2. Juni 2002


 
 
 
 
 
 
 
 
 

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