Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 1. Sitzung / Seite 16

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Ich glaube, selbst wenn du, Jörg, einer Fraktion vorsäßest, die seinerzeit unter dem Nationalsozialismus gelitten hätte und wenn du wirklich außer jeglichem Zweifel in dieser Frage stündest, könnte ich deinen Kandidaten heute nicht wählen. Ich könnte ihn deshalb nicht wählen, weil ich glaube, daß man dir auch einmal sagen muß, daß dieses Parlament keine Spielwiese ist. Wenn wir Karten spielen wollen, dann spielen wir Bridge oder von mir aus Stoß, aber nicht in diesem Haus und nicht ein solches Poker. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Nehmen Sie zur Kenntnis, daß offensichtlich ist, daß sich hier zwei zum Poker zusammengesetzt und gesagt haben, worum es geht. Herr Khol! Glauben Sie doch nicht, daß wir 183 hier, die Zuschauer und Zuhörer und Ihre Wähler das nicht irgendwie spüren und nicht auch wissen. Daher ist meiner Meinung nach kein Kandidat von der FPÖ – weder dieser, der seine Rücktrittsrede sicher schon vorbereitet hat, noch ein anderer – wählbar. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Haider : Jetzt weiß ich, warum sie dich nicht als Hauptredner genommen haben!)

11.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wabl. Restliche Redezeit: 4 Minuten.

11.02

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Die Grünen freuen sich ebenso, den Kandidaten für das Amt des Ersten Präsidenten hier wählen zu dürfen, und zwar aus einem einfachen Grund: nämlich weil wir aufgrund der Geschichte in diesem Haus den Eindruck gewonnen haben, daß Herr Präsident Fischer zwar in seinem Amt sicher ein Sozialdemokrat geblieben ist, aber daß er in der kritischen Auseinandersetzung seine eigene Fraktion sehr wohl zurechtweist.

Das kann ich auch für den Zweiten Präsidenten Heinrich Neisser feststellen, der in Konfliktsituationen auch Klubobmann Khol sehr wohl stets klar gesagt hat, welchen Standpunkt er einnimmt.

Meine Damen und Herren! Wir haben betreffend den Abgeordneten Haupt vor einem Jahr hier in diesem Haus festgehalten, daß er ein engagierter Abgeordneter ist, der sich hier in diesem Haus redlich bemüht, einen Beitrag zu leisten. Er ist keiner, der die "ordentliche Beschäftigungspolitik" des Dritten Reiches lobt. Er ist aber auch keiner, der sich gegen solche Statements auflehnt. Wir stellen heute fest, daß Herr Abgeordneter Haupt keiner ist, der Lobgesänge auf den Geist der Waffen-SS singt – das tut er nicht, das möchte ich hier ausdrücklich sagen; ich kenne Herrn Haupt lange –, aber es gibt auch keine Garantie dafür, daß er gegen eine solche Haltung auftritt.

Meine Damen und Herren! Herr Khol! Nun komme ich zu Ihnen: Sie haben verlangt, daß sich die Freiheitliche Partei und der Parteiobmann der F von seinen unglaublichen Äußerungen, die er bei diesem Treffen gemacht hat, distanzieren. Es ist einfach unvorstellbar, daß Sie tatsächlich meinen, daß es ausreichend ist, wenn die Freiheitlichen und wenn Herr Haider in der Öffentlichkeit erklären: Ich bin gegen die Verbrechen im Nationalsozialismus. Ich distanziere mich klar von diesen Greueltaten. Wenn Ihnen das genügt, dann vergessen Sie, meine Damen und Herren, daß die Verbrechen im Zweiten Weltkrieg mit Gesichtern und mit Namen verbunden waren. Es waren Väter und Mütter. – Herr Haider! Das ist Ihr Problem, damit müssen Sie fertig werden.

Herr Khol! Ihr Problem ist es hingegen, daß Sie in diesem Zusammenhang die Idee verkaufen und verraten, weil Sie Angst haben, daß Sie in diesem Haus den politischen Spielraum verlieren. Ich sage Ihnen: Sie haben kurzfristig recht – auch Sie, Herr Schüssel –, Sie hätten Spielraum verlieren können, aber Sie hätten in diesem Land kulturpolitisch viel gewonnen. Diese Chance haben Sie verwirkt! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Ein letztes Wort zur Fraktion der SPÖ und zu den Liberalen: Da wir verschiedene Kandidaten aufgestellt haben, ersuche ich Sie eindringlich, darüber nachzudenken, ob es möglich sein kann, einen gemeinsamen Kandidaten oder eine gemeinsame Kandidatin zu finden. Denn wir haben


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